Kritik an der Evaluierung des Jugendmedienschutzsystems

In einem Fachartikel stellen namhafte Juristen den jüngst vorgestellten Bericht des Hans-Bredow-Instituts zur Evaluation des Jugendmedienschutzstaatsvertrages und Jugendschutzgesetzes als "defizitäre Defizitanalyse" in Frage.

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Von
  • Monika Ermert

Die Analyse des komplizierten Systems des deutschen Jugendmedienschutzrechts sei bislang zu schlampig ausgefallen, meint eine Gruppe namhafter Juristen. In einem Artikel der Fachzeitschrift "MultiMedia und Recht" kritisieren sie den jüngst vorgestellten Bericht des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg zur Evaluation des Jugendmedienschutzstaatsvertrages und Jugendschutzgesetzes. Die Juristen stellen den Bericht als "defizitäre Defizitanalyse" in Frage.

Bund und Länder haben sich bei der Einführung des Konzepts der "regulierten Selbstregulierung" im Jugendmedienschutz und der damit verbundenen Einrichtung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) eine Überprüfung der Wirksamkeit bis zum April 2008 auferlegt. Der HBI-Bericht macht Vorschläge für mögliche Anpassungen der Regelungen.

Die Kritik der Jugendschutzexperten richtet sich unter anderem gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Berücksichtigung von Fachliteratur in der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und von den Bundesländern in Auftrag gegebenen Studie. Dieser Mangel beeinträchtige die Qualität, da das HBI bei der Auslegung der Regeln die unter Juristen herrschende Mehrheitsmeinung teilweise einfach ignoriere.

Als Beispiel werden die Differenzen zwischen der KJM und der von der KJM beaufsichtigten Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) zur Zuständigkeit bei der Anerkennung von Altersverifikationssystemen (AVS) genannt. Solche Systeme sollen den Zugang etwa zu nicht verbotener Pornographie für Jugendliche verhindern. Viele Anbieter von AVS-Systemen haben ihre Systeme der KJM zur Begutachtung vorgelegt, im Jugendmedienschutzstaatvertrag ist eine solche Vorlage aber nicht explizit geregelt. In der Rechtsliteratur werde aber "den anerkannten Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle" ein "Bewertungsvorrang bei der Beurteilung von AVS" zugewiesen, schreiben die Evaluierungskritiker. Das HBI hatte hier von unklaren Zuständigkeiten gesprochen.

Der ausgebrochene Streit um die Evaluierung ist nur scheinbar rein akademisch, wie ein anderer monierter Punkt im "MultiMedia und Recht"-Artikel beweist. Die HBI-Kritiker widersprechen darin der Auffassung des Evaluierungsberichts, dass Zugangsprovider dem Jugendmedienschutzstaatvertrag nicht unterworfen werden können. Landesgesetzgeber und zahlreiche Juristen gingen davon aus, dass durchaus auch Suchmaschinenbetreiber und Zugangsprovider Telemedienanbieter seien und damit laut Staatsvertrag zur Verantwortung gezogen werden könnten. Die mit der jüngsten Mitteilung der EU-Kommission zu Onlineinhalten wieder aufflammenden Überlegungen, reine Zugangsprovider zum Filtern fremder Inhalte zu zwingen, belegt, dass derartige Kontrollideen durchaus Konjunktur haben.

So richtig ankreiden kann man die Unschärfen bei der Verantwortlichkeit allerdings wohl nicht dem HBI. Eine klare Abgrenzung zwischen Telemedien – und damit Inhaltsangeboten – und Telekommunikationsdiensten muss der Gesetzgeber erst noch selbst hinbekommen. Das neue Telemediengesetz hat jedenfalls Widersprüchlichkeiten auch nach Ansicht von Experten keineswegs ausgeräumt. (Monika Ermert) / (pmz)