Katalonien stellt Übergangsgesetz zur Loslösung von Spanien vor

Bild: Huhsunqu/CC BY-SA-2.5

Der Übergang soll geordnet ablaufen, eine doppelte Staatsbürgerschaft wird möglich und falls Spanien Verhandlungen blockiert, übernimmt Katalonien keine Staatsschulden

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Am Montag haben die Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit in Barcelona den Gesetzentwurf vorgestellt, der den Übergang nach der Loslösung von Spanien regeln soll, wenn die Mehrheit der Bevölkerung bei dem Referendum am 1. Oktober mit "Ja" stimmt. Die islamistischen Anschläge in Barcelona und Cambrils hatten die Tagesordnung nur etwas verändert, bringen aber die katalanische Regierung nicht von ihrem Vorhaben ab, wie die Regionalregierung immer betont hatte.

Natürlich hat man in Spanien versucht, aus den Vorgängen Kapital zu schlagen. So hatte der Regierungschef Mariano Rajoy gefordert, die Regionalregierung solle wegen der Anschläge das Referendum abblasen. Die Pläne "zum Bruch, zur Spaltung und Radikalität" seien "das Letzte, was in diesen Momenten die katalanische Gesellschaft wolle", wagte sich der Chef der spanischen Volkspartei (PP), für alle Katalanen zu sprechen. Das ist vermessen, da seine PP in Katalonien gerade noch 8,5% der Wähler hinter sich hat.

Dass es sich um einen Versuch handelt, die Anschläge zu instrumentalisieren, ist mehr als durchsichtig, schließlich hatte Rajoy schon zuvor gebetsmühlenhaft erklärt, das Referendum werde nicht stattfinden und mit allen Mitteln verhindert. Gezogen werden dafür in Madrid längst alle Register: Das Verfassungsgericht tritt im Eilverfahren an, katalanischen Politikern werden Haftstrafen angedroht und die spanische Verteidigungsministerin hat Katalonien sogar schon mit dem Militär gedroht.

Innerhalb von sechs Monaten eine neue Verfassung geben und dann Neuwahlen

Der Gesetzesentwurf bestätigt, dass die Loslösung nach einem Ja bei der Abstimmung sehr schnell gehen wird. Mit dem Gesetz soll der Vorgang aber in geordnete Bahnen gelenkt werden. Die Befürworter der Unabhängigkeit sollen wissen, was passiert, wenn sie sich dafür entscheiden. Dann soll Katalonien sich innerhalb von sechs Monaten eine neue Verfassung geben und danach wird es Neuwahlen geben. Da es auch im Fall eines Neins zu Neuwahlen kommen soll, wird spätestens noch im kommenden Frühjahr neu gewählt.

Vorgesehen ist, dass alle in Katalonien weiter auch ihren spanischen Pass behalten können. Wer Katalane sein will, muss "die spanische Nationalität nicht abgeben", heißt es in Artikel 9. Alle werden Katalanen, die in Katalonien geboren wurden, außer eine Doppelstaatlichkeit wird durch das Heimatland der eingewanderten Eltern verunmöglicht. Wer fünf Jahre in Katalonien gelebt hat oder fünf Jahre dort lebt, hat das Recht auf eine katalanische Staatsangehörigkeit.

Ohne einer Verfassung vorzugreifen, werden die Sprachenrechte gesichert. Um niemanden zu "diskriminieren", werden die katalanische, spanische und die okzitanische Sprache erwähnt, die im Val d'Aran gesprochen wird. Das Tal behält seinen derzeitigen politischen Status, einer möglichen Autonomie, die in der Verfassung verankert werden müsste, wird nicht vorgegriffen.
Katalonien wird weiter die EU-Normen umsetzten und alle neuen EU-Regelungen werden "automatisch" in nationales Recht umgewandelt, denn man geht davon aus, weiter EU-Mitglied zu bleiben.

Zwischenzeitlich, bis die neue Verfassung per Referendum angenommen ist, bleiben die spanischen Gesetze – die nicht im Widerspruch zum Übergangsgesetz stehen - in Kraft, um eine juristisches Chaos zu verhindern. Die spanische Verwaltung wird sofort durch eine katalanische ersetzt, legt Artikel 16 fest. Angestellten und Beamte werden automatisch integriert, wenn sie dem nicht widersprechen.

Da mit einem Ja das Land auch "volle Souveränitäts-Rechte" erhält, wird es auch seine Grenzen, das Seegebiet und den Luftraum eigenständig kontrollieren. Damit ist auch klar, dass das spanische Militär das Land genauso zu verlassen hat wie die paramilitärische Guardia Civil und die Nationalpolizei. Zudem wird Katalonien in der Folge die Steuern eigens einziehen.

"Ohne Verhandlungen gibt es keine Schuldenübernahme"

Als Druckpotential hat Katalonien die spanischen Schulden, die in der Krise explodiert sind und weiter stark steigen, da Spanien sein Haushaltsdefizit noch immer nicht im Griff hat Das Land wird das Maastrichter Stabilitätskriterium von 3% erneut 2017 nicht einhalten, was die Verstaatlichung von Autobahnen zusätzlich erschwert.

Da sich Spanien seit Jahren weigert, über das Referendum zu verhandeln und sich nach Beispiel Großbritanniens und Schottland auf Zeitpunkt und Frage für eine demokratische Abstimmung zu einigen, droht Katalonien damit, keine Schulden des Staates zu übernehmen, wenn Spanien nach einem Ja weiter Verhandlungen blockiert. "Ohne Verhandlungen gibt es keine Schuldenübernahme", erklärte Benet Salellas bei Vorstellung des Gesetzes vor der Presse.

Dass die spanischen Staatsschulden ein erhebliches Druckmittel sind, wenn sie das Land ohne das wirtschaftsstarke Katalonien schultern müsste, ist klar. Der Schuldenstand im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung würde sofort auf einen sehr ungesunden Stand explodieren, womit sich auch die Zinsen erhöhen werden. Katalonien erwirtschaftet fast 20% der spanischen Wirtschaftsleistung, stellt aber nur gut 15% der Bevölkerung, weshalb es überproportional zur Wirtschaftsleistung beiträgt.

De Anschläge in Katalonien haben nicht dafür gesorgt, dass die Menschen zusammenrücken und Madrid annähern. Das hat das Pfeifkonzert gegen Rajoy und den spanischen König am vergangenen Samstag bei der riesigen Demonstration gezeigt. Eher wurde der Unmut gegenüber Madrid noch verstärkt. Denn vermutlich hätten die Anschläge verhindert werden können, wenn die katalanische Polizei (Mossos d'Esquadra) Zugang zu Daten von Europol und spanischen Sicherheitskräften gehabt hätte. So wurde bekannt, dass der Streit um das Referendum dazu geführt hatte, dass den Mossos Daten vorenthalten wurden.

Dass in Katalonien die Krise aber trotz allem gut gemeistert wurde, brachte ihr international vor dem Referendum weiter Ansehen ein. So stellten auch konservative Zeitungen wie das Wall Street Journal oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung fest, dass "Katalonien schon so reagiert hat, als wäre es ein Staat".