KJM erkennt zwei Jugendschutzfilter an
Die Jugendschutz-Filterprogramme von JusProg und Telekom erfüllen nunmehr die Kriterien der Aufsichtsbehörde KJM. Damit entfällt ab sofort die Verpflichtung zu Zugangsbarrieren für Anbieter von "entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten".
Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat erstmals zwei Jugendschutz-Filterprogramme offiziell anerkannt. Dabei handelt es sich um das Jugendschutzprogramm des Vereins JusProg sowie um die Kinderschutz-Software der Deutschen Telekom. Die JusProg-Software ist ab sofort kostenlos zum Download erhältlich, das Telekom-Angebot erst ab Ende März 2012 und lediglich für T-DSL-Kunden.
"Die Anerkennung ist ein Fortschritt für den Jugendschutz im World Wide Web", erklärte der KJM-Vorsitzende Siegfried Schneider. Weil "effiziente Jugendschutzprogramme für das Internet hochkomplex" seien, habe die KJM die beiden Programme allerdings nur mit Auflagen anerkannt. Beispielweise müssten die Programme mittels eines Praxistests weiter auf ihre Benutzerfreundlichkeit überprüft werden. Die deutsche Internet-Wirtschaft frohlockte heute unisono. Endlich sei ein großer Schritt zu mehr Jugendschutz im Internet getan, sagte Prof. Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Providerverbands eco. Und Bitkom-Geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder sprach von einem "wichtigen Schritt für mehr Jugendschutz im Web".
Die beiden Filterprogramme erfüllen nunmehr ein wichtiges Kriterium, das für die Anerkennung nötig war: Sie sind in der Lage, Webseiten-Alterskennzeichnungen in dem von der Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) entwickelten age-de-Format auszulesen. Wer also etwa mit dem Selbstklassifzierungs-Tool der FSM für seine Site ein Alters-Label "ab 16" generiert, wird von den den Programmen dann geblockt, wenn dort die Eltern die entsprechende Altersstufe einstellen – das Prinzip lautet "nutzerautonome Filterung".
Gemäß JMStV dürfen Anbieter von "entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten", also beispielsweise Softerotik, nur dann auf Web-Sendezeitbeschränkungen oder andere Zugangssperren verzichten, wenn sie ihre Seiten entsprechend kennzeichnen und Programme auf dem Markt sind, die diese Label auch auslesen können. Diese Programme müssen aber auch von der KJM genehmigt sein, und daran haperte es sehr zum Leidwesen von Erotik-Anbietern wie der Telekom und dem Bauer-Verlag bislang. Insbesondere dem Programm von JusProg wurden stets erhebliche qualitative Mängel assistiert.
Dass eine Anerkennung nun doch noch erfolgte, dürfte daran liegen, dass die KJM ihre Kriterien (PDF-Datei) für die Anerkennung nach dem Scheitern der JMStV-Novellierung erheblich aufgeweicht hat. Dies dürfte auch wegen des erheblichen Lobby-Druck geschehen sein. Dass die Content-Anbieter nun froh sind, weil nach fast 10 Jahren erfolglosen Anrennens eine wichtige Hürde zur Nutzung ihrer Angebote wegfällt, liegt auf der Hand.
Den Nutzen der Programme zweifeln viele Experten allerdings an. Sowohl JusProg als auch die Telekom-Software sind lediglich für Windows erhältlich. Andere PC-Betriebssysteme und vor allem die auch auf Schulhöfen immer verbreiteteren Smartphone-Plattformen unterstützen sie nicht. Die wenigsten Eltern dürften überhaupt von der Existenz der Software wissen. Selbst wenn: Sollten sie die Programme einsetzen, damit sie ihre Kinder nicht mehr beim Surfen begleiten müssen, wäre das eher eine Verschlechterung des Jugendschutz-Zustands, denn die Programme arbeiten nach wie vor alles andere als zuverlässig.
Zum Thema "gesetzlicher Jugendschutz im Web" hat c't eine ausführliche Analyse in der aktuellen Ausgabe 04/2012 veröffentlicht, die auch online zu lesen ist. Der Artikel erläutert, warum der gegenwärtige Regulierungsansatz zum Scheitern verurteilt ist. (hob)