Kiffer-Listen: Mit der Cannabis-Legalisierung droht ein Datenschutz-Fiaskoâ

(Bild: Dmytro Tyshchenko/Shutterstock.com)
Die beschlossene kontrollierte Weitergabe von Cannabis durch Anbauvereinigungen geht mit umfangreichen Datensammlungen einher. BĂŒrgerrechtler sind besorgt.â
Mit dem Gesetzentwurf zum "kontrollierten Umgang mit Cannabis", den der Bundestag vorige Woche in einer turbulenten Sitzung beschlossen hat, will die Ampel-Koalition den Schwarzmarkt rund um den Hanfkonsum trockenlegen. Weiteres Anliegen ist es, den Ăberwachungsdruck gegenĂŒber Nutzern des Rauschmittels zu verringern. Denn bislang konnten Ermittler gegen sie gegebenenfalls mit eingreifenden Mitteln wie Staatstrojanern fĂŒr heimliche Online-Durchsuchungen und dem groĂen Lauschangriff vorgehen. Doch nun droht Kritikern zufolge stattdessen ein Datenschutzalbtraum: Die persönlichen Informationen von Millionen Konsumenten dĂŒrften mit der Initiative behördlich erfasst und â ohne weitere Auflagen â etwa an Strafverfolger weitergegeben werden.
Das Gesetz, das auf DrĂ€ngen von Mitgliedern des Bundesrats frĂŒhestens im Herbst statt schon im April in Kraft treten soll, sieht grundsĂ€tzlich den legalen Besitz und Konsum von Cannabis fĂŒr Erwachsene vor [1]. Ermöglicht wird der private, gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau, aber auch die kontrollierte Weitergabe von Gras durch Anbauvereinigungen. DafĂŒr gelten aber strenge Vorschriften, um den Gesundheitsschutz zu gewĂ€hrleisten, AufklĂ€rung und PrĂ€vention zu stĂ€rken sowie den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern. So werden fĂŒr die Hanfanbau-Kommunen maximal 500 Mitglieder zugelassen. Erlaubt ist nur die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung. Eine solche darf Haschisch oder Marihuana nur in begrenztem Umfang an Mitglieder weitergeben, wobei die Zugehörigkeit und das Alter zu ĂŒberprĂŒfen sind.
DafĂŒr mĂŒssen die Genossenschaften oder Vereine "Kiffer-Listen" fĂŒhren und fĂŒr diese umfangreich persönliche Daten sammeln, schreibt das Portal Netzpolitik.org [2]. Paragraf 28 des Gesetzes sieht weitere umfangreiche staatliche Befugnisse vor. So dĂŒrfen zustĂ€ndige Behörden wie Landrats- oder BezirksĂ€mter und von ihr Beauftragte Name, Vorname, Geburtsdatum, Anschrift und elektronische Kontaktdaten sowie weitere erlangte Informationen etwa von vertretungsberechtigten Personen, Mitgliedern, BeschĂ€ftigten, beauftragten Dritten der Anbauvereinigung sowie sonstiger in deren "befriedeten Besitztum" Angetroffener zu erheben und zu verarbeiten. Eingeschlossen sind sĂ€mtliche Personen, die Cannabis oder Vermehrungsmaterial erhalten haben.
Daten dĂŒrfen fĂŒnf Jahre und teils lĂ€nger gespeichert werden
Die so erlangten Informationen kann die zustĂ€ndige Behörde bis zu fĂŒnf Jahre lang speichern, personenbezogene Daten bis zu zwei Jahre lang. Die Frist gilt nicht, wenn wegen eines anhĂ€ngigen BuĂgeldverfahrens, staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens oder eines gerichtlichen Prozesses "eine lĂ€ngere Aufbewahrung erforderlich ist". Verwaltungsmitarbeiter dĂŒrfen ferner "alle geschĂ€ftlichen Schrift- und DatentrĂ€ger von Anbauvereinigungen" prĂŒfen sowie "Abschriften, Kopien, Ablichtungen und AuszĂŒge von Unterlagen anfertigen und digitale Daten sicherstellen". Die sensiblen Informationen können zudem an andere Behörden weitergegeben werden, wenn sie bei der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten nĂŒtzlich erscheinen. Rechtsstaatliche Schutzmechanismen wie ein Richtervorbehalt: Fehlanzeige.
Dass einmal erhobene persönliche Daten rasch insbesondere Ermittler anziehen, ist bekannt. So griffen 2020 neben GesundheitsĂ€mtern auch Strafverfolger etwa in Bayern, Hamburg und Rheinland-Pfalz auf Corona-GĂ€stelisten zu [3], die eigentlich dem Nachverfolgen von Infektionsketten dienen sollten. Auch jetzt haben Juristen schwere Bedenken gegen das Vorhaben: FĂŒr Konsumenten könne es schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn die entstehenden riesigen Datenmengen in falsche HĂ€nde etwa auch von Arbeitgebern und Versicherungen gerieten, betonte David Werdermann von der Gesellschaft fĂŒr Freiheitsrechte (GFF) gegenĂŒber Netzpolitik.org. Der bayerische MinisterprĂ€sident Söder (CSU) habe sich bereits sehr kritisch gegenĂŒber dem Gesetz geĂ€uĂert, was auf Missbrauch oder Repression hinweisen könnte. Andere Juristen verweisen etwa auf Probleme mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO [4]). Auch fĂŒr den Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs (CSC) und den Deutschen Hanfverband ist das Ausspionieren von Mitgliedern ein rotes Tuch.
(mki [5])
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[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-de-cannabis-990684
[2] https://netzpolitik.org/2024/kiffer-listen-datenschutzalbtraum-legalisierung
[3] https://www.heise.de/news/Polizeizugriffe-auf-Corona-Gaestelisten-auch-in-Bayern-Hamburg-Rheinland-Pfalz-4861111.html
[4] https://www.heise.de/thema/DSGVO#liste
[5] mailto:mki@heise.de
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