Linux-Kernel: Nur noch zwei Jahre Unterstützung

Der Aufwand zur Pflege des Linux-Kernels steigt. Mit der aktuellen Besetzung können die Entwickler dem LTS-Kernel bald nur noch zwei Jahre Backports bieten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 248 Kommentare lesen
Folie der Linux Foundation zu Pfelgeaufwand beim Kernel

(Bild: Screenshot / Linux Foundation)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • David Wolski

Zum Open Source Summit Europe 2023 in Bilbao, Spanien, präsentierte Jonathan Corbet, Chefredakteur bei LWN.net, wieder einen Überblick zur laufenden und zukünftigen Kernel-Entwicklung. Ein bestimmendes Thema sind die anhaltenden Herausforderungen bei der Pflege von Kernelausgaben mit Langzeitsupport, den LTS-Kernelversionen.

Derzeit bekommen sechs Versionen Unterstützung in Form von Sicherheitspatches und ausgewählten Bugfixes: Kernel 6.1, 5.15, 5.10, 5.4, 4.19 und sogar noch 4.14. Letzterer noch bis Januar 2024. Der Aufwand dahinter steht dabei laut Corbet jedoch in keiner Relation mehr zu den tatsächlichen Anwenderzahlen. Nach den Erfahrungen aus der Industrie und mit Enterprise-Distributionen gibt es schlicht zu wenig Einsatzzwecke für die richtig alten, bis zu sechs Jahre alten Kernels, um die Arbeit an Backports zu rechtfertigen, erklärte Corbet. Die Kernel-Entwickler wollen deshalb zu einem Unterstützungszeitraum von maximal zwei Jahren für LTS-Kernel zurückkehren. Denn die aktuell sechs Jahre sorgten für erheblichen Stress und Spannungen innerhalb der Linux-Entwicklergemeinschaft, so Corbet weiter.

Überraschend kommt diese Ankündigung nicht: Schon zum Kernel 6.1, welcher die jüngste Version mit LTS-Status ist, hieß es, es werde dafür nur mehr zwei Jahre Backports geben. Die Entscheidung, den Zeitraum noch mal auf vier Jahre auszudehnen, machte sich Greg Kroah-Hartman, der als Entwickler für LTS-Kernels zuständig ist, nicht leicht. Die Diskussion darüber auf der Kernel-Mailingliste lief deutlich länger, über mehrere Wochen, bis im Februar 2023 schließlich genug Unterstützung für die dann festgelegten vier Jahre zusammenkam.

Bei der Verkürzung der LTS-Zeiträume handelt es sich um eine Rückkehr zu einem Veröffentlichungsmodell von vor 2017. Die langen LTS-Phasen sollten ursprünglich die Linux-Entwicklung auf Embedded-Geräten vereinfachen und Android zugutekommen.

Nach den jetzt von Jonathan Corbet dargelegten Erkenntnissen der vergangenen Jahre ist eine so lange Pflege auch hinsichtlich der Kernel-Stabilität nicht praktikabel. Zudem werden die kommenden Rust-Ergänzungen sinnvolle Backports noch schwieriger machen. Und auch wenn die Zahl der Entwickler in jeder Kernel-Version mit rund 2000 Beitragenden stabil geblieben ist, machen viele eben nur gelegentlich mit und können sich nicht für einen LTS-Kernel verpflichten. Corbet spricht in diesem Zusammenhang gar von einer "Maintainership Crisis". Der kürzere LTS-Zeitraum ist nun eine erste Konsequenz daraus. Sie betrifft die derzeit als LTS-Versionen designierten Kernels bis zur Version 4.14 jedoch noch nicht.

(dmk)