Kostbare Buchstaben: Das Online-Geschäft mit TV, TO und NU

Der Handel mit ungewöhnlichen Länder-Domains boomt - kleine Inselstaaten wie Tuvalu oder Nieu profitieren davon.

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Von
  • Tilman Streif
  • dpa

Neun Atolle im Pazifik, knapp 11 000 Einwohner auf 26 Quadratkilometern – das ist Tuvalu. Der Name des Inselreichs hat unter den Internet-Experten der Fernsehbranche neuerdings einen guten Klang, und das liegt an einer virtuellen Länderkennung: Die Internet- Adressen des Ministaates enden auf .tv. Für Fernsehsender aus aller Welt sind Adressen mit diesen beiden Buchstaben äußerst attraktiv. Das unverhofft aufgetauchte Phänomen macht das Winzland jetzt reich und die Konkurrenz aus anderen Kleinstaaten neidisch. Beim bisherigen globalen Verwalter dieser Adress-Endungen, der Internet Assigned Numbers Authority (IANA), sind über 200 Kürzel registriert, von .ac für Ascencion Island (Himmelfahrtsinsel) über .de für die Bundesrepublik bis zu .zw für Simbabwe.

Erfahrene US-Geschäftsleute versuchen im Interesse von Ländern wie dem Südseereich Tonga oder der Insel Niue (Neuseeland) Nutzer für die Domains .to und .nu zu finden. Das Tongan Network Information Center (Tonic) in San Francisco hat nach eigenen Angaben seit 1997 etwa 50.000 .to-Abnehmer registriert, die 100 Dollar (rund 220 Mark) bezahlen. "Bisher ist unsere Kundenzahl natürlich winzig, etwa im Vergleich zu den 12 Millionen Dot.Com-Adressen", sagt Tonic- Sprecher Eric Lyons. Bill Semich, Chef der Firma .NU Domain Ltd, vergibt für eine geringe Gebühr von 45 Dollar .nu-Domains aus seinem Büro im Bundesstaat Massachusetts. Ein Viertel seiner Einnahmen führt er nach Niue ab. 80.000 Kunden hat Semich bereits, vor allem im skandinavischen Raum, wo das Wort "nu" mit der Bedeutung "jetzt" als Teil einer Web-Adresse sehr beliebt ist. Die Gelben Seiten (Gula Sidorna) Schwedens etwa sind im Web unter gulasidorna.nu zu finden. "Auch in Deutschland haben wir Kunden, zum Beispiel jemanden, der vor kurzem registrieren ließ", berichtet Semich. Ein völliger Reinfall allerdings wurde der Handel mit der Länder-Domain für Turkmenistan. Das Kürzel .tm ergab in Verbindung mit anderen Worten leider häufig eine für Turkmenen unakzeptable Obszönität, weshalb .tm vorläufig aus dem Verkehr gezogen wurde.

Unter den Kleinstaaten mit Web-Ambitionen ist Tuvalu aber der große Star. Beim UN-Millenniumsgipfel im September in New York nahm die Vollversammlung den Kleinstaat als 189. Mitglied auf. Die Bewerbung um diese Anerkennung kostete 30-000 Dollar. Den Betrag konnte das Land erst jetzt aufbringen, als Folge des ertragreichen Geschäfts mit der .tv-Domain. Für den Vertrieb der .tv-Namen wurde in Kalifornien die Firma Dot TV gegründet. Dem Inselreich brachte das eine Firmenbeteiligung sowie eine über mehrere Jahre verteilte Mindestzahlung von 50 Millionen Dollar ein. Etwa ein Drittel des Geldes wurde nach Angaben von Dot TV bereits ausbezahlt. Generatoren sorgen in Tuvalu neuerdings für eine stabile Stromversorgung auf allen Inseln, Krankenhäuser und Schulen konnten mehr Personal einstellen. Außerdem dient das Geld der Tourismuswerbung und dem Ausbau des Flughafens.

Die Preisliste für die Internet-Adressen beginnt bei 100 Dollar, aber besonders attraktive Web-Adressen wie free.tv erzielten schon bis zu 100-000 Dollar, sagt Dot TV-Sprecherin Sarah Alcorn. Seit dem Geschäftsstart im Mai diesen Jahres hat es nach ihren Angaben bereits "Hunderttausende" von .tv-Neuregistrierungen gegeben. Zu den Abnehmern gehören prestigeträchtige Organisationen wie die amerikanische Academy of Television Arts & Sciences, die ihre Fernsehpreis-Verleihung im Internet jetzt erstmals unter emmys.tv präsentierte. Und auch in Deutschland fand Dot TV schon Kunden. Websurfer können onyx.tv ansteuern, um sich über das Programm des Kölner Musiksenders zu informieren – oder auch über die Konkurrenz, unter viva.tv. (Tilman Streif, dpa) (jk)