Das große Hadern: Kernkraftwerk Isar 2 wird geschlossen
Das Atomkraftwerk Isar 2 wird Mitte April geschlossen. Die Rückbaukosten sind hoch, der Frust über das Ende auch.
Nach 35 Betriebsjahren geht das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach bei Landshut zum 15. April vom Netz. Eine Entscheidung der Bundesregierung, die Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) nicht nachvollziehen kann: Die Anlage sei in einem technisch einwandfreien Zustand, sagte er am Mittwoch bei einem Besuch. Der Betreiber PreussenElektra stellt sich pragmatisch auf den Rückbau der Anlage ein. Die Genehmigung hierfür sei beantragt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Laufzeit doch noch einmal verlängert werden könnte, schätzte der Vorsitzende Guido Knott als sehr gering ein.
Rückbaukosten von 2,2 Milliarden Euro
Bis die Genehmigung vorliegt, dürfte es noch einige Monate dauern, 2024 könnte mit dem Rückbau begonnen werden. In der Zwischenzeit würden hierfür Vorarbeiten getätigt, sagte Knott. Ob das Kernkraftwerk dann doch noch einmal gestartet werden könnte? "Wenn die Politik das will, werden wir prüfen, was geht." Klar sei: Sobald der Rückbau konkret begonnen habe, gebe es kein Zurück mehr. Bis 2040 soll von Isar 2 und dem 2011 still gelegten Meiler Isar 1 nichts mehr zu sehen sein. Kosten für den Rückbau: rund 2,2 Milliarden Euro.
Der schnelle Ausstieg aus der Kernenergie sei eine politische Entscheidung gewesen, die es zu akzeptieren gelte, sagte Knott. "Das tun wir." Und zugleich haderten sie damit. In 35 Betriebsjahren habe es in Isar 2 nie einen Störfall gegeben und von der Leistung her sei es weltweit zehnmal auf dem ersten Platz gelandet. Innerhalb seiner Branche ernte Deutschland für den Atomausstieg Kopfschütteln, so der PreussenElektra-Chef.
Kraftwerksleiter Carsten Müller bilanzierte: Isar 2 werde bis zu seiner Abschaltung etwa 404 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt haben. Die jährliche Leistung von Isar 2 liege bei zwölf Milliarden Kilowattstunden, was etwa zwölf Prozent des in Bayern jährlich verbrauchten Stroms entspreche. Zudem seien der Umwelt während der Laufzeit von Isar 2 etwa 400 Millionen Tonnen CO₂ erspart geblieben, die bei einer Verstromung durch Kohle- oder Gaskraftwerke entstanden wären. Insgesamt seien mit den Meilern Isar 1 (Betrieb seit 1979) und 2 (in Betrieb genommen 1988) in den vergangenen 44 Jahren 600 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt worden. Isar 1 befindet sich seit 2017 im Rückbau.
Angesichts dieser Zahlen sagte Minister Glauber, die Bundesregierung habe den nächsten Winter offenbar nicht im Blick. Bei der Frage der Atomkraft hätte man eine kluge Entscheidung treffen können, aber: "Die Bundesregierung hat anders entschieden."
Weiterverwendung von Materialien
Nun sollen zumindest die im AKW verbauten Materialien noch einen Zweck erfüllen, statt auf der Deponie zu landen. Glauber zufolge könnten rund 90 Prozent des Materials aus dem AKW wiederverwertet werden, etwa Beton im Straßenbau, aber auch Stahl und Kupfer.
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Was den PreussenElektra-Chef Knott rückblickend besonders ärgert, sei die "Stigmatisierung der Kernenergie als gefährlich und verantwortungslos". Wenn es eine Hochrisikoenergie war, hätten sie es nicht getan – schon aus Selbstschutz, sagte er. In der Öffentlichkeit habe oft der ausgewogene Blick auf die Kernenergie gefehlt.
Die Grünen im Landtag reagierten prompt: "Atomkraft ist und bleibt das Russisch Roulette der Energieerzeugung", so Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann. "Mit diesem Risiko spielt man nicht." Der Schutz der Menschen sei wichtiger, als "ideologisch an Atomkraft festzuhalten". Zudem sei Atomstrom doppelt so teuer wie Windstrom. "Wir schlagen das Kapitel Atomkraft zu – und brechen auf in ein nachhaltiges und sicheres Energiezeitalter. Das ist ein Grund zur Freude." Und: "Wir sind gut aufgestellt für ein Morgen ohne Atomstrom."
Greenpeace-Energieexpertin Saskia Reinbeck sagte: "Die Reaktorblöcke Isar 1 und 2 haben über die Jahre 1670 Tonnen hochradioaktiven Müll produziert."
Ende für die Mitarbeiter
Für die aktuell etwa 450 Mitarbeiter am Standort Essenbach geht es jedenfalls auch nach dem Ende der Kernenergie weiter: Sie hätten einen festen Arbeitsvertrag bis 2029 erhalten, sagte Knott. Danach werde die Zahl der Mitarbeiter reduziert. Das Aus falle den Mitarbeitern durchaus schwer. "Das sind alle überzeugte Kernis."
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(olb)