Kontroverse um ʻOumuamua: Außerirdisches Sonnensegel und doch kein Komet?

Ein bekannter Astrophysiker meint, dass das interstellare Objekt ʻOumuamua nicht natürlichen Ursprungs war und kritisiert seine Kollegen. Die widersprechen.

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Künstlerische Darstellung von ʻOumuamua

(Bild: ESO/M. Kornmesser)

Lesezeit: 4 Min.

Der erste interstellare Komet ʻOumuamua war nicht natürlichen Ursprungs, sondern außerirdische Technik, vergleichbar einem Sonnensegel. Das jedenfalls behauptet der bekannte Astrophysiker Avi Loeb in einem neuen Buch und sorgt damit sowie mit weitergehender Kritik an seinen Kollegen für jede Menge Aufregung in der Fachwelt. Dort heißt es, dass Loeb die Herangehensweise seiner Kollegen falsch zusammenfasse und mit einem sensationsheischenden Buch von den gesicherten Entdeckungen im Zusammenhang mit ʻOumuamua ablenke. Spekulationen über außerirdische Intelligenzen sind für Loeb nicht neu, aber die aktuelle Aufmerksamkeit ist auch für ihn ungewohnt.

ʻOumuamua war Ende Oktober 2017 entdeckt worden und galt zuerst als Komet. Seine Bahn hatte ihn als interstellaren Besucher verraten, er wurde als Asteroid eingeordnet und auf 1I/2017 U1 (ʻOumuamua) getauft. Damit fällt es als erstes Objekt unter die neue Terminologie für interstellare Asteroiden. Der Begriff "ʻOumuamua" ist hawaiianischen Ursprungs und beschreibt einen Boten, der aus der fernen Vergangenheit geschickt wurde, um uns zu kontaktieren. Forscher gehen davon aus, dass ʻOumuamua während der Planetenentstehung aus seinem Heimatsystem geschleudert wurde. ʻOumuamua gilt als zigarrenförmig und wird inzwischen zumeist als interstellares Objekt eingeordnet.

Loeb leitet seit 2011 den Fachbereich Astronomie der renommierten Harvard University und äußert sich immer wieder zur Suche nach Spuren außerirdischer Intelligenzen. Auch ʻOumuamua hat er bereits vorher als nicht-natürlich bezeichnet und nun führt er seine Gedanken in dem Buch "Extraterrestrial: The First Sign of Intelligent Life Beyond Earth" aus. Demnach sei etwa die beobachtete Beschleunigung und die ungewöhnliche Form am besten dadurch zu erklären, dass es sich bei ʻOumuamua um ein außerirdisches Raumschiff handelt, das nach dem Prinzip eines Sonnensegels durch den interstellaren Raum zu uns gereist kam.

Da ʻOumuamua inzwischen zu weit entfernt ist, um mit unserer Technik noch beobachtet zu werden, sind Forscher auf jene Daten beschränkt, die bereits gesammelt wurden. Aber selbst wenn es sich bei dem Objekt nicht um ein Werk einer außerirdischen Zivilisation gehandelt hat, habe es nur Vorteile, wenn man es als genau das ansehe, meint Loeb. Immerhin seien wir als Menschheit überhaupt nicht darauf vorbereitet, einmal klare Beweise für (intelligentes) außerirdisches Leben zu finden und man könnte die Gelegenheit nutzen, um das zu ändern. Seine Kollegen kritisiert er dafür, dass sie im Zweifelsfall immer wieder dazu tendierten, einer Beobachtung einen natürlichen Ursprung zuzuordnen.

Geht es um die Suche nach Spuren außerirdischen Lebens (SETI) ist Loeb kein Unbekannter, darauf verweisen auch Kritiker seiner Äußerungen. Gleichzeitig erklären sie, dass die natürliche Herkunft von ʻOumuamua und die Besonderheiten inzwischen gut erklärt werden könnten. Den Astronomen Bruce Macintosh von der Stanford University macht es traurig, dass die Debatte von den unglaublichen Entdeckungen und der harten Arbeit im Zusammenhang mit der Erforschung von ʻOumuamua ablenke. Dass interstellare Objekte regelmäßig das Sonnensystem durchqueren, sei eine der wichtigsten Entdeckungen der vergangenen Dekade. Das Vera C. Rubin Observatory werde viele von ihnen entdecken, ist er sicher.

Interstellarer Asteroid bzw. Komet ʻOumuamua (1I/2017 U1) (4 Bilder)

1I/2017 U1 (ʻOumuamua) auf einer zusammengesetzten Aufnahme der ESO.
(Bild: ESO/K. Meech et al.)

Immer wieder wird in der Debatte auch auf eine Prämisse verwiesen, die als "Sagan Standard" nach Carl Sagan popularisiert wurde. Die besagt, "außergewöhnliche Behauptungen brauchen außergewöhnliche Beweise" und wird oft dahingehend ausgelegt, dass der Beweis für außerirdisches Leben ganz besonders hieb- und stichfest sein müsste. Loebs Ausführungen schaffen das nicht, aber er selbst kritisiert die Vorgabe auch: Dem New Yorker sagte er müsste stattdessen heißen, "außergewöhnlicher Konservatismus hält uns außergewöhnlich unwissend". Den Verkaufszahlen für das Buch dürfte die Debatte jedenfalls guttun. Ob das wie bei dem US-Magazin angedeutet aber künftig eher in einer Reihe mit Erich von Däniken als Galileo Galilei gesehen wird, wird sich noch zeigen.

(mho)