Luftraum über Europa wird eine große Mobilfunkzone

Die EU-Kommission hat Bestimmungen für den Betrieb von Mobilfunkdiensten an Bord von Flugzeugen in der Europäischen Gemeinschaft erlassen. Ziel sei der Aufbau eines "ersten echten europaweiten Telekommunikationsdienstes".

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Großraumflugzeuge von Emirates sind bereits mit Satellitentelefonie-Technik (Classic Satcom) ausgestattet, über die jetzt auch "normale“ Mobiltelefongespräche abgewickelt werden.

Nachdem Fluggesellschaften und Gesetzgeber (beispielsweise in Deutschland) bereits Nