Klarnamen-Zwang: Facebook entschuldigt sich bei Drag Queens

Nach mehreren Wochen lenkt Facebook ein und entschuldigt sich bei der LGBT-Gemeinschaft. Die Klarnamenpflicht soll zwar nicht geändert, aber anders ausgelegt werden.

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Im September schwappte eine Welle an Profillöschungen über eine bestimmte Gruppe von Facebook-Nutzern: Drag Queens und Kings sowie Transgender, deren Profil nicht ihren juristisch korrekten Namen trug. Facebooks Bestimmungen erfordern Klarnamen. Es folgten Proteste, auf die Facebook mit einem halbherzigen Angebot reagierte. Doch am Mittwoch entschuldigte sich Chief Product Officer Chris Cox öffentlich. Er will eine Lösung finden, ohne die Vorschriften zu ändern.

Facebook-Manager Chris Cox bittet um Verzeihung.

(Bild: Brian Solis CC-BY 2.0)

"Ich möchte mich bei der betroffenen Gemeinschaft von Drag Queens, Drag Kings, Transgendern und der größeren Gemeinschaft unserer Freunde, Nachbarn und Mitgliedern der LGBT-Gemeinschaft entschuldigen für das Leid, das wir Ihnen dadurch verursacht haben, wie wir mit Ihren Facebook-Konten in den letzten Wochen umgegangen sind", sagte Cox laut einer Mitteilung. "Wir haben jetzt begriffen, wie schmerzhaft das war. Wir schulden Ihnen besseres Service (…) und wir werden korrigieren, wie die Vorschriften gehandhabt werden, damit jeder Betroffene Facebook wieder nutzen kann wie zuvor", schreibt der Manager in der Folge.

In der LGBTQ-Gemeinschaft kann die Verwendung des echten Namens zu ungewollten Outings führen. Das kann große Problem und Diskriminierung nach sich ziehen, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich. Eine Online-Petition verlangt, auftretenden Künstlern die Verwendung ihres Künstlernamens zu gestatten. "Bitte fahren Sie fort, Geld mit dem Traffic zu machen, den wir auf Ihre Website bringen", wird Facebook adressiert. Die plötzlichen Kontenlöschungen nach jahrelanger Duldung werden als Lockvogeltaktik kritisiert. Die Petition hat über 36.000 Unterstützer gefunden.

Das Logo der offiziellen LGBTQ-Community-Seite Facebooks.

(Bild: Facebook)

Eine einzelne Person habe mehrere Hundert Konten aus der LGBT-Gemeinschaft als "fake" gemeldet, berichtet Cox seinerseits. Facebook sei auf eine solche Kampagne nicht vorbereitet gewesen, so dass diese Meldungen in den wöchentlich Hunderttausenden Fake-Hinweisen nicht aufgefallen seien. "Unsere Vorschrift war nie, dass jeder Facebook-User seinen juristischen Namen nutzen muss", erläutert Cox. "Der Geist unserer Vorschrift ist, dass jeder auf Facebook den Namen verwendet, den er auch im echten Leben gebraucht. Für Sister Roma ist das Sister Roma. Für Lil Miss Hot Mess ist das Lil Miss Hot Mess."

Das sei die "richtige Regelung für Facebook" und "ingesamt, wenn vorsichtig angewandt, eine sehr starke Kraft für das Gute", untermauert der Manager seine Nutzungsbedingungen. 99 Prozent der Fakes seien nämlich Bösewichte wie Identitätsanmaßer, Einschüchterer, Trolle, Gewalttäter in der Familie, Betrüger, Hassredner und dergleichen mehr.

Nun sieht er erhebliches Verbesserungspotenzial bei Meldungseinbringung, Regeldurchsetzung und Kundenservice. Facebook sei bereits dabei, bessere Werkzeuge zu entwickeln, die Drag Queens authentifizieren, Bösewichte aber draußen halten sollen. "Und wir ergreifen Maßnahmen, um einen bewussteren Kundenservice für jene Konten zu leisten, die gemeldet wurden, damit wir das weniger abrupt und besser überlegt managen können", kündigte Cox an.

Drag Queen Sister Roma trat im Konflikt mit Facebook an die Öffentlichkeit.

(Bild: Sister Roma)

Mitte September hatten sich Facebook-Vertreter persönlich mit LGBTQ-Aktivisten getroffen. Damals zeigte der Konzern noch kein Verständnis. Das Friedensangebot beschränkte sich lediglich auf die Wiederherstellung gelöschter Profile für zwei Wochen. In dieser Zeit hätten die Namen berichtigt werden müssen. Auf dieses peinliche Manöver geht Cox in seinem Posting nicht ein.

Auch die Not der politisch oder religiös Andersdenkenden, die in ihrem Land verfolgt werden, spricht er nicht an. Für diese Personen kann ein Auftreten unter ihrer rechtlich korrekten Identität den Tod bedeuten. Und selbst bekannte Persönlichkeiten wie Salman Rushdie mussten schon unliebsame Bekanntschaft mit Facebooks Regelwächtern machen. (ds)