Kryptowährungs-Branche schüttet Geldlawine in den US-Wahlkampf

​US-Wahlkampffonds lassen Dagobert Ducks Geldspeicher erblassen. Ganz vorne dabei: Die Kryptowährungsbranche. Molly White bringt Licht ins Dunkel.

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Mann in Anzug hält breit gefächerte Dollarscheine in die Kamera

(Bild: TierneyMJ/Shutterstock.com)

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Mindestens 187 Millionen US-Dollar hat die Kryptowährungsbranche bis Ende Mai für den laufenden US-Wahlkampf gesammelt. Das hat Krypto-Kritikerin Molly White aus öffentlich zugänglichen Daten zusammengetragen. White hat die Webseite followthecrypto.org programmiert (open source). Sie zeigt, wie viel Geld in die größten Super-PACs geflossen ist, die Kryptowährungs-freundliche Kandidaten unterstützen, oder dem Verbraucherschutz zugeneigte Kandidaten verhindern wollen.

Der größte Krypto-Super-PAC heißt Fairshake und ist praktisch genauso groß wie Make America Great Again (MAGA), der wichtigste Super-PAC zur Unterstützung Donald Trumps, der zum vierten Mal Anlauf auf das Weiße Haus nimmt: MAGA hat bis Ende Mai 178,6 Millionen Dollar gesammelt, Fairshake 177,9 Millionen Dollar. MAGA hat allerdings mehr davon bereits ausgegeben, weshalb Fairshake beim Geldvorrat deutlich vorne liegt (107 Millionen Dollar, eventuell zuzüglich 25 Millionen Dollar, die bei Coinbase geparkt sein dürften, gegenüber 94 Millionen Dollar bei MAGA).

PAC steht für Political Action Committee. Das sind traditionell Wahlkampffonds politischer Kandidaten. Für diese gelten Höchstbeiträge pro Spender. Für Super-PACs gelten hingegen keine Grenzen. An sie können Amerikaner unbegrenzt spenden. Bloß dürfen die Super-PACs ihre Kampagnen – offiziell – nicht mit den jeweils unterstützten Kandidaten koordinieren.

Fairshake gibt sein Geld bisher vor allem dafür aus, Kandidaten der Demokratischen Partei zu bekämpfen. Mehr als zehn Millionen Dollar hat Fairshake alleine in Negativwerbung gegen die Demokratin Katie Porter gesteckt – mit Erfolg: Die Kalifornierin hat die Vorwahl (Primary) verloren und kann somit im November nicht in den US-Senat gewählt werden. Weitere zwei Millionen Dollar steckte Fairshake in Reklame gegen den Demokraten Jamaal Bowman, der ebenfalls die Vorwahl verloren hat. Der New Yorker wird also sicher nicht ins Unterhaus einziehen.

Noch mehr Geld, nämlich 15,5 Millionen Dollar, hat Fairshake an zwei andere Super-PAC weitergereicht. Fünf Millionen an Protect Progress, das kryptofreundliche Demokraten unterstützen möchte, und doppelt so viel an Defend American Jobs, das kryptofreundlichen Republikanern zum Wahlsieg verhelfen soll. Zu beachten ist, dass die bei Follow the Crypto ausgewiesenen Spendenmengen nicht den Ausgaben plus Geldvorräten entsprechen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Super-PACs ihre Ausgaben binnen 48 Stunden melden müssen, ihre Einnahmen aber nur monatlich summiert, und das mit Verzögerung. Daher gibt es noch keine Daten zum Spendenaufkommen im Juni, wohl aber Daten zu Wahlwerbeausgaben im Juli.

Die Lobbyisten der Kryptobranche möchten Politikern weis machen, dass das Thema Kryptowährung für Wähler von großer Bedeutung sei. Die Organisation Stand with Crypto zeigt auf ihrer Webseite einen sogar leicht höheren Spendenbetrag an (da wohl einige kleinere Krypto-Super-PAC mit einbezogen sind). Nicht ganz 1,3 Millionen Spender haben demnach 179,4 Millionen Dollar gespendet.

