"Kampfansage an eine instrumentelle Vernunft"

Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg an den 80-jährigen Joseph Weizenbaum endete ein Fachkolloquium zu Ehren des Informatikers.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Informatik der Universität Hamburg an den 80-jährigen Joseph Weizenbaum endete am gestrigen Mittwochabend ein Fachkolloquium zu Ehren des Informatikers. Die Laudatio hielt Prof. Wilfried Brauer von der TU München, der neben der Rolle des Kritikers auch den frühen KI-Pionier Weizenbaum würdigte, der mit seinen Forschungen zur Listenverarbeitung und mit dem Programm Eliza Bahnbrechendes geleistet habe.

Brauer machte deutlich, wie das Hauptwerk von Joseph Weizenbaum, "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft" das eher geruhsame Leben eines KI-Forschers an dem MIT umkrempelte. Als Praktiker meldete sich Thomas Barthel vom Hamburger Verein Forbit zu Worte und führte die Ermutigung an, mit der Weizenbaum der informationstechnischen Beratung von Betriebsräten durch Vorträge und Diskussionsrunden geholfen habe. Aus den Reihen der von Weizenbaum so gescholtenen KI-Forscher bedankte sich der Hamburger Professor Bend Neumann, ein Schüler von Marvin Minsky, für die kritischen Anstöße, die Weizenbaum der Forschung gegeben habe. Die Professorin Christiane Floyd schilderte, welch unterschiedliche Resonanz das Buch bei seinem Erscheinen in den USA und in Europa im Jahre 1976 erfuhr. Während es in den USA als KI-Kritik verstanden wurde, habe man es in Europa in den Kontext der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gestellt und Weizenbaums Thesen als Kampfansage an eine instrumentelle Vernunft interpretiert, die Computer als wertfreie Werkzeuge betrachte.

Mit Ausblicken auf eine neue fachliche Orientierung der Informatik hin zu einer "Kontextuellen Informatik" hielt Professor Reinhard Keil-Slawik vom Heinz Nixdorf Insitut in Paderborn den Hauptvortrag des Festkolloquiums. Keil-Slawik präsentierte eine höchst vergnügliche Sammlung aberwitziger Dialogboxen (Beispiele sind im Web einige zu finden), die belegten, wie wenig sich technische Systeme um die Befindlichkeit der Benutzer kümmern. Im Gegenzug stellte er Ansätze vor, bei denen Informatiker und Benutzer offen kooperierten. Als Minimalziel eines Informatikunterrichtes nach Weizenbaum forderte Keil-Slawik schließlich die Einrichtung einer Pflichtvorlesung über den Datenschutz im Grundstudium, damit Informatiker auch die praktische Verantwortung erfahren, die in ihrer Arbeit anfällt.

Der sichtlich gerührte Joeseph Weizenbaum erzählte in seinem Dank Anekdoten über Eliza und das von Kenneth Colby 1972 entwickelte Parry, ein Programm, das einen Paranoiden simuliert. "Ich freue mich sehr über den Ehrendoktor. Manchmal habe ich mich doch ziemlich isoliert gefühlt," gestand Weizenbaum. (Detlef Borchers) / (jk)