Kfz-Kennzeichen-Scanning kommt vors Bundesverwaltungsgericht
Der Informatiker Benjamin Erhart geht im Streit um die massenhafte automatische Erfassung von Autokennzeichen in Bayern erneut in die Berufung, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Maßnahme für zulässig erklärte.
Der Informatiker Benjamin Erhart geht im Streit um die massenhafte automatische Erfassung von Autokennzeichen in Bayern und den Abgleich der Daten mit Fahndungsdateien erneut in die Berufung. Nach dem Verwaltungsgericht München hatte Ende 2012 auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Maßnahme für zulässig erklärt. Der Kläger hat sich daher ans Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewandt. Mit der weiteren Revision will er das Instrument kippen und so bewirken, dass Millionen Autofahrer auf bayerischen Straßen nicht länger unter Generalverdacht gestellt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof räumte in seiner mittlerweile vorliegenden Urteilsbegründung zwar ein, "dass die Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt der Erfassungssysteme hoch und demgegenüber die Erfolge des massenhaften Abgleichs nur relativ gering sind". Es handle sich um ein Instrument mit "großer Streubreite" mit "relativ häufigen" Fehltreffern, die sich auf eine Zahl von 40.000 bis 50.000 pro Monat beliefen. Die Richter erkannten auch an, dass sich damit bei Betroffenen "durchaus subjektiv das Gefühl des Überwachtwerdens einstellen" könne. In der "Gesamtschau" seien die Vorschriften aber noch verhältnismäßig und daher nicht verfassungswidrig.
Der auch als Freiheitsredner aktive Erhart fürchtet dagegen, Autofahrer könnten durch den "fehleranfälligen Massenabgleich" jederzeit irrtümlich angehalten und kontrolliert werden. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass Polizei und Geheimdienste verdeckte Bewegungsprofile erstellten. Insgesamt entfalte die Maßnahme "eine schädliche und abschreckende Wirkung auf unsere Gesellschaft", insbesondere etwa im Vorfeld von Demonstrationen. Dem stehe kein nennenswerter Nutzen gegenüber.
Über seine Webseite bittet Erhart um Spenden zur Finanzierung des weiteren Gangs durch die rechtlichen Instanzen. Seine Vertretung vorm Bundesverwaltungsgericht, das voraussichtlich im nächsten Jahr über den Fall entscheiden wird, hat wieder der Freiburger Rechtsanwalt Udo Kauss übernommen. Dieser hatte 2008 Verfassungsbeschwerden gegen das Kfz-Kennzeichen-Scanning in Hessen und Schleswig-Holstein erfolgreich durchgefochten. Er beantragt in der Revisionsschrift unter anderem, auch das aktuelle Verfahren den Karlsruher Richtern vorzulegen.
Im Freistaat werden Auto-Kennungen derzeit an 12 Standorten auf 30 Fahrspuren automatisch überwacht. Jeden Monat werden so acht Millionen, pro Minute 185 Fahrer anlasslos darauf überprüft, ob ihr Fahrzeug eventuell zur Fahndung oder zur "polizeilichen Registrierung" oder Beobachtung ausgeschrieben ist. Durchschnittlich liegt nur 500 bis 600 mal pro Monat ein Treffer vor, auf dessen Basis Ermittler tätig werden. Gemessen an allen gerasterten Fahrzeugen liegt die gemeldete Erfolgsquote laut Klägerseite bei 0,03 Prozent. Dies sei nicht höher als bei zufälligen Kontrollen durch Ordnungshüter, obwohl Bayern eine Million Euro allein für die umstrittenen Scanner ausgegeben habe.
(mho)