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Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum 8 Kommentare

Ralph Altmann

In den ersten beiden Folgen haben wir uns mit dem praktischen Nutzen von Farbprofilen beschäftigt Jetzt schauen wir uns die digitale Kodierung der Farben etwas näher an und fragen: Wie groß oder klein soll oder darf ein Farbraum sein?

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Worüber die Physiker noch rätseln, nämlich ob der Raum "gequantelt", also nicht beliebig fein unterteilbar ist, das ist im Farbraum bittere Realität. Wir haben ja für seine digitale Darstellung in der Regel nur 8 Bit, also 256 diskrete Werte pro Dimension (d.h. pro Farbe) zur Verfügung. Der Anteil von „Rot“ in einer bestimmten RGB-Farbe muss immer zwischen 0 und 255 liegen und immer ganzzahlig sein, ein Anteil von beispielsweise „42,5“ ist nicht möglich. Nebenbei gesagt, ist deshalb auch die exakte Darstellung eines 50%-Grau nicht möglich: Die Mitte zwischen 0 und 255 liegt bei 127,5, zulässig sind aber nur die Werte 127 oder 128. Im Farbraum kann man sich nur in ganzen Schritten bewegen, das hat er mit der Quantenwelt gemein, zusätzlich ist es in ihm aber auch noch recht eng, denn nach 255 Schritten ist Schluss, dann stößt man sich den Kopf.

Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

So liegen die 32x32 = 1024 Farben des links abgebildeten Farbquadrats im dreidimensionalen RGB-Farbraum (rechts). Solche anschaulichen 3D-Darstellungen können Sie mit dem kostenlosen Javaprogramm ColorInspector 3D (http://www.f4.fhtw-berlin.de/~barthel/ImageJ/ColorInspector/hilfe.htm) erzeugen. Es gibt auch ein gleichnamiges Firefox-Plug-In mit geringerem Funktionsumfang.

(Bild: Ralph Altmann)

Aber halt: Sie werden jetzt zu recht einwenden, dass man über die Enge oder Weite eines (Farb-)Raums gar nichts aussagen kann, solange man nicht die Maßeinheit kennt, in der seine Größe gemessen wird. Schritte sind relativ, Farbräume auch. Erst wenn man den konkreten Farbraum (bzw. das Farbprofil, was auf das Gleiche hinausläuft) kennt, kann man etwas über die Größe aussagen, hatten wir in der ersten Folge (www.heise....) gesehen. Im Profil stecken die Maßeinheiten für die Schrittlängen, mit denen man vom Ursprung des Raumes, dem tiefen Schwarz, zu den Primärfarben Rot, Grün und Blau kommt. In einem wirklich engen Farbraum, zum Beispiel dem eines Office-RGB-Farbdruckers, steht die Zahl 255 für ein deutlich blasseres Rot als im Farbraum eines Wide-Gamut-Monitors. Die gleiche Zahl bezeichnet zwei recht unterschiedliche Farben. Ganz wie im richtigen Leben: Die Zahl „120“ bezeichnet ja auch ganz unterschiedliche Entfernungen, je nachdem, ob man Meter, Fuß oder Lichtjahre dahinter setzt.

Stellen Sie sich vor, Ihr Navigator würde die Entfernung zur nächsten Stadt immer in Lichtjahren angeben, wobei nur ganzzahlige Werte zulässig sind. Ortungsmäßig würde die ganze Erde, ja das ganze Sonnensystem zu einem Punkt zusammenschrumpfen. München und der Mars lägen in der numerisch gleichen Entfernung. So ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem, geht es den Bildfarben in einem zu groß gewählten Farbraum. Je größer der Farbraum ist, desto größer müssen auch die Schritte ausfallen, die nötig sind, um ihn zu durchqueren – uns stehen ja insgesamt nur 255 Schritte zur Verfügung. Je größer die Schritte sind, desto mehr Zwischenfarben werden zwangsläufig pro Schritt übersprungen. Das bedeutet, dass sie alle den gleichen digitalen Wert erhalten und so zu einer einzigen Farbe verschmelzen. Wenn Sie Wert auf Zwischentöne legen, ist der kleinstmögliche Farbraum der beste. Die folgende Abbildung zeigt dies an einem Farbverlauf von einem Pastell-Grün (RGB = 128,127,0) zu Rot (255,0,0). Wir haben den Verlauf in sRGB angelegt, dort verläuft er lückenlos über 128 Farben. Jedes Farbfeld ist 12 Pixel breit, und von Feld zu Feld ändern sich die Rot- und Grün-Werte stets um genau 1. Nach der Konvertierung in den deutlich größeren Prophoto-RGB-Farbraum enthält der Verlauf nur noch 103 Farben. Einige benachbarte Felder sind zusammengefallen, die farblichen Abstände zu den neuen Nachbarfeldern wurden größer, der Verlauf ist deshalb nicht mehr völlig glatt. Diesen Banding genannten Effekt werden Sie nur mit geübten Augen und an einem guten Monitor sehen können, er verstärkt sich aber durch Bildbearbeitungen oft deutlich und kann dann sehr störend werden. Wir haben dies durch eine Schärfung demonstriert und damit auch gleich die Bruchstellen im Verlauf hervorgehoben.

Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

Im größeren Farbraum Prophoto RGB stehen einem definierten Farbverlauf weniger Farbabstufungen zur Verfügung als im kleineren sRGB – das ist eine Erkenntnis, die man nicht unbedingt erwartet. (Die unteren Hälften der beiden Verläufe wurden mit den jeweils gleichen Einstellungen geschärft.)

(Bild: ralph Altmann)

Im Histogramm wird der Tonwertverlust noch deutlicher. Der originale, in sRGB angelegte Verlauf zeigt eine exakt gleichmäßige Verteilung: Im Grünkanal sind die Tonwerte von 0 bis 127, im Rotkanal die Tonwerte von 128 bis 255 in gleicher Häufigkeit im Verlauf vertreten. Nach der Konvertierung in Prophoto RGB sind im Grünkanal nur noch 42 unterschiedliche Tonwerte vorhanden, auch die Breite des Rotkanals ist stark geschrumpft. Die Rückkonvertierung nach sRGB stellt die verlorenen Zwischenfarben nicht wieder her, es bleiben zahlreiche Lücken.

Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

Das Histogramm mit aktivierter Einzelkanalanzeige zeigt: Schon die bloße Konvertierung in einen größeren Farbraum mit sofortiger Rückkonvertierung führt zu einem Verlust an Zwischenfarben.

(Bild: Ralph Altmann)

In der letzten Folge haben Sie schon gesehen, welch fatale Folgen ein zu großer Farbraum für Bilder haben kann, die in die unkontrollierte Freiheit des Internets entlassen werden, jetzt zeigen sich sogar Nachteile für „ganz normale“ Bilder, die stets unter dem Schirm des Farbmanagements bleiben – ja, werden Sie vielleicht jetzt fragen, will uns denn dieser Autor allen Ernstes sRGB als optimalen Farbraum empfehlen? Nein, will er nicht! Diese Überlegungen sind kein Plädoyer für einen kleinen Farbraum, sondern dafür, Farbraumkonvertierungen mit Bedacht auszuführen. Wenn Ihre Originalbilder sRGB-JPGs sind, wie sie ja standardmäßig aus allen Kameras kommen, und Sie wollen ihnen etwas Gutes tun, dann konvertieren Sie sie nicht in einen vergleichsweise großen Farbraum wie Prophoto RGB, auch nicht temporär nur für den Zweck der Bildbearbeitung. Es sei denn, Sie konvertieren die Bilder vorher in eine größere Farbtiefe. So deutlich wie hier gezeigt sind die Farbverluste nämlich nur, wenn man konsequent in einer Farbtiefe von 8 Bit pro Kanal bleibt, denn dann ist die Anzahl der möglichen Schritte wie gesagt auf 255 begrenzt. Sie wächst sofort dramatisch, wenn man in einen Raum mit 16 Bit Farbtiefe wechselt. Dann stehen plötzlich 65535 Schritte in jede Richtung zur Verfügung, bis man auf die Farbraumgrenzen stößt. Jeder noch so kleinste Farbtonunterschied kann nun mit unterschiedlichen RGB-Werten ausgedrückt werden – sogar sehr viel kleinere Unterschiede, als unsere Augen zu identifizieren in der Lage sind. Leider unterstützen verbreitete Bildbearbeitungsprogramme wie Gimp und Photoshop Elements die 16-Bit-Farbtiefe immer noch nicht oder nur rudimentär. Auch wenn Sie mit Rawbildern arbeiten, ist die Ausgabe im Prophoto-RGB-Farbraum nur dann empfehlenswert, wenn Sie gleichzeitig die 16-Bit-Farbtiefe wählen und die Bilder auch in dieser Farbtiefe weiterverarbeiten können. Beachten Sie stets die Reihenfolge: Erst die Farbtiefe erhöhen, dann in den größeren Farbraum konvertieren. Falls Sie das Bild nach der Bearbeitung als JPG speichern wollen, konvertieren Sie es erst in den kleineren Ausgabefarbraum und verringern erst danach die Farbtiefe auf 8 Bit.

