Kabinett beschließt Kahlschlag

Regierung einigt sich auf drastische Kürzung der Solarförderung. Auch die Windmüller protestieren und sprechen von Schockstarre für alle Branchen der erneuerbaren Energieträger. Demo am Montag

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Das Bundeskabinett hat erwartungsgemäß am Mittwoch dem Entwurf einer Novelle des Erneuerbaren Energiengesetzes (EEG) zugestimmt, das von den Ministern Norbert Röttgen (Umwelt, CDU) und Philipp Rösler (Wirtschaft, FDP) vorgelegt worden war. Genauer: Es wurde eine "Formulierungshilfe" für die Fraktionen der Union und der Liberalen verabschiedet. Wie mehrfach berichtet ( Fotovoltaik ausgebremst?, Verschnaufpause für E.on & Co.) hatten sich die beiden darauf geeinigt, die Einspeisevergütung für Solaranlagen noch drastischer als ohnehin schon in der geltenden EEG-Version vorgesehen (15 Prozent zum 1. Juli) und zusätzlich auch noch sehr kurzfristig und abrupt abzusenken.

Schon ab dem 9. März soll nach den Plänen der schwarz-gelben Koalition die Vergütung je nach Anlagengröße und -art um 20,2 bis 24,9 Prozent abgesenkt werden. Danach geht es bis zum Jahresende im Monatstakt mit Kürzungen um jeweils 0,15 Cent pro Kilowattstunde (ct./KWh) weiter. Außerdem wird nicht mehr der gesamte Strom zu den Vergütungssätzen abgenommen, sondern nur noch 85 bis 90 Prozent. Bei kleinen Hausanlagen ist das ja noch irgendwie entfernt nachvollziehbar, aber bei Großanlagen, die oft nicht in der Nähe von Verbrauchern stehen, ist das eine Einladung zur Stromverschwendung. Das sieht so aus, als sollen die Anlagen künstlich uneffektiver gemacht werden.

Des weiteren wird nach der Novelle die Regierung künftig auf dem Verordnungswege die Vergütungssätze absenken können. Bisher wurden die vom Parlament im EEG-Gesetz festgelegt. Der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell ist vermutlich nicht der Einzige, der darin einen Angriff auf die Rechte des Parlaments sieht.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) spricht von einem fatalen Signal, das von den Plänen ausgehe. Die Sicherheit für Investoren, die bisher ein Markenzeichen des EEG gewesen sei und dieses so erfolgreich gemacht habe, werde gefährdet. Die Entscheidung versetze die gesamte Branche der Erneuerbaren Energien in Schockstarre und lasse an der Verlässlichkeit der Politik zweifeln. "An einigen Stellen besteht anerkannter Handlungsbedarf, aber Änderungen sollten nicht eine ganze Branche in den Ruin stürzen. Das Nachsteuern ist wichtig aber mit aller gebotenen Sorgfalt und unter Beibehaltung der Investitionssicherheit für milliardenschwere Investitionen", meint BWE-Präsident Herman Albers.

Der Bundesverband Solarenergie (BSW Solar) sieht bis zu 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr und [http://www.solarwirtschaft.de/presse-mediathek/pressemeldungen/pressemeldungen-im-detail/?tx_ttnews[year]=2012&tx_ttnews[month]=03&tx_ttnews[day]=01&tx_ttnews[tt_news]=14560&cHash=2cfe24024b7d8d498a457936354686be ruft] für den 5. März zu einer Demonstration in Berlin auf. Auch verschiedene Gewerkschaften haben sich dem Aufruf angeschlossen. Eine vom Verband in Auftrag gegebene Meinungsumfrage ergab, dass zwei Drittel der Bevölkerung die Pläne der Regierung ablehnen.

Formal hat das Bundeskabinett am Mittwoch nur eine "Formulierungshilfe" beschlossen. Der Entwurf der Novelle soll nämlich von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht werden. Das beschleunigt das Verfahren, sodass die zweite und dritte Lesung bereits Ende März stattfinden können. Danach kann allerdings noch der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen und versuchen, Änderungen durchzusetzen. Vollkommen offen ist daher noch, ob die Frist zum 9. März Bestand haben kann, die nachwirkend in Kraft gesetzt würde und den Vertrauensschutz verletzen könnte.