Das mag mathematisch stimmen, hinterlässt aber den irreführenden Eindruck einer großen Volksbewegung. In Wirklichkeit kommt das allermeiste Geld kommt von wenigen Kryptomagnaten: Fairshake hat von der Kryptobörse Coinbase 46,5 Millionen Dollar erhalten, von Ripple Labs 45 Millionen Dollar, vom Wagniskapitalgeber Andreessen Horowitz 44 Millionen, von Jump Crypto 15 Millionen, von Winkelvoss Capital Management fünf Millionen, und jeweils eine Million von Kraken, Circle und Union Square Ventures. (In diesen Beträgen sind auch Spenden der Eigentümer oder Manager dieser Firmen enthalten.) Bei den beiden anderen genannten Super-PAC der Kryptofans verteilt sich das Gros des Spendenaufkommens auf noch weniger Unternehmen. Kleinspender fallen – anders als etwa bei der Wiederwahlkampagne Joe Bidens – nicht ins Gewicht.

Auf Donald Trump hat das Lobbying bereits gewirkt. War er früher ein herber Kritiker und beschrieb Kryptowährungen als Betrug, ja wollte sie sogar einstellen lassen, begann er 2022 damit, selbst NFTs herauszugeben. "If you’re for crypto you better vote for Trump", sagt der Ex-Präsident inzwischen. Wer Kryptowährungen fördern wolle, müsse ihn wählen.

Amtsinhaber Joe Biden hingegen hat sich kaum zu Kryptowährungen geäußert. Immerhin widmet sich ein Präsidentenerlass aus dem März 2022 dem Thema digitale Vermögenswerte und Blockchains. Biden ordnet darin Maßnahmen unter anderem für Verbraucherschutz, Finanzstabilität und Bekämpfung von Straftaten an, aber auch zur "Unterstützung technischen Fortschritts zur Förderung verantwortungsbewusster Entwicklung und Nutzung digitaler Vermögenswerte." Nichtsdestotrotz hat die Kryptobranche Donald Trump als ihren Helden und Biden als ihren Gegner bestimmt.

Entgegen der Darstellung der Lobbyisten zeigt das US-Wahlvolk wenig Interesse an Kryptothemen. Das legt sogar eine von der Lobbyorganisation Digital Currency Group in Auftrag gegebene Umfrage in sechs US-Staaten offen, in denen der Wahlausgang umkämpft ist ("swing states"). Von 1.201 dort als Wähler registrierten Befragten stimmten 80 Prozent der Aussage, dass Krypto ein wichtiges Thema bei der Wahlentscheidung sei, ausdrücklich nicht zu. Und die restlichen 20 Prozent sind keineswegs alle Krypto-Unterstützer, denn insgesamt haben 69 Prozent aller Befragten eine negative Einstellung zu Kryptowährungen zu Protokoll gegeben.

Daher überrascht nur auf den ersten Blick, dass die von Fairshake finanzierten Wahlwerbungen das Thema Kryptowährung meist unerwähnt lassen. Auch übergeordnete Themen wie Technik oder Finanzen greifen kaum Raum. Vielmehr werden völlig andere Argumente bemüht, warum Wähler bestimmte Kandidaten (nicht) wählen sollten. Die Aufmerksamkeit des Wahlvolkes auf die Meinung der Kandidaten zu Kryptowährungen zu lenken, liegt offensichtlich nicht im Interesse der Branche.

Spendenfinanziert ist übrigens auch Molly Whites Transparenzprojekt Follow the Crypto. Das Angebot ist, so wie Molly Whites bekannter Newsletter Citation Needed auch, werbefrei. Die Amerikanerin lädt politisch Bewegte dazu ein, den Source Code von Follow the Crypto zu nutzen, um Spenden anderer Branchen oder Interessengruppen ebenfalls transparenter zu machen. Solche Daten zu sammeln, ist allerdings aufwändig.

(ds)