Kabel-Poker

Was bei Ärzten, Journalisten und Politikern als anrüchig gilt – für dieselbe Leistung von zwei Seiten zu kassieren –, gehört bei den großen Kabelnetzbetreibern bislang zum Geschäftsmodell. Nun zeichnet sich das Ende dieser Praxis ab.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Dass die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die Rundfunkgebühr für die kommenden zwei Jahre auf 17,98 Euro einfrieren würde, wenn diese 2013 auf eine Haushaltsabgabe umgestellt wird, war durchaus erwartet worden. Für Aufsehen sorgte aber, dass unter den Einsparvorgaben der KEF in den Budgets der Öffentlich-Rechtlichen keine Mittel zur Verbreitung ihrer Programme über die Kabelnetze mehr auftauchen. Bisher überwies die ARD jährlich rund 45 Millionen Euro, das ZDF 10 Millionen Euro und Arte etwa 3,5 Millionen Euro an die Betreiber.

Unter den klassischen TV-Übertragungswegen nehmen die Kabelnetz-Anbieter eine Sonderrolle ein: Sie lassen sich sowohl von den Sendern als auch von den Kunden bezahlen.

ARD und ZDF bestätigten auf Anfrage ihre Entschlossenheit, künftig keine Einspeiseentgelte mehr zu zahlen. Die Mediengruppe RTL Deutschland, die eigentlich das gleiche Interesse am Wegfall der Durchleitungsgebühren haben müsste, wollte sich zum Thema nicht äußern, sondern es „mit den Kabelnetzbetreibern bilateral regeln“.

Für die Satellitenausstrahlung sind laut KEF-Bericht jährlich rund 77 Millionen Euro und für DVB-T knapp 260 Millionen Euro im Zeitraum 2013 bis 2016 vorgesehen. Doch dabei handelt es sich um eine Vollfinanzierung durch die Sender aus dem Gebührenaufkommen und die Satelliten- und Sendernetzbetreiber haben keine direkte Endkundenbeziehung, während die Kabelbetreiber ihr Netz zweiseitig vermarkten und sowohl von den Programmveranstaltern als auch von den Endkunden kassieren. Die zweiseitige Marktstruktur rührt aus den Achtzigerjahren her, als die Bundesregierung – noch unter den Bedingungen des staatlichen Netzmonopols der Deutschen Bundespost – den Aufbau der Kabelnetze forcierte und seinerzeit die Sender zur Mischfinanzierung quasi dienstverpflichtete, weil sie die Bürger nicht durch hohe Anschlussgebühren verschrecken wollte.

Den privaten Betreibern bietet die zusätzliche Einnahmequelle bei den Inhalteanbietern einen willkommenen Hebel, sich am anderen Marktende durch Subventionierung der Endkunden-Anschlüsse Konkurrenzvorteile zu verschaffen. Solche Freiheiten streben die Zugangsnetzbetreiber auch im Internet an, wo sie das Ende der Netzneutralität bedeuten würden (siehe Kasten). Insofern ist der Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen, obwohl mit Einsparungen begründet, auch ein Signal gegen das zweiseitige Geschäftsmodell. Dagegen warnt der Sprecher von Kabel Deutschland, der Wegfall würde die Endkundentarife verteuern, und „das kann keiner wollen“. Hinsichtlich der Höhe hüllen sich die Kabelnetzbetreiber in Schweigen. Zurzeit dürften die Erlöse bei den Sendern im Mittel aber nicht einmal 3 Prozent der TV-Kabelentgelte von den Kunden ausmachen.

Der TV-Einspeisemarkt besteht aus einem komplizierten Geflecht bilateraler Einzelvereinbarungen, das obendrein noch Verrechnungsmöglichkeiten mit Urheber- und Leistungsschutzrechten beinhaltet. Die Verträge sind geheim; nicht einmal die Beteiligten selbst, geschweige denn Dritte, können überprüfen, ob es an der Schnittstelle von Content-Providern und Transportnetzbetreibern diskriminierungsfrei zugeht und sämtliche Programmveranstalter – private wie öffentlich-rechtliche – gleiche Konditionen erhalten.

Eine Diskriminierung anderer Art ist jedoch bekannt. In den Genuss der Einspeiseentgelte kommen nämlich nur Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW, die vor einem Jahrzehnt die von der Deutschen Bundespost aufgebauten Kabelnetze übernommen haben. Die rund 160 alternativen Betreiber hingegen, die eine eigene Infrastruktur errichtet haben und die in Deutschland rund 5 Millionen Haushalte versorgen, spielen in einer anderen Liga. Wie mehrere von ihnen gegenüber c’t erklärten, seien ihnen Einspeiseentgelte bisher stets verwehrt worden. Das gilt selbst für Branchengrößen wie Tele Columbus (2,3 Mio Kabelkunden) und Primacom (1 Mio).

Damit soll nun Schluss sein: Wie verlautet, wollen sich einige auf dem Klagewege einen Teil des Kuchens erstreiten. Dass die Gerichte die Ungleichbehandlung untersagen werden, kann als ziemlich sicher gelten. Da eine Ausweitung des Empfängerkreises jedoch allen Sparvorgaben der KEF zuwiderliefe, dürften die Tage der Einspeisevergütung und der zweiseitigen Vermarktung der Kabelinfrastruktur gezählt sein. Einen Blackout der Öffentlich-Rechtlichen im Kabel muss wegen der gesetzlichen Übertragungspflichten jedoch niemand befürchten. Den könnte sich wohl auch keiner der Betreiber gegenüber den Kunden leisten.

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Einspeiseentgelte und Netzneutralität

Durchleitungsgebühren für lukrative Inhalte auch im Internet – das fordern viele Zugangsnetzbetreiber, die unter Losungen wie „Pay for Priority“ oder „Managed Services“ an den Erlösen von Google, YouTube, Facebook oder den Mediatheken der TV-Sender beteiligt sein wollen (c’t 2/12, S. 28). Doch Einspeiseentgelte im Internet bedeuten das endgültige Aus für die Neutralität der Kommunikationsnetze gegenüber Inhalten und Diensten. Mögliche Folgen einer Übertragung des Kabelmodells wären:

  • Diskriminierung: Bilaterale Verträge der Netzbetreiber mit Inhalteanbietern sind geheim, führen zu intransparenten Einspeisekonditionen und versteckter Diskriminierung.

  • Remonopolisierung: In Verhandlungen mit den Content-Providern begünstigt die Zahl der über ihr Zugangsnetz erreichbaren Endkunden die großen Netzbetreiber.

  • Verbraucherfeindliche Verhandlungsmacht: Da es wegen der Vertragsfreiheit keine Verpflichtung zur Interconnection oder zur Einspeisung gibt, werden die Endkunden zu Geiseln in der Vermarktung der Netze gegenüber den Content-Providern.

  • Einschränkung der Konnektivität: Jeder Provider schnürt andere Zugangspakete – unter Umständen sogar mit einer eigenen Zugangsbox – und statt der universalen Konnektivität zu sämtlichen Internet-Inhalten und -Diensten gibt es nur nach Marketing-Gesichtspunkten eingeschränkte Zugänge zu vorsortierten Paketen.

(vza)