Lobbyisten-Streit für und wider Kopierschutztechniken

Seltsame Allianzen und unerwartete Kampagnen von diversen Industrie-Lobbyisten bringen anscheinend die aktuellen Diskussionen um Digital Rights Management und geistiges Eigentum hervor.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 208 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Seltsame Allianzen und unerwartete Kampagnen von diversen Industrie-Lobbyisten bringen anscheinend die aktuellen Diskussionen um Digital Rights Management und geistiges Eigentum hervor. Während die Musikindustrie und die Hollywood-Studios nicht müde werden, schärfere Gesetze gegen Kopien, seien es nun solche zum privaten Gebrauch oder kommerzielle Raubkopien, und bessere Kopierschutztechniken zu fordern, sind aus der Hightech-Industrie widerstreitende Töne zu hören. Einige Beobachter sehen durch Projekte wie Microsofts Palladium oder die Industrieinitiative TCPA nicht nur "sicheres Computing" kommen, sondern auch die Kontrollmöglichkeiten der Anwender über Soft- und Hardware schwinden. Gleichzeitig aber trommelt die Hightech-Industrie gegen zu scharfe Kopierschutz- und Copyright-Gesetze: Befürchtet sie doch, dass dies ihre eigenen Geschäfte gefährden könnte. Denn gerade Firmen wie Intel oder Microsoft sehen in bandbreitenhungrigen Multimedia-Anwendungen wie Musik oder Videos über das Internet die Chance, mit Dienstleistungen sowie entsprechender Soft- und Hardware die Bilanzen der Zukunft im schwarzen Bereich halten zu können.

So soll in Washington nun eine neue Lobby-Kampagne starten, mit der Gruppen wie das Computer Systems Policy Project (Mitglieder sind nur CEOs von US-Hightech-Firmen, darunter Michael Dell und Carly Fiorina) die US-Abgeordneten davon überzeugen wollen, dass zu strikte Copyright-Bestimmungen der Industrie Schaden zufügen und die Kunden nur verärgern. Überraschenderweise beteiligt sich auch die Business Software Alliance (BSA) an der Kampagne, berichtet die Tageszeitung San Jose Mercury News. Die BSA (Mitglieder sind unter anderem Adobe, Apple, Microsoft oder Intel) war bisher vor allem durch ihr Vorgehen gegen Software-Raubkopien und beständiges Klagen darüber aufgefallen, wie groß doch der Schaden sei, den illegale Software der Industrie zufüge.

Die neue Lobby-Kampagne der US-Hightechindustrie setzt darauf, einige Vorhaben wie etwa den Gesetzesvorschlag von Senator Ernest Hollings, der Kopierschutzmaßnahmen in jedem PC und den meisten Unterhaltungselektronikgeräten erforderte, verhindern zu können. Nach Ansicht der Zeitung dürfte dies in den Washingtoner Parlamentssälen inzwischen auf offene Ohren bei den Kongressmitgliedern stoßen. Und nachdem die Republikaner die Mehrheit im Senat gewonnen haben, wird der Demokrat Hollings seinen Vorsitz im einflussreichen Commerce Committee, das für Fragen des Copyrights und des geistigen Eigentums mit verantwortlich ist, an den Republikaner John McCain abgeben müssen, der sich als Kritiker Hollywoods und Gegner staatlicher Marktregulierungen profiliert hat.

Vertreter der Hightech-Industrie setzen allerdings auch darauf, sich mit der Musik- und Filmindustrie einigen zu können, ohne dass neue Gesetze notwendig werden. Lösungen, die Kunden nicht durch zu strikte Nutzungskontrollen abschrecken und die Möglichkeit zu solchen "fair use"-Anwendungen wie privaten Kopien lassen, während sie gleichzeitig den Inhaltslieferanten dauerhafte Umsätze garantieren, sollen die Interessen beider Seiten befriedigen. "Wenn wir einige dieser Probleme mit den Inhalten lösen können, werden wir den Umsatz für uns alle ankurbeln können", meinte Michael Boland vom US-Telecomriesen Verizon. "Wir alle brauchen das."

Zur aktuellen Auseinandersetzung um geistiges Eigentum, Digital Rights Management und "Trusted Computing" siehe auch: (jk)