"Kolumbus des Kosmos": Vor 80 Jahren wurde Juri Gagarin geboren

Ein historischer Raumflug hat den Russen Juri Gagarin weltberühmt gemacht. Am heutigen Sonntag wäre der erste Mensch im All 80 Jahre alt geworden. Um die Ursache seines Unfalltodes ranken sich weiterhin Gerüchte.

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Von
  • Wolfgang Jung
  • dpa
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Das Büro des legendären sowjetischen Raumfahrers Juri Gagarin bei Moskau wirkt, als könnte der Kosmonaut jeden Moment hereinkommen. Frische Blumen stehen auf dem Schreibtisch, daneben steckt in einer Plastikhülle ein handgeschriebener Arbeitsausweis mit der Nummer 10. Doch der erste Mensch im All, der an diesem Sonntag 80 Jahre alt geworden wäre, starb kurz nach seinem historischen Flug. Ein Kalender im Büro zeigt das Todesdatum: 27. März 1968.

Juri Alexejewitsch Gagarin im Raumanzug

Fast 46 Jahre nach Gagarins Tod trainiert längst eine neue Generation von Raumfahrern im Sternenstädtchen, wo das ehemalige Büro des Pioniers heute eine Pilgerstätte ist. Derzeit übt etwa der Deutsche Alexander Gerst für seinen Flug Ende Mai. Doch noch immer dreht sich im Ausbildungszentrum alles um Gagarin. Auf einer Wiese steht ein Bronzedenkmal des Kosmonauten, und vor einem Wohnhaus wächst ein von Gagarin gepflanzter Baum. "Für uns", sagt der Ingenieur Boris Michailowitsch Jessin, "ist das ein heiliger Ort".

Im lokalen Museum ist Gagarins Raumanzug ausgestellt, in Vitrinen hängen sowjetische Zeitungen. Mit einer Schubkraft von rund 20 Millionen PS startet am 12. April 1961 eine Rakete ins All – erstmals mit einem Menschen an Bord. In der Wostok-Kapsel kauert Gagarin, Sohn einer Bäuerin und eines Tischlers. In etwas über 100 Minuten umrundet er die Erde, bevor er beim Landeanflug mit dem Fallschirm abspringt: Der harte Aufprall der Kapsel hätte ihn töten können.

Als der 27-Jährige auf einen Acker an der Wolga fällt, erwartet ihn nicht die Weltpresse – sondern eine erschrockene Waldarbeiterin. Die Ingenieure hatten sich beim Landeplatz gründlich verrechnet. Der Flug macht den sozialistischen Vorzeigehelden mit dem jungenhaften Lächeln unsterblich – und zum "ersten Popstar des Ostblocks".

Er erweist sich für die Staatspropaganda als Glücksgriff. "Ich kann zwar um die Erde fliegen, aber mit dem Besteck kenne ich mich nicht aus", sagt er beim Empfang der Queen. Das Ausland ist entzückt von so viel Spontanität. Als "Kolumbus des Kosmos" wird Gagarin bezeichnet, in Anlehnung an den berühmten Seefahrer und Entdecker.

1951, zehn Jahre vor Beginn des Zeitalters der bemannten Raumfahrt, kommt Gagarin nach Moskau. Hier absolviert er eine Ausbildung zum Gießer. 1955 muss er zur Armee. Fünf Jahre später ist der Kampfflieger ein idealer Kandidat für das ehrgeizige Raumfahrtprogramm des Landes. Die Belastungstests verlangen ihm alles ab. "Ich weiß nicht, wer ich bin: der erste Mensch oder der letzte Hund im All", sagt er mit Verweis auf die Testreihe mit Vierbeinern im Weltraum.

Die Berliner Zeitung verkündete den Sieg des Kommunismus.

(Bild: zefys.staatsbibliothek-berlin.de)

Gagarin reist nach seinem historischen Flug als "Botschafter des Friedens" um die Welt. Nie zuvor – und vielleicht auch nie danach – ist die Sowjetunion so wohlwollend aufgenommen worden. Doch zu Hause in Moskau ziehen dunkle Wolken auf. Berichte über Alkohol-Exzesse und Frauengeschichten des Familienvaters machen die Runde.

Mitten in dieser Phase stirbt Gagarin: Am 27. März 1968 stürzt der Mann, der im All mit Blick auf die Erde den Begriff vom "Blauen Planeten" prägte, beim Test eines Jagdflugzeugs bei Moskau ab. War es ein Pilotenfehler, eine technische Panne – oder gar Sabotage? Um die Ursache ranken sich noch immer Gerüchte. Gagarins Urne wird bei einem Staatsbegräbnis in der Kremlmauer beigesetzt.

Auf dem Mond trägt heute ein 265 Kilometer langer Krater seinen Namen, und auf der Erde ziert sein Konterfei viele T-Shirts und Tassen – ein Geschäft, bei dem Gagarins jüngste Tochter Galina in Russland mitkassiert. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ließ beim Patentamt in Moskau den Namen ihres Vaters als Handelsmarke schützen. (mho)