Politik gibt Gas: Grünes Licht für LNG-Terminal auf Rügen

Kein Flüssigerdgasterminal in Deutschland wird so angefeindet wie das auf der Insel Rügen. Dennoch gab der Bundestag jetzt grünes Licht dafür.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 97 Kommentare lesen
LNG-Terminal Wilhelmshaven aus Blickrichtung Hooksiel

Wer am Deich und am Strand von Hooksiel flaniert, hat stets Deutschlands erstes LNG-Terminal in Wilhelmshaven in Sichtweite. Auf der Insel Rügen werden infolge von Terminalplänen negative Auswirkungen auf den Tourismus befürchtet.

(Bild: mki / heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Trotz der monatelangen Proteste von Inselbewohnern haben Bundestag und Bundesrat am Freitag eine wichtige Voraussetzung geschaffen, damit auf der Insel Rügen ein weiteres LNG-Terminal errichtet werden kann. Anfang 2024 sollen im Hafen von Mukran zwei Spezialschiffe angeliefertes tiefkaltes Flüssigerdgas regasifizieren und zum Weitertransport in das nationale Gasnetz einspeisen. Der jetzige politische Beschluss schafft die Rahmenbedingungen für den ambitionierten Zeitplan.

Die Ausgangslage ist der beim ersten deutschen Flüssigerdgasterminal in Wilhelmshaven ähnlich. Auch dort ist Tourismus in Sichtweite: Nur wenige hundert Meter entfernt am Strand von Hooksiel werden viele Feriengäste dieses Jahr erstmals eine sogenannte FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) sowie ankommende Flüssigerdgastanker zum Greifen nahe erleben können. Das Terminal, das im Eilverfahren gebaut wurde, nahm im Dezember den Betrieb auf.

Kritiker halten den Betrieb eines LNG-Terminals auf der Insel Rügen hingegeben für unzumutbar. Schon seit Monaten machen sie dagegen mobil. Auch Naturschützer begehren gegen das Vorhaben auf. In Wilhelmshaven liegt das LNG-Terminal inmitten des Weltnaturerbes Wattenmeer, trotzdem waren die Proteste überschaubar und richteten sich eher gegen technische Eigenheiten der vom Bund gecharterten FSRU. Weitere Terminals gibt es in Brunsbüttel und Lubmin.

Eine Mehrheit des Bundestages rund um die Ampelkoalition zeigte sich von der Gegenwehr an der Ostsee unbeeindruckt. Mit 370 zu 301 Stimmen bei vier Enthaltungen wurde die Insel Rügen in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufgenommen. Es erlaubt deutliche Abkürzungen der nötigen Genehmigungsverfahren. Unter anderem werden Umweltprüfungen ausgesetzt. Begründet wird die Eile mit der Art Notlage in der Energieversorgung, die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Stilllegung der Erdgaspipeline Nord Stream 1 entstanden ist.

Gegner führen unter anderem ins Feld, dass inzwischen gar kein Bedarf mehr an weiteren LNG-Terminals bestünde. Neben Deutschlands eigenen Terminals gibt es auch in anderen europäischen Ländern bestehende und neue Terminals, die über Rohrverbindungen zuliefern könnten. Die Bundesregierung hält das Terminal in Rügen aber trotzdem weiterhin für nötig, um im Falle eines Engpasses die Gasversorgung sichern zu können. Betreiber des privatwirtschaftlichen Terminals soll die Deutsche ReGas werden.

Die Pläne für Rügen wurden bereits einer größeren Änderung unterzogen. Anfangs waren Anlandepunkte auf offener See in Sichtweite des Küstenortes Sellin im Osten der Insel im Gespräch. Die Pläne sahen sogar vier schwimmende Terminals mit einer Importkapazität von 38 Milliarden Kubikmeter Gas vor. Inzwischen ist das Vorhaben auf zwei Terminals mit insgesamt 10 Milliarden Kubikmeter Gas geschrumpft. Die Hoffnung, dass ein nördlicherer Standort die Proteste abebben lässt, hat sich indessen nicht bewahrheitet.

Der Standort Rügen empfiehlt sich aufgrund der bei einem Sabotageakt zerstörten deutsch-russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2. Diese landen im nahegelegenen Lubmin an. Entsprechend besteht dort auch ein guter Anschluss an das nationale Ferngasnetz, der jetzt auch für die Terminals auf Rügen verwendet werden könnte. Dazu soll eine knapp 40 Kilometer lange Anschlussleitung verlegt werden. Die nahegelegenen Ortschaften und weitere Interessenverbände kündigten an, Klagen gegen das Vorhaben zu einzureichen.

(mki)