LinuxTag: Netzpolitiker wollen "faire Bedingungen" für Open Source

Es müsse darum gehen, faire Bedingungen für Open Source zu schaffen und keinen "Krieg" mit Microsoft herbeizuzitieren, waren sich Internetexperten mehrerer Fraktionen einig.

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Bundes- und Landespolitiker diskutierten auf dem LinuxTag. Von links: Markus Beckedahl (netzpolitik.org), Alexander Morlang (Piraten), Jimmy Schulz (FDP), Lars Klingbeil (SPD), Stefan Gelbhaar (Grüne).

Dem Gesetzgeber komme die Aufgabe zu, faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Open Source zu schaffen, waren sich Netzpolitiker mehrerer Fraktionen aus dem Bundestag und dem Berliner Abgeordnetenhaus am Mittwoch auf dem LinuxTag weitgehend einig. Es bringe nichts, einen "religiösen Krieg mit Microsoft herbeizuzitieren", erklärte Jimmy Schulz, Obmann der FDP-Fraktion in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestags, auf dem Kongress in Berlin. Hinter jeder Art von Software stehe ein Geschäftsmodell, "das für den Anbieter offenbar Sinn macht" und nicht gegen einen Konkurrenzansatz ausgespielt werden dürfe.

Trotzdem zeigte sich der Liberale erfreut, dass die Linux-Migration in seiner Heimatregion München "eine Erfolgsgeschichte ist" und die politisch gewollte Abkehr von Windows aufgegangen sei. Die Abgeordneten selbst dürften dagegen im Bundestag als Clients derzeit nur das Microsoft-Betriebssystem einsetzen, monierte der Bayer. Für sein Büro habe er daher ein eigenes internes Netz an Rechnern mit freier Software aufgebaut. Auch in der Partei in Bayern werde Open Source eingesetzt. Weitere Impulse für mehr Offenheit erhofft sich Schulz aus der Arbeitsgruppe zu Standards und Interoperabilität der Enquete-Kommission, die sich unter seiner Führung Anfang Juni konstituieren werde.

"In der Fraktion haben wir uns bewusst entschieden, so weit wie möglich auf Open Source zu setzen", berichtete Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Generell sei die Rolle des Staates als Nachfrager bei IT-Systemen nicht zu unterschätzen. Man könne eine Umrüstung hin zu Linux aber nicht erzwingen, sondern müsse Überzeugungsarbeit leisten. Er persönlich sehe bei freier Software große Vorteile für Vielfalt, Innovationsfreudigkeit und Sicherheit. "Die bessere Qualität wird sich durchsetzen", gab der Sozialdemokrat als Losung aus. Die Politik könne aber trotzdem zumindest Anreize schaffen.

Der Gesetzgeber müsse Richtlinien vorgeben, dass Hardware Open-Source-kompatibel ist und bestimmte Programme angeschafft werden, betonte Stefan Gelbhaar, Internetexperte der Grünen im Abgeordnetenhaus der Hauptstadt, die ihre Serverlandschaft 2010 auf freie Software umstellten. "Sonst sitzen wir in zehn Jahren wieder hier und gucken, was im Millimeterbereich passiert ist." Die Verwaltung sei nämlich sehr hartnäckig und verfalle immer wieder auf Windows zurück. In Berlin habe das Landesparlament daher einen Auflagenbeschluss für den Haushalt formuliert, der die Stoßrichtung hin zu freier Software eigentlich klar vorgebe.

"Man muss mit Druck arbeiten, um Ängste zu überwinden", sprach sich Alexander Morlang für eine stärkere steuernde Rolle der Politik aus. Sonst werde rasch auf Basis von Personalratsentscheidungen ein altes Windows mitgeliefert oder eine neue Microsoft-Lizenz gekauft, wusste der für die Piratenpartei im Abgeordnetenhaus sitzende Politiker. Die selbsternannten Freibeuter nutzten freie Software auf Landes- wie auf Bundesebene in der Netzwerktechnik, für Kalender, Liquid Feedback, Blogs und viele andere Anwendungen.

Morlang kam nicht daran vorbei, auf die kontrovers diskutierte Haltung der Piraten zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern einzugehen. "Das Urheberrecht ist mit den Grundrechten in keinem Sinne vergleichbar", wandte er sich dabei gegen die Rede vom "geistigen Eigentum". Man dürfe es nie auf den gleichen Rang stellen wie etwa die Meinungsfreiheit. Seine Partei habe zunächst an diesem Punkt mit einer "recht radikalen Position angefangen". Mittlerweile habe aber eine gemäßigte, "fast schon konservative Linie" eine Mehrheit gefunden. Andererseits räumte der Pirat ein, dass es mit einer Abschaffung des Copyrights auch das Copyleft nicht mehr gäbe, auf dem die GNU General Public License (GPL) beruhe.

"Wir hatten vor zehn Jahren mehr Hoffnungen", zeigte sich Markus Beckedahl, Sachverständiger in der Internet-Kommission des Bundestags, ernüchtert von der politischen Unterstützung für Open Source. Das Parlament etwa sei auf den Mailservern zu Windows zurückgegangen und damit teils "wieder aufs Fax angewiesen".

Der Netzpolitik-Blogger empfahl, freie Software zum Lerngegenstand in Schulen zu machen, um nicht mehr länger "Windows-Klicker in die Arbeitswelt hinauszuschicken". Deutschland dürfe zudem nicht länger Hinterland sein, "was die Förderung offener Bildungsressourcen anbelangt". Klingbeil schlug parallel vor, in Ausbildungsstätten "neutrale Tablets" anzuschaffen, um die Digitalisierung voranzutreiben und Kooperationen einzelner Hersteller mit Schulbuchverlagen zu umgehen.

Der CDU-Netzpolitiker Peter Tauber, der die Haltung der Union in die Debatte einbringen wollte, blieb der Veranstaltung fern.

[Update 24.5.2012, 15:45] Herr Tauber hat uns darauf hingewiesen, dass er seine Teilnahme wegen Terminproblemen kurzfristig absagen musste. In einer ersten Fassung der Meldung hatten wir geschrieben, dass er ohne Angabe von Gründen fehlte. (odi)