Kritik an Vorschlägen der ITU zur Netzverwaltung

Die Ländermanager des Dachverbandes Council of European National TLD Registries und die Internet Governance Task Force Japan wollen keine IP-Adressen länderweise vergeben lassen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Ländermanager des Dachverbandes Council of European National TLD Registries (Centr) und die Internet Governance Task Force Japan (IGTF-J) wollen keine IP-Adressen länderweise vergeben lassen. Beide Gremien nahmen in den vergangenen Tagen kritisch Stellung zu den Vorschlägen des Direktors des Standardisierungsbüros der International Telecommunication Union, Houlin Zhao. Zhao hatte vorgeschlagen, IPv6-Adressen parallel zur Vergabe durch die Regionalen IP Adressvergabestellen (RIRs) auch von Regierungen vergeben zu lassen und auf Wunsch von Mitgliedsstaaten, eine eigenen Liste der Länderdomains zu führen.

Die IANA-Datenbank ist, so schreibt Centr (PDF), das Herz des Domain Name System, in dem nationale und globale Top Level Domains verzeichnet sind. Konkurrierende Datenbanken für gTLDs und ccTLDs auf der anderen oder auch nur einen Teil der letzteren würde zusätzliche bürokratische Strukturen und rechtliche Abreden zum Zweck der Koordination notwendig machen. Die Aufspaltung würde eher zu politischer Konfusion als zur Lösung anstehender Probleme beitragen, so die Befürchtung.

Auch der Vertreter der im August eigens mit Blick auf den Weltgipfel einrichteten IGTF-J, Izumi Aizu, warnte vor Zhaos Idee eines Wettbewerbs von Staat und Selbstverwaltung. Zhaos Forderung nach einem alternativen Kanal für die IPv6-Adressvergabe stoße auf technische und organisatorische Schwierigkeiten und erfordere sogar Änderungen des Protokolls selbst, erläuterte Aizu beim der gestern öffentlich tagenden UN Working Group on Internet Governance.

Problematisch ist aus Sicht der IGTF-J, die Zhaos Vorschlag laut Aizu in einer Simulation durchgespielt hat, dass auf eine strikte Aggregation beim Routing verzichetet werden müsste. Übergroße Routing-Tabellen gefährden die weltweite Konnektivität, die dann allenfalls noch durch deutlich mächtigere und teurere Server hergestellt werden kann. Die zentrale Regel bei der Zuteilung von IP-Adressraum sei im übrigen nicht der Wettbewerb, sondern die Sicherung von Standards und Fairness bei der Vergabe weltweit. Dezidiert nationale Adressräume, so Aizu, erlaubten zwar in der Tat die Identifizierung der Nationalität so versorgter Nutzer und auf dieser Lokalisierungsfunktion aufbauende Services, allerdings drohten damit ebenso die Vereinfachung von Zensur und das Tracking der Nutzer.

Zusätzlich zu der ersten öffentlichen Sitzung der UN WGIG gestern tagte diese am Dienstag und heute noch hinter verschlossenen Türen. Die Arbeitsgruppe muss bereits bis Ende Februar zur nächsten WSIS-Vorbereitungskonferenz einen vorläufigen Bericht produzieren. Dieses Mal, so ist einem Protokoll von Bertrand de La Chapelle, einer der Intiatiatoren von OpenWSIS, zu entnehmen, sind es nicht in der 40-köpfigen Arbeitsgruppe vertretene Regierungen, die zu mehr Transparenz mahnen. Vielmehr forderten Vertreter Indiens, Syriens und einiger anderer Entwicklungsländer, Regierungen bei den WGIG-Sitzungen als Beobachter zuzulassen. In der abschließenden, nicht-öffentlichen Sitzung heute will WGIG-Chef Nitin Desai den Kompromiss für das Format der Gruppe finden.

Außerdem muss er zusammen mit seinen 40 Mitstreitern so schnell wie möglich die Liste der Dinge beschließen, die man in den kommenden Wochen beackern will. Neben den Themenbereichen wie DNS wurden immer wieder Spam und, besonders prominent, auch ein Ausgleich bei den Kosten für die Interconnection in IP-Netzen gefordert. Der ärmere Süden, so kritisierten Vertreter der Entwicklungsländer, würde das Internet in den Industrieländern damit sponsern. (Monika Ermert) / (anw)