Die Erhöhung der Farbtiefe ist der erste, recht naheliegende Trick, um uns aus dem Dilemma zwischen Farbraumgröße und Schrittweite herauszubringen. Mit 65535 Trippelschritten kommt man zwar auch nur exakt genauso weit wie mit 255 großen 8-Bit-Schritten – das heißt, an der Größe des Farbraumes ändert die Farbtiefe überhaupt nichts -, doch müssen wir uns über den eventuellen Verlust von Zwischenfarben nun keine Sorgen mehr machen. Mit drei 16-Bit-RGB-Werten lassen sich kaum vorstellbare 281 Billionen Farben kodieren. Wobei: Auch in der Farbenwelt sollte man sich von großen Zahlen nicht zu sehr beeindrucken lassen. Die mit drei 8-Bit-RGB-Werten darstellbaren 16,7 Millionen „Echtfarben“ (True Color) galten lange Zeit als das Nonplusultra in der Bearbeitung und Anzeige von Bildern, doch wir haben ja gerade gesehen, wie unzureichend diese Farbtiefe schon dann ist, wenn man sie mit einem etwas größeren Farbraum kombiniert. Leider hat die 16-Bit-Farbtiefe auch einige Nachteile: Sie verdoppelt die Dateigrößen, sie stellt höhere Anforderungen an die Verarbeitungsgeschwindigkeit und sie lässt sich nicht im verbreiteten platzsparenden JPG-Dateiformat speichern. Zwar gibt es andere Dateiformate wie PNG und JPG 2000, die das können, doch sind die nur begrenzt fotokompatibel und werden vor allem bisher von keiner uns bekannten Kamera ausgegeben.

Ein ähnliches Problem gab es zu den Anfangszeiten der Bildbearbeitung, als Computer und Grafikkarte noch so leistungsschwach waren, dass man die Anzahl der Farben künstlich begrenzen musste. Im High Color-Modus verwendeten Macintosh-Computer von jedem Farbkanal nur 5, also insgesamt 15 Bit, Mikrosoft spendierte dem Grünkanal ein Bit mehr (für Grün-Abstufungen ist das Auge empfindlicher) und kam so auf insgesamt 16 Bit pro Farbe. Fünf Bit pro Farbkanal bedeuten, dass die 256 Abstufungen, die auch damals schon in jedem Kanal der Bilddateien steckten, auf 32 reduziert und pro Schritt sieben Stufen übersprungen werden. Nur jeder achte Wert darf zur Farbe beitragen, die auf dem Monitor angezeigt wird. Wenn man drei Farben mischt und von jeder Farbe null bis 31 Portionen (das sind 32 Möglichkeiten) verwenden darf, erhält man 32.768 (2hoch15) Mischfarben. Das ist die High Color – Farbanzahl auf einem Mac, Windows brachte es auf 65536 Mischfarben. Im Vergleich mit den über 16 Millionen Farben des heute üblichen True-Color-Modus ist das wenig, es ist jedoch für Grafiken völlig ausreichend, und auch vielen Fotos sieht man eine solche Farbreduzierung gar nicht an. In weichen Verläufen und auch beim Versuch, Schatten nachträglich aufzuhellen, werden die Abstufungen jedoch sofort sichtbar.

Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

Bei einer Farbtiefe von 5 Bit sind pro Kanal nur 32 unterschiedliche Werte zulässig, die Anzahl der Farben in unserem Verlauf reduziert sich damit auf 16. Die Abstufungen sind nun auch ohne Schärfung sichtbar.

(Bild: Ralph Altmann)

Rauschen wird oft als Bildfehler gesehen, doch es kann auch helfen, gröbere Bildfehler unsichtbar zu machen. Dies ist der zweite Trick, mit dem sich sichtbare Farbabstufungen vermeiden lassen. In Photoshop heißt die Option Dither verwenden, dabei mittelt das Programm bei der Konvertierung zwischen zu großen Schritten und erzeugt selbst – nach dem Zufallsprinzip – Zwischenfarben, wenn zwischen den exakt errechneten Zielfarben Lücken klaffen. Visuell ist das recht wirksam und deshalb die Standardeinstellung. Unser Testverlauf wird mit dieser Option deutlich glatter und die Schärfung erzeugt nicht mehr so starke Artefakte. Zur Zeit von High Color war die Ditherfunktion praktisch lebensnotwendig, in 8-Bit-True-Color-Welten ist sie immer noch recht nützlich. Erst bei Umrechnungen zwischen 16-Bit-Farbräumen ist Dithering nicht mehr notwendig.

Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

Mit Dither, also einem künstlich zugefügten Rauschen, wird Banding bei Farbraumkonvertierungen recht gut unterdrückt. Die Anzahl der Zwischenfarben in unserem Teststreifen steigt damit sogar.

(Bild: Ralph Altmann)

n der nächsten Folge dieser Serie beschäftigen wir uns mit einer wichtigen Farbeigenschaft, die in klassischen Farbprofilen "vergessen" wurde und die uns zu einer noch höheren Farbtiefe führt, sowie einer Eigenschaft digitaler Bilder, die unter dem Namen Gamma ebenso bekannt wie rätselhaft ist. (keh [3])


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[1] https://www.heise.de/ratgeber/Know-how-Was-bewirken-Farbprofile-Teil-1-2631110.html
[2] https://www.heise.de/ratgeber/Know-how-Farben-Teil-2-Farbprofil-und-Displaydarstellung-2631115.html
[3] mailto:keh@heise.de