Kryptowährungs-Börse Kraken will keine Diversity-Debatten in der Belegschaft

Neue Gesichter sind in der Belegschaft der Kryptobörse Kraken willkommen – es sei denn, sie engagieren sich zu viel für Diversity und Identitätspolitik.

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(Bild: kraken.com)

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Die Kryptowährungsbörse Kraken will trotz Abkühlung am Kryptomarkt 500 neue Leute einstellen – und zugleich politischem Aktivismus in der Belegschaft einen Riegel vorschieben. Chef Jesse Powell stellte in einem Blogbeitrag eine Zusammenfassung der Unternehmenswerte vor, die etwa eine Absage an Identitätspolitik und als oberflächlich empfundene Diversity-Bemühungen umfasst. Für Angestellte, die sich nicht damit identifizieren könnten, biete man ein inzwischen dauerhaftes Abfindungsprogramm, das den Wechsel in einen neuen Job erleichtern solle.

Die vorgestellten Werte umfassen unter anderem ein deutliches Bekenntnis zu Kryptowährungen als zentraler Innovation und einem damit verbundenen Potenzial für finanzielle Freiheit und Inklusion. Zugleich halte man bei Kraken nichts von einer "kurzsichtigen" Auffassung von Diversität, die sich auf äußerliche Merkmale beschränke und Menschen darauf reduziere. Als Unternehmen mit Angestellten aus 70 Ländern und mit 50 verschiedenen Muttersprachen, die unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen einbrächten, lebe man eine andere Form von Diversität. Das Ergebnis des Teams sei dabei wichtiger als die individuelle Befindlichkeit.

Auch die Vorgaben zur Kommunikationskultur in dem Wertekanon lassen sich als klare Absage an politisch korrekte Rede lesen. "Worte oder Schweigen sind niemals 'Gewaltausübung'", heißt es dort. Sich beleidigt fühlen, heiße nicht, dass man auch im Recht sei. Ebenfalls sollten Äußerungen anderer nicht als "toxisch", "hasserfüllt", "rassistisch", "x-phobisch" oder ähnliches bezeichnet werden. Ideale Angestellte bei Kraken brächten "ein dickes Fell" mit und seien wohlmeinend.

"Die meisten Leute kümmern sich nicht um sowas und wollen einfach nur arbeiten, aber sie können nicht produktiv sein, wenn sie von getriggerten Leuten ständig in Debatten und Therapie-Sitzungen verwickelt werden", führte Jesse Powell in einem längeren Tweet-Thread aus. Es habe einige erhitzte Debatten gegeben und letztlich seien es rund 20 Leute in der Belegschaft von 3200, die sich nicht auf die neuen Firmenwerte einlassen könnten, erklärte Powell. Inwieweit die Zustimmung auch der Angst um den Job geschuldet sein könnte, berührte Powell in seinen Ausführungen nicht.

Beobachter wie das Technikmagazin The Verge vermuten, dass Powell mit Krakens Werteoffensive einem Bericht in der New York Times zuvorkommen wollte. Dieser Bericht spricht unter Berufung auf interne Dokumente, Chats und Videos von einem "Kulturkrieg", den der Kraken-Chef betreibe. Der nun öffentliche Wertekanon sei eine kürzere Fassung eines Anfang Juni an die Belegschaft geschickten Dokuments – begleitend von der Aufforderung zu gehen, wenn man damit nicht übereinstimme.

Laut der New York Times sei Powell selbst recht polarisierend vorgegangen und habe unter anderem in einem internen Slackchat geschrieben, dass US-amerikanische Frauen einer "Gehirnwäsche" unterzogen worden seien. Ebenfalls habe er Debatten darüber angestoßen, ob Leute die Anrede mit anderen Geschlechtspronomina einfordern könnten als mit denen ihres Geburtsgeschlechts.

Ungewöhnlich ist die Sicht Powells in der Branche aber eigentlich nicht. 2020 hatte bereits die Kryptobörse Coinbase ein ähnliches Abschieds-Programm für unliebsame, politisierte Mitarbeiter eingeführt. Chef Brian Armstrong hatte die von manchen aus der Belegschaft geforderte Solidaritätserklärungen mit der Bewegung Black Lives Matter verweigert und sich in einer Art Manifest für den politikfreien Arbeitsplatz ausgesprochen. Wer bei der Arbeit dennoch nicht ohne den Einsatz für soziale Fragen auskomme, könne gehen und ein Abfindungspaket in Anspruch nehmen.

Gerade in der Kryptogeldszene neigen viele Leute eher zu einer libertären Weltsicht. Das umfasst Ablehnung des Staates, die Bejahung von Marktkräften und ein fast absolutistisches Verständnis von Redefreiheit. Aktivismus, der zum Beispiel staatliche Ausgleichsleistungen für marginalisierte Minderheiten einfordert oder sich um politisch korrekte und inklusive Rede bemüht, passt nicht so recht zu diesem Blick auf die Welt.

(axk)