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Kabelanschluss: Streit ums "Nebenkostenprivileg"

Volker Briegleb
Kabelanschluss: Streit ums

Übergabepunkt für die Kabelanlage im Haus: Bald nicht mehr mit den Nebenkosten abrechenbar?

(Bild: Unitymedia/Vodafone)

Die Bundesregierung will die Abrechnung des TV-Kabelanschlusses über die Mietnebenkosten abschaffen. Kabelnetzbetreiber und Wohnungswirtschaft sind alarmiert.

Viele Mieter kennen das: In der Wohnung ist ein TV-Kabelanschluss, der über die monatlichen Nebenkosten mit der Miete abgerechnet wird – völlig unabhängig davon, ob er auch genutzt wird. Die Hauskabelanlagen mit Verteilern und Übergabepunkten gehören in der Regel dem Eigentümer der Immobilien, der sie instand halten muss und dies samt der Signallieferung über die Betriebskosten abrechnet. Doch diese Sonderstellung des Kabelanschlusses steht unter Beschuss.

Die Bundesregierung möchte die Umlagefähigkeit des Kabelanschlusses mit der für Herbst geplanten Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ab Dezember für Neubauten und Ende 2025 ganz abschaffen. Diese Abrechnungsmöglichkeit hemme die Wahlfreiheit und stelle "nicht nur einen Nachteil für Verbraucher, sondern auch für den Wettbewerb dar", heißt es in dem noch nicht endgültig abgestimmten Referentenentwurf [1] des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) sowie des Bundesministeriums für Verkehr und Infrastruktur (BMVI), den Netzpolitik.org veröffentlicht hat.

Die Nachteile für den Wettbewerb habe "auch die Monopolkommission wiederholt festgestellt", heißt es aus den Ministerien weiter. Tatsächlich ist der Monopolkommission das Nebenkostenprivileg schon länger ein Dorn im Auge. In ihrem jüngsten Hauptgutachten von 2018 sprich sie von einer "Wettbewerbsbeschränkung auf der Distributionsebene", durch das "der Markteintritt für Anbieter alternativer Übertragungsmöglichkeiten, wie etwa IPTV-Anbieter, erschwert" werde. Fazit: Die Monopolkommission spricht sich "für eine Abschaffung des Nebenkostenprivilegs aus".

Auch Wettbewerber der Kabelnetzbetreiber, allen voran die Telekom, machen gegen das "Nebenkostenprivileg" mobil. Die Kupferdoppelader des Telefonanschlusses, über welche die Dienste der DSL-Anbieter in die Wohnung der Mieter gelangen, ist nicht vergleichbar privilegiert. Zudem sehen andere Anbieter ihre Wettbewerbschancen für Breitband- und TV-Dienste geschmälert, wenn die Kabelkonkurrenz schon mit der Miete bezahlt werden muss – zum Beispiel Freenet, das die kostenpflichtige DVB-T2-Plattform für terrestrischen Fernsehempfang betreibt.

Das Wirtschaftsministerium begründet die Abschaffung mit der Umsetzung des 2018 verabschiedeten Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation [2]. Darin verpflichten sich die EU-Mitgliedsländer, unter anderem verschiedene Standards bei Verbraucherrechten einzuhalten. So sind Verträge über Telekommunikationsdienste in der Laufzeit beschränkt. Ein Neukundenvertrag darf nicht länger als zwei Jahre laufen. Mit dem Mietvertrag hingegen bekommt man einen Kabelanschluss auf Dauer, den aber in der Regel billiger als direkt beim Anbieter – was auch die Ministerien einräumen müssen.

Mit dieser Frage muss ich demnächst der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Die von der Wirtschaft getragene Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) will klären lassen, ob Wohnungsunternehmen ihren Mietern ein Kündigungsrecht für mit den Nebenkosten abgerechnete Kabelfernsehanschlüsse einräumen müssen. Die selbsternannten Wettbewerbshüter argumentieren dabei mit der im TKG verankerten Begrenzung der Mindestlaufzeit von TK-Verträgen auf zwei Jahre, sind damit aber bisher vor Gericht abgeblitzt.

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Die Argumente gleichen den Überlegungen der Ministerien. Durch die Abrechnung des Kabelanschlusses über die Mietkosten werde die Wahlmöglichkeit der Mieter eingeschränkt, betont auch die Wettbewerbszentrale. Der Wettbewerb mit anderen TV-Plattformen wie zum Beispiel Streamingdiensten werde "massiv eingeschränkt". Die Wettbewerbszentrale ist daher der Ansicht, dass Hausbesitzer und Wohnungsunternehmen wie Anbieter von Telekommunikationsdiensten zu behandeln sind.

