KI gewinnt Preis und entrauscht bei Adobe – die Fotonews der Woche 16/2023

Unvermeidbar wird klar, wie wenig die Fotoszene auf künstlich generierte Bilder vorbereitet ist. Daneben gibt es reichlich Profi-Hardware und etwas Retro.

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KI-generierte Schwarzweiss-Aufnahme von zwei Frauen in einer Szene aus einem Krankenhaus.

Ein weiteres KI-Bild aus der Serie "Pseudomnesia" von Boris Eldagsen. Hier fallen die inkorrekten Hände weniger auf.

(Bild: Boris Eldagsen[Link auf https://www.eldagsen.com/])

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Haben Sie’s bemerkt? Die letzte Ausgabe unserer Kolumne kam ganz ohne das lästige Dauerthema KI aus, aber diesmal lässt sich das nicht vermeiden. Natürlich ist das ein Fall für Captain Obvious, nur wurden die Probleme, die vollständig künstlich erzeugte Bilder erzeugen, in dieser Woche besonders deutlich sichtbar. Denn, verkürzt gesagt: Erstmals hat eine KI einen renommierten Fotowettbewerb gewonnen.

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Allerdings eine KI in der Hand eines erfahrenen Fotografen und KI-Nutzers, welcher der Maschine das Lernen erleichtert hat. Der Berliner Boris Eldagsen reichte das Bild "The Electrician" bei den Sony World Photo Awards ein, gewann die Kategorie "Creative" – und lehnte den Preis schließlich ab. Vor allem deswegen, weil Sony der Öffentlichkeit nicht proaktiv mitteilte, dass es sich um ein KI-generiertes Werk handelt und das Problem auch nicht bei der Preisverleihung thematisieren wollte.

Dahinter verbirgt sich eine ganze Chronique scandaleuse, die wir hier wiedergegeben haben. Der Kern der Sache ist, dass der Nachweis erbracht ist, dass auch die Juroren eines großen Wettbewerbs nicht bemerkten, dass es sich nicht um ein mit einer Kamera aufgenommenes Foto handelte. Zudem gab es keine Kategorie für KI-Bilder, an all das hatten die Veranstalter offenbar schlicht nicht gedacht.

Hinterher ist man immer schlauer, und so wird in zahlreichen Kommentaren darauf hingewiesen, dass wie so oft die Hände der abgebildeten Personen eher gruselig als realistisch aussehen. Nur: Auf solche Fehler kann man sich nicht als Identifikationsmerkmal verlassen, sie werden bald kaum noch vorkommen.

Abgesehen von den allgemeinen gesellschaftlichen Fragen brauchen auch Fotowettbewerbe nun neue Regeln für den Umgang mit KI-generierten Bildern. Und eine klare Definition, was denn ein Foto ist. Dabei gibt es zahllose Missverständnisse, denn selbstverständlich soll nicht jede KI-basierte Technik verboten werden – wer sollte das auch kontrollieren? Viele Filter, bis hin zur RAW-Entwicklung, also dem meist ersten Schritt digitaler Fotobearbeitung, nutzen sogenannte KI-Verfahren, weil das schlicht der neueste Marketing-Hype ist.

Vermutlich wird man sich darauf einigen müssen, dass ein Foto nur ein solches ist, wenn es einmal mit einer Kamera ein reales Geschehen abgebildet hat. Denn was Generative AI zeigt, ist eben nicht real, Personen und Szenen haben nie existiert, sie sind nur eine Synthese des Trainingsmaterials. Darauf weist auch der Deutsche Fotorat in einem Positionspapier hin.

Die Herkunft eines Bildes ist in anderen Bereichen als Fotokunst noch kritischer, etwa wenn es um Pressefotografie geht. Da wird beim World Press Photo Award – nicht zu verwechseln mit der Sony-Show – schon seit Jahren genau in RAW-Dateien geguckt, GPS-Daten geprüft, sich mit dem Fotografen auseinandergesetzt und anderes.

Auch hier hätte Captain Obvious vorausgesagt, dass ein bedrückendes Bild aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gewinnen würde. Wichtig ist hier der Kontext, und die traurige Geschichte, die das Bild erzählt. Sie findet sich in der Bildbeschreibung der Galerie zum WPPA. Und genau das fehlt KI-Bildern: die Geschichte zum Bild. Weil es keine gibt.

Vielleicht hätte auch die CSU besser auf ein KI-generiertes Bild ihrer vermeintlichen Idylle einer bayerischen Landschaft mit weißer, blonder Familie, Biogasanlage und einem völlig deplatzierten Riesenrad am Fuße der Alpen gesetzt. Die Partei hatte sich nämlich in dieser Woche ein neues Grundsatzprogramm gegeben, und dafür einfach die Webseite csu-grundsatzprogramm.de aus dem Jahr 2016 recycelt. Und eben da fand sich das Bild, das auf Twitter spöttisch auseinandergenommen wurde.

Die Highlights: Grob geschätzt ist das Riesenrad 200 Meter hoch, die Kuh hat eine Schulterhöhe von etwa drei Metern, und das Ganze ist mit einer Art Glow-Filter überzogen, der vielleicht vor sieben Jahren noch hip war, heute aber von jeder Smartphone-Automatik schicker dargestellt wird. Das Bild erscheint auf der Webseite inzwischen nicht mehr, wenn man die SSL-Fehlermeldungen wegklickt, leitet die Seite auf die Hauptseite der CSU weiter.

Professionalität fehlte da, und die fängt bei moderner Digitalfotografie nach dem Shooting mit der RAW-Verarbeitung an. Da ist Adobes Lightroom immer noch der Platzhirsch, auch wenn andere Firmen wie DxO stark aufholen. Und das tun sie unter anderem mit KI-Funktionen, vor allem beim Entrauschen konnte Lightroom ohne Plugins inzwischen kaum noch mithalten.

Lightroom Classic 12.3 und Lightroom CC 6.3 reduzieren folglich endlich Bildrauschen mittels KI, mittels gleicher Technik lassen sich Personen und Gesichtsmerkmale erkennen. Die lassen sich dann maskieren und so retuschieren, wie es bisher nur andere Tools konnten. Die Grenzen zwischen RAW-"Entwicklung" und gestalterischer Bildbearbeitung verschwimmen immer weiter.

Scharf gezogen bleiben die Grenzen bei den Objektiven: Profiwerkzeug hat einen nahezu beliebigen Preis, und Luxus kostet. Gut, bei Leica rechnet man fast mit über 4.000 Euro für das neue 50mm/f1.4, aber 12.000 Euro für Canons neues RF 100-300mm F2.8 L IS USM sind eine ganz andere Ansage. Denn das ist gut das Zehnfache gegenüber den Standardlinsen für Sport und Event mit 70-200mm bei Blende 2.8 von Drittherstellern.

Dafür gibt es dann zwar hundert Millimeter mehr am langen Ende – nur ob man die wirklich braucht, muss man bei den Kosten sehr genau überlegen. Fairerweise: So viel Lichtleistung und Zoom zusammen mit komplett neuem Stabilisator in nur 2,6 Kilogramm zu packen, ist technisch beeindruckend.

Interessante Konzepte ganz ohne High End gibt es zum Glück in der Fotobranche auch immer wieder. Die seit 2017 als CROZ oder Paper Shoot bekannte Kamera mit Papiergehäuse zum Selberbasteln gibt es nun in aktualisierter Form auch mit deutschem Vertrieb. 18 Megapixel, Fixfokus, AA-Batterien und nur vier Fotomodi, nix mit Zeit und Blende – Point and Shoot mit echtem Retro-Charme. So rein nach Aktenlage, Pardon, der Papierform, sind dafür Preise ab 150 Euro wohl nicht zu viel verlangt.

(nie)