Kompromiss zur Erleichterung der Stammzellenforschung in Deutschland

Die Abgeordneten des Bundestags haben für eine Verschiebung des Stichtags für die Verwendung von embryonalen Stammzellen auf den 1. Mai 2007 gestimmt.

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Von
  • Florian Rötzer

Im Bundestag wurde heute über die Vorschläge zu Gesetzesänderungen bei der Stammzellenforschung abgestimmt. Es lagen vier Gesetzesanträge vor. Die Abgeordneten entschieden sich in namentlicher Abstimmung für einen Kompromiss, der die Stammzellenforschung erleichtert, aber den von manchen gefürchteten "Dammbruch" verhindert. Bislang durften nur Zelllinien aus dem Ausland eingeführt und verwendet werden, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden.

Mit dem nun mit 346 Ja-Stimmen, 228 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen angenommenen Antrag der Abgeordneten René Röspel (SPD), Ilse Aigner (CDU/CSU) und Jörg Tauss (SPD) wurde eine eindeutige Position vermieden und der bisherige Stichtag für die Forschung mit embryonalen Stammzellen einmalig auf den 1. Mai 2007 verschoben. Der von Abgeordneten Ulrike Flach (FDP), Katherina Reiche (CDU/CSU) und Rolf Stöckel (SPD) eingebrachte Antrag, der eine Abschaffung des Stichtages vorsah, wurde abgelehnt; ebenso fiel der Antrag der CDU/CSU-Abgeordneten Hubert Hüppe, Marie-Luise Dött und Maria Eichhorn durch, der ein völliges Verbot der Stammzellenforschung in Deutschland durchsetzen wollten. Auch der von den Abgeordneten Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Julia Klöckner (CDU/CSU) und Herta Däubler-Gmelin (SPD) eingebrachte Vorschlag, den Stichtag zu belassen, aber den Forschern, die im Ausland arbeiten, Straffreiheit zu gewähren, fand keine Mehrheit.

Nach dem vom Bundestag heute angenommenen Gesetz sollen aber deutsche Wissenschaftler, die im Ausland forschen, tatsächlich von der Strafverfolgung ausgenommen werden, da das Stammzellengesetz nur auf das Inland beschränkt wird. Die zusätzliche einmalige Verschiebung des Stichtags für emryonale Stammzellen in Deutschland wird damit begründet, dass man das Gesetz damit "an neue wissenschaftliche Erkenntnisse" anpasse, aber "die Grundausrichtung des Gesetzes" damit nicht verändert werde. Es bleibe gewährleistet, "dass von Deutschland aus nicht die Gewinnung embryonaler Stammzellen oder eine Erzeugung von Embryonen zu diesem Zweck veranlasst wird".

Wissenschaftler hatten kritisiert, dass die bislang zugänglichen Stammzellen aufgrund ihres Alters und von Verunreinigungen weitgehend unbrauchbar seien. Überdies wären sie zu knapp. Allerdings besteht in der Wissenschaft keine Übereinstimmung darüber, wie wichtig embryonale menschliche Stammzellen überhaupt sind und welche Anwendungsmöglichkeiten es gibt. Die vor kurzem demonstrierten Möglichkeiten, Körperzellen zu reprogrammieren, um so aus ihnen induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) zu gewinnen, gilt als ernsthafte Alternative. Gegner der Forschung mit embryonalen Stammzellen sehen in dieser einen Verstoß gegen das Recht auf Leben und argumentieren, dass aufgrund der vorhandenen Alternativen die Verwendung embryonaler Stammzellen gar nicht notwendig sei.

Stammzelltherapien sollen Hilfe für Menschen mit schwersten Erkrankungen von Alzheimer über Diabetes bis zu Herzschwächen bringen. Doch bislang tut sich hier ein gewaltiges ethisches Problem auf: Um Kranke heilen zu können, müssen Embryos zerstört werden – entweder eigens dafür geklonte oder solche, die bei künstlichen Befruchtungen übrig geblieben sind. (fr)