Kartellbeschwerde: Microsoft will sich durch Zahlung an Cloud-Verband freikaufen

Laut Branchenvertretern steht Microsoft kurz vor einem Multi-Millionen-Euro-Deal mit der Cloud-Lobby CISPE, damit sie ihre Wettbewerbsbeschwerde zurückzuzieht.

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Rechenzentrum

(Bild: IM Imagery/Shutterstock.com)

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Microsoft will den Branchenverband Cloud Infrastructure Service Providers in Europe (CISPE) mit einem Geldkoffer gefüllt mit mehreren Millionen Euro dazu bringen, seine im November 2022 bei der EU-Kommission eingereichte Wettbewerbsbeschwerde gegen den US-Softwarekonzern fallen zu lassen. Dies berichtet das Portal Politico unter Verweis auf zwei Branchenvertreter mit Kenntnis des Angebots. Microsoft könnte es damit einfacher fallen, einen jahrelangen Kartellrechtstreit in der EU zu vermeiden. Die CISPE-Mitglieder sollen dem Deal, der auch separate Zahlungen an einzelne von ihnen umfassen könnte, aber noch nicht zugestimmt haben.

CISPE hat Microsoft in seiner Eingabe an die Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel vorgeworfen, die eigene Vormachtstellung bei Produktivitätssoftware auszunutzen, die Auswahl einzuschränken und die Kosten in die Höhe zu treiben, wenn europäische Kunden in die Cloud wechseln wollen. Die Argumente sind nicht neu. So beschwerte sich etwa der französische Cloud-Dienstleister OVHcloud schon im Sommer 2021 bei der Kommission darüber, dass Microsoft die eigene marktbeherrschende Stellung missbrauche. Im Zentrum dieser Eingabe steht die Art und Weise, wie der Konzern seine Produkte wie etwa das Office-Paket mit Word, Outlook und Excel vermarktet. Der Softwaregigant baue gezielt Hürden auf, sodass seine Programme auf konkurrierenden Cloud-Plattformen nicht optimal funktionierten.

Der italienische Datenzentrumsbetreiber Aruba und Slack haben sich ebenfalls bereits mit ähnlichen Argumenten an die Kommission gewandt. Microsoft binde Kunden mit altbekannten Tricks an den eigenen Cloud-Dienst Azure und baue künstliche Mauern gegen Konkurrenten auf, beklagte voriges Jahr auch Google. Microsoft versprach im Mai 2022 nach ersten Beschwerden Abhilfe. Demnach sollte es für die Konkurrenten auf dem alten Kontinent einfacher werden, in ihren Rechenzentren Microsofts Cloud-Angebote wie MS 365 zu hosten. Kunden in Europa versprach das Unternehmen zudem mehr Flexibilität bei den Lizenzbedingungen.

EU-Kartellwächter fühlen Microsoft unter anderem auf den Zahn, weil es sein Videokonferenzsystem Teams mit MS 365 kombiniert und sich so potenziell einen unfairen Marktvorteil verschafft. Auch in dem von CISPE aufgemachten größeren Rahmen ermitteln die Wettbewerbshüter inzwischen. Die Redmonder wollen eine offizielle kartellrechtliche Prüfung als gebrannte Kinder aber möglichst verhindern: Weil der Konzern Windows-Nutzern keine freie Wahl bei Browsern gelassen hatte, musste er 2013 eine halbe Milliarde Euro Strafe zahlen.

Als Teil einer Einigung sollen CISPE und seine Mitglieder laut Politico zudem versichern, in keinem Land weltweit Klagen gegen Microsoft einzureichen. Der Verband konstatierte, dass "Gespräche mit Microsoft im Gange sind und Vorschläge gemacht wurden". Es sei jedoch keine Einigung erzielt worden. Bereits im Februar betonte CISPE, dass "alle Abhilfemaßnahmen und Lösungen branchenweit gelten und für alle Cloud-Kunden in Europa zugänglich sein müssen". CISPE hat 34 Mitglieder. Zu diesen gehören neben europäischen Firmen wie Leaseweb und Serverplan auch die Amazon-Cloud-Sparte AWS, die den globalen Markt für die Rechnerwolken vor Microsoft anführt.

Microsoft-Präsident Brad Smith wird EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager kommende Woche bei einem Besuch in Brüssel treffen. Das Unternehmen hob hervor, es arbeite weiterhin "konstruktiv mit CISPE zusammen, um die Bedenken europäischer Cloud-Anbieter auszuräumen". Zum Umfang und den Details einer möglichen Einigung will sich der Software-Riese aktuell nicht äußern.

(bme)