Signal-Einspeisepunkt in Berlin: Auch in der Hauptstadt rechnen tausende Haushalte ihren Kabelanschluss mit der Miete ab.

Signal-Einspeisepunkt in Berlin: Auch in der Hauptstadt rechnen tausende Haushalte ihren Kabelanschluss mit der Miete ab.

(Bild: heise online)

Die Wettbewerbszentrale hatte dem Essener Unternehmen Vivawest, dem über 100.000 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen gehören, im September 2018 eine schriftliche Abmahnung geschickt und forderte das Wohnungsunternehmen zur Unterlassung auf. Weil Vivawest dem nicht Folge leisten wollte, landete der Fall schließlich vor Gericht. Doch den Argumenten der Wettbewerbszentrale wollte sich weder das Landgericht Essen noch das Oberlandesgericht Hamm anschließen.

Das OLG wies die Berufung mit Urteil von Ende Mai zurück. Zwar könne man beim Kabelanschluss von einem Telekommunikationsdienst sprechen, doch sei fraglich, ob die Leistungspflicht eines Wohnungsunternehmens "ganz oder überwiegend" in der Übertragung von Signalen bestehe. Und selbst dann sei maßgeblich, dass die Übertragung der Signale nicht "öffentlich zugänglich" sei, wie es das TKG voraussetze, sondern nur den Mietern eines Mehrfamilienwohnhauses.

Gegen das Urteil des OLG Hamm hat die Wettbewerbszentrale nun Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. "Wir wollen jetzt von dem Bundesgerichtshof wissen, ob sich Vermieter an § 43b TKG halten müssen", erklärt Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale. Sollte dies der Fall sein, müsste das Unternehmen seinen Mietern die Möglichkeit der Kündigung des Kabel-TV-Anschlusses unabhängig von der Laufzeit des Mietvertrages gewähren.

Vivawest sieht dem gelassen entgegen. "Unsere Rechtsauffassung ist in den Vorinstanzen bestätigt worden", erklärt ein Sprecher, will sich unter Verweis auf das noch laufende Verfahren nicht weiter dazu äußern. Weniger gelassen ist die Wohnungswirtschaft im Hinblick auf die TKG-Novelle: Eine solche Änderung würde voraussichtlich den Breitbandausbau massiv behindern und wäre sozial ungerecht, warnt der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).

In das gleiche Horn stoßen auch die Kabelnetzbetreiber. "Eine Abschaffung der Umlagefähigkeit würde massive soziale Probleme mit sich bringen, denn gerade Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen profitieren davon", erklärt ein Sprecher von Tele Columbus. "Und sie würde die notwendigen Investitionen in schnelle Netze in den Gebäuden erheblich erschweren und verteuern." Zudem sei die Regelung "infrastrukturneutral und auch auf Glasfasernetze anwendbar".

Auch widersprechen die Kritiker dem Argument der Bundesregierung, die Umsetzung des EU-Kodex erzwänge eine Abschaffung des Nebenkostenprivilegs. Es sei nicht nachvollziehbar, "warum im Rahmen einer TKG-Novelle in das Mietrecht eingegriffen werden soll", heißt es in einem Positionspapier des GdW. Der Kodex erfordere es nicht, das TKG "auf mietvertragliche Regelungen" anzuwenden und Hauseigentümer damit zu TK-Anbietern zu machen. Davon sei auch angesichts der aktuellen Rechtsprechung auszugehen. Außerdem meint der GdW, dass der Eingriff in Bestandsverträge "in erheblicher Weise Grundrechte beeinträchtigt und daher rechtswidrig wäre".

Dem Vernehmen nach ist der Entwurf der zwei Ministerien unterschriftsreif und dürfte nach einer letzten Abstimmung im Kabinett Anfang August offiziell veröffentlicht werden. Dann geht die Gesetzgebung ihren Gang und auch die Kritiker werden gehört werden. Bis das neue TKG dann dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird, dürfte es noch eine lebhafte Debatte geben – nicht zuletzt, weil es hier um etliche Millionen betroffene Haushalte [4] geht. Dass der BGH bis dahin auch schon ein Urteil gesprochen haben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. (vbr [5])


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https://www.heise.de/-4851244

Links in diesem Artikel:
[1] https://netzpolitik.org/2020/so-soll-das-recht-auf-schnelle-internetanschluesse-aussehen/
[2] https://www.heise.de/news/Telecom-Kodex-EU-Parlament-draengt-auf-lueckenlose-5G-Abdeckung-in-Staedten-4220984.html
[3] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[4] https://www.heise.de/news/Studie-Dreiviertel-der-EU-Haushalte-sind-ans-Breitbandnetz-angeschlossen-3843245.html
[5] mailto:vbr@heise.de