Linux-Prominenz erklärt der Industrie Kernel und Open-Source

Unter anderem Andrew Morton, Alan Cox und Greg Kroah-Hartmann erklärten gestern den Teilnehmern einer OSADL-Konferenz, wie Open-Source- und Linux-Entwicklung funktioniert; dabei gingen sie speziell auf die Belange von Firmen im Industrieumfeld ein.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Auf der gestern im Rahmen der Hannover Messe vom Open Source Automation Development Lab (OSADL) abgehaltenen Konferenz "Open Source meets Industry" gaben einige prominente Kernel-Entwickler einen Überblick über das Open-Source-Modell im Allgemeinen und Linux im Speziellen. Mit diesen beiden Themenfeldern Vertraute dürften dabei nichts bahnbrechend Neues erfahren haben – vielmehr präsentierten Andrew Morton, Alan Cox, Greg Kroah-Hartmann, Thomas Gleixner und einige andere Open-Source-Größen Informationen in einen passend auf die Besucher einer Industriemesse abgestimmten Format.

Andrew Morton etwa legte den zirka 150 Konferenzteilnehmern den Kernel-Entwicklungsprozess näher dar und erklärte dabei auch den Entwicklungszyklus oder das Zusammenspiel der verschiedenen Kernel-Zweige, Subsysteme und Entwickler. Dabei wiederholte Morton ein weiteres Mal, dass die Kernel-Entwickler mit der stetigen Weiterentwicklung des Linux-Kernels im Rahmen der 2.6-Serie sehr zufrieden seien und es daher auf absehbare Zeit keinen 2.7-Entwicklerzweig geben werde. Morton brachte zudem die Hoffnung zum Ausdruck, dass die noch junge Kernel-Serie linux-next ihm einiges an Arbeit abnimmt, da er seinen mm-Tree in Zukunft darauf aufbauen will. Morton betonte zudem die Wichtigkeit der Tester im Kernel-Entwicklungsprozess. Dieses würden Linux in tausenden verschiedenen Hard- und Software-Umgebungen testen; dadurch würden viel mehr Fehler gefunden als in abgeschotteten Umgebungen oder Test-Farmen, in denen Linux (teil-)automatisierten Tests unterzogen wird.

Nachdem es kürzlich Diskussionen auf der Linux-Kernel Mailing List (LKML) gab, wie viel Aufwand man von fehlerberichtenden Testern bei der Suche nach der Fehlerursache abverlangen darf, ging auch Morton auf das Thema ein. Er betonte, die bevorzugte Methode zum Einreichen von Fehlerberichten sei wie von jeher eine Mail an die für den jeweiligen Bereich zuständigen Entwickler und die relevante Mailingliste. Letzteres hob er besonders hervor, da dadurch viel mehr Entwickler oder andere Tester den Fehlerbericht sehen würden und so bei der Fehlereingrenzung und Korrektur helfen könnten; dass schaffe Fehler häufig schnell aus der Welt. Zwar gebe es auch ein Bug-Tracking mit Bugzilla, das sei allerdings eher für langwierige oder schwierig zu behebenden Bugs geeignet, damit die nicht vergessen werden – dass Letzteres gelegentlich passiert, gestand Morton durchaus ein. Er beschrieb zudem, dass sich die Kommunikation zwischen langjährigen Kernel-Entwicklern mit Testern oder neuen Linux-Entwicklern teilweise schwierig gestalte; wenig hilfreich schätzte er Fehlerberichte von Anwendenden ein, die einen vorkompilierten Kernel einsetzen und bei der Fehlereingrenzung nicht durch Testen von Patches oder Zwischenstufen im Entwicklungsprozess helfen können.

Greg Kroah-Hartmann berichtete über das von ihm betreute Linux Driver Projekt – zu dem hatte er kürzlich einen Statusbericht abgeliefert, dessen Informationen sich auch im Vortrag teilweise wiederfanden. Er betonte dabei aber noch mal die bereits beim Projektstart ausgegebenen Ziele wie die kostenlose Entwicklung von Open-Source-Kernel-Treibern. Dies Angebot richte sich auch an Hardware-Hersteller aus dem Industrieumfeld – da die Arbeit von Freiwilligen geleistet wird, könnte das Ganze aber länger dauern als bei einer Programmierung durch einen bezahlten Dienstleiter. Da die Kernel-Entwickler alle im Kernel enthaltenen Treiber bei den stetig vorgenommene Änderungen am Treiber-API gleich mitanpassen sei es zudem wichtig, dass Treiber Bestandteil des Kernels werden. In diesem Zusammenhang wies Kroah-Hartmann die Zuhörerschaft nochmal explizit darauf hin, dass die Kernel-Entwickler auch Treiber für Geräte integrieren, die nur wenige Anwender haben oder in Spezialgebieten zum Einsatz kommen – beides ist gerade im Industrieumfeld nicht selten der Fall.

Thomas Gleixner legte dar, welche Verbesserungen es im Kernel speziell für Industriekunden gegeben hat und welche noch in Arbeit sind. Hervorgehoben wurde dabei die im Rahmen des RT-Trees entwickelten Echtzeitfähigkeiten, an denen insbesondere die im Industrieumfeld agierenden Firmen Interesse zeigen. Zirka 75 bis 80 Prozent der Arbeit an den Echtzeit-Patches sei mittlerweile im offiziellen Kernel aufgenommen worden; Gleixner gab sich zuversichtlich, dass die restlichen Änderungen mit den nächsten zwei oder drei Kernel-Versionen in den von Torvalds gewarteten "offiziellen" Linux-Kernel einziehen werden.

Einen Überblick über rechtliche Fragen sowie die Rechte und Pflichten beim Einsatz von Open-Source-Software lieferte Till Jaeger. Bruce Perens und Alan Cox gaben in ihren Vorträgen einen allgemeinen Überblick über die Open-Source-Idee und ihre Entstehung. Perens betonte dabei, dass die Firmen durchaus ihre Entwicklungen, Software und Ideen, die sie von anderen Firmen unterscheiden, schützen sollten – bei Basistechniken, die viele Unternehmen bräuchten, bestünde aber schon fast die Pflicht, sie als Open-Source zu entwickeln oder offenzulegen, um das Rad nicht immer wieder neu zu erfinden.

Wie das genossenschaftlich organisierte OSADL beim Teilen der Entwicklungskosten hilft, beschrieb OSADL-Geschäftsführer Carsten Emde zum Abschluss der Veranstaltung. "Was einer nicht alleine schaffen kann, können viele schaffen", zitiert Emde das Genossenschaftsprinzip nach Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Die in Emdes Augen abgeschlossene Entwicklung der Realtime-Eigenschaften sah er als Projekte an, bei dessen Umsetzung das OSADL mitgewirkt hat; Zertifizierungsfragen seien das zweite große und von vielen Unternehmen im Industrieumfeld angegebene Problemfeld. An der Beseitigung dieser "zweiten große Hürde" arbeitet das OSADL; zudem gebe es noch zahlreiche andere kleinere Projekte, die das OSADL bereits erfolgreich abgeschlossen hat oder an denen gearbeitet wird. In Aussicht stellte Emde zudem einen EtherCAT Master für Linux – der Code sei für das als offener Standard propagierte Feldbus-Kommunikationssystem der Firma Beckhoff seit Kurzem fertig, es gebe nur noch einige Fragen bezüglich der Veröffentlichungsmodalitäten zu klären. (thl)