KI findet bislang unsichtbare Spuren von Nutzung des Feuers vor 800.000 Jahren

Die Zähmung des Feuers ist einer der zentralen Meilensteine der Menschwerdung. Wann sie erfolgte, ließ sich bisher schwer erforschen. KI-Technik könnte helfen.

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(Bild: Kompass/Shutterstock.com)

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Mit der Hilfe eines Algorithmus hat eine Forschungsgruppe aus Israel Spuren der Verwendung von Feuer durch Vormenschen gefunden, wo sie mit traditionellen Methoden nicht weitergekommen ist. Damit gibt es nun einen sechsten Ort auf der Welt, an dem es Hinweise darauf gibt, dass sich Vormenschen schon vor mehr als einer halben Million Jahren das Feuer zunutze gemacht haben. Während dafür bislang aber visuelle Spuren – also primär die Farbveränderung angebrannter Objekte – nötig waren, gab es bei den jetzt analysierten Fundobjekten keine solche Hilfe. Ein Algorithmus hat stattdessen in gefundenen Feuersteinen auf molekularer Ebene Muster erkannt, die auf Erhitzungen zurückgehen und konnte sogar die Temperatur ermitteln. Die Methode könnte der Archäologie weitere Erkenntnisse bescheren.

Blick in den Steinbruch Evron während der Ausgrabungen 1976/77

(Bild: Evron Quarry Excavation Archive)

Wie das Team um Zane Stepka vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot in Israel erläutert, geht man in der Forschung aktuell davon aus, dass Vormenschen vor mindestens einer Million Jahren damit begonnen haben, Feuer kontrolliert zu benutzen. Das wäre am Übergang des Homo Habilis zum Homo Erectus, die Folgen für die Menschwerdung waren auf jeden Fall einschneidend: Gekochte Nahrungsmittel ermöglichten das Wachstum des Gehirns. Eine Bestätigung dieser Chronologie ist angesichts der archäologischen Gegebenheiten aber schwierig, weil man bisher auf sichtbare Spuren der Nutzung von Feuer angewiesen war. Beweise für die weitverbreitete Nutzung von Feuer gehen deshalb nur etwa 200.000 Jahre zurück, ältere seien äußerst rar.

Das könnte sich mit ihrer Methode nun ändern, legt das Team nahe. Wie sie im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences ausführen, haben sie sich damit einer Fundstelle gewidmet, die als Steinbruch Evron bekannt ist. Dort gefundene Spuren von Menschen sind bis zu einer Million Jahre alt. Dazu gehören auch 26 Werkzeuge aus Feuerstein. Um herauszufinden, ob die einst mit Feuer in Berührung gekommen sind, hat das Team in der Gegend ähnliche Steine gesammelt, diese in Feuer erhitzt und mit den Messdaten zur molekularen Struktur einen Algorithmus trainiert.

Einige der Feuersteine

(Bild: Zane Stepka/Weizmann Institute of Science)

Aus dem Vergleich zu den Messdaten von nicht erhitzten Feuersteinen sollte die KI dann für Menschen unsichtbare Unterschiede finden und daraus lernen, Spuren von Feuer nachzuweisen. Tatsächlich sei das gelungen und die Deep-Learning-Algorithmen könnten sogar ermitteln, welche Temperatur dabei erreicht wurde. Die prähistorischen Werkzeuge wurden demnach verschieden stark erhitzt, teilweise auf bis zu 600 Grad Celsius. Dabei seien sich die bislang mit der Untersuchung beschäftigten Archäologen vorher sicher gewesen, dass an den Objekten nichts mehr zu finden ist. "Wir hätten wetten sollen", sagt Filipe Natalio.

Insgesamt sei das Projekt ein "durchschlagender Erfolg", ergänzt Natalio noch. Dabei bezieht er sich nicht nur auf den Nachweis an sich, sondern auch die Bedeutung für die Forschung insgesamt. "Wenn wir diese Methode an Fundstellen anwenden, die eine oder gar zwei Millionen Jahre alt sind, könnten wir etwas ganz Neues herausfinden", erklärt Stepka. Es ist nicht das erste Mal, dass KI-Techniken in der Archäologie zum Einsatz kommen. Dabei ging es unter anderem darum, besonders zeitaufwendige und mühsame Arbeit zu übernehmen, insbesondere das Sortieren von Scherben. Auch bei der Analyse historischer Texte können Algorithmen wertvolle Hilfe leisten.

(mho)