Kanadas Streaming-Steuer subventioniert Kabel-TV, kommerzielles Radio und Musik

Kanadische Nutzer von Netflix, Spotify und Co werden zur Kasse gebeten. Der Großteil des Geldes fließt an kanadische Kabel-Konzerne.​

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Maple Leaf Flag im Wind flatternd

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Fünf Prozent ihrer kanadischen Bruttoumsätze müssen Streaming-Dienste ab September abliefern, sofern sie in dem Land mindestens 25 Millionen kanadische Dollar Jahresumsatz machen (umgerechnet 16,8 Millionen Euro). Betroffen sind sowohl Audiostreamer als auch Videostreamer, nicht aber Podcaster sowie Angebote von Hörbüchern und Computerspielen. Das hat die Regulierungsbehörde CRTC (Canadian Radio-television and Telecommunications Commission) entschieden. Die Abgabe wird geschätzt 200 Millionen Dollar jährlich einspielen, die in die Produktion kanadischer Inhalte fließen sollen. Allerdings könnten die ausländischen Anbieter ihre Ausgaben in Kanada reduzieren.

Von der Abgabe werden in erster Linie die großen Telecom-Konzerne Bell und Rogers profitieren. Sie betreiben Kabelnetze sowie zahlreiche Kabel-TV-Programme und Radiostationen. Ihre eigenen Streaming-Angebote sind von der neuen Abgabe ausgenommen, weil sie bereits konzernweit Abgaben abführen müssen. 40 Prozent des Abgabeaufkommens von Videoumsätzen fließen in einen Fonds, der allgemein kanadische Film- und TV-Produktionen subventioniert. Weitere 30 Prozent fließen in Fonds, die speziell Film- und TV-Produktionen von Ureinwohnern, Schwarzen, Frankophonen außerhalb Quebecs sowie Anglophonen in Quebec unterstützen, wobei ein kleiner Teil auch für den Abbau von Barrieren genutzt werden kann (beispielsweise Gebärdensprache für audiovisuelle Produktionen). Die restlichen 30 Prozent des Aufkommens subventionieren Nachrichten in kommerziellen Kabel-TV-Programmen, obwohl Videostreamer damit in aller Regel nicht konkurrieren.

Für Nachrichten in kommerziellen Radioprogrammen sind wiederum 30 Prozent des Abgabenaufkommens der Audiodienste reserviert, wobei Radiostationen in den sechs größten Ballungsräumen nicht zugreifen dürfen. Ein Zehntel des Geldes soll lokale Radiostationen für andere Produktionen unterstützen, nicht aber die öffentlich-rechtlichen Angebote. Der Löwenanteil von 60 Prozent fließt in kanadische Musikproduktionen, wobei ein kleiner Teil Ureinwohnern vorbehalten ist.

Videostreamer dürfen ihre Abgabe um bis zu 1,5 Prozentpunkte senken, wenn sie selbst kanadische Produktionen in entsprechendem Ausmaß erstellen oder einkaufen, wobei mindestens 40 Prozent frankophon sein müssen. Theoretisch dürfen die Streamer auch selbst Anträge auf Subventionen für kanadische Produktionen stellen. Praktisch ist das aber kaum möglich, denn es handelt sich in aller Regel um ausländische Anbieter. Und als kanadische Produktion gilt nur, was einen kanadischen Produzenten hat (und einige weitere Bedingungen erfüllt).

Das führt zu absurden Ergebnissen. So gelten selbst Musikaufnahmen kanadischer Superstars wie Bryan Adams, Drake oder Celine Dion oft nicht als "kanadisch", gleiches gilt für die Fernsehserie "The Handmaid's Tale", die auf einem Buch der kanadischen Autorin Margaret Atwood beruht, und zahlreiche andere TV- und Kinowerke, die in Kanada hergestellt werden und dort Millionen ausgeben. Umgekehrt gelten beispielsweise der Fernsehfilm "The Unauthorized Melrose Place Story", eine Serie über die Borgias, der in Norwegen in norwegischer Sprache gedrehte Film "Hevn" oder das Machwerk "Gotta Love Trump" als kanadisch. Letzteres ist ein Zusammenschnitt von Huldigungen Donald Trumps ohne merklichen Kanadabezug.

Welches Problem die Regierung mit der neuen Abgabe – abgesehen von Subventionen für Nachrichten in kommerziellen Kabelprogrammen – lösen möchte, bleibt offen. Die Produktion audiovisueller Inhalte in Kanada boomt und setzt so viel Geld um wie noch nie. Nicht von Ungefähr wird Kanadas Filmbranche oft als Hollywood North bezeichnet.

Von der Abgabe erfasst sind praktisch alle Arten von Umsatz, egal ob Werbeeinnahmen, Abogebühren oder Einzelumsätze, beispielsweise wenn Kanadier einzelne Filme ausleihen oder Download-Lizenzen für einzelne Musikaufnahmen erwerben. Podcasts und Hörbücher sind aufgrund der geringen Umsätze vorerst ausgenommen. Ebenfalls nicht erfasst werden Umsätze, die Anbieter mit nutzergenerierten Inhalten (user generated content) erwirtschaften, man denke an klassische Youtube- und Tiktok-Videos. Die Abgrenzung ist allerdings unscharf.

Mit der Entscheidung setzt die Regulierungsbehörde einen Teil eines umstrittenen Gesetzes um, das als C-11 bekannt ist. In einer noch ausstehenden, zweiten Stufe sollen Streaming-Anbieter gezwungen werden, ihren Kunden vor allem kanadische Produktionen anzupreisen, selbst wenn die Vorlieben der Kunden andere sind. Auf diesem Weg möchte die Bundesregierung der Monarchie die Hör- und Sehgewohnheiten der Einwohner beeinflussen.

Broadcasting Regulatory Policy CRTC 2024-121

(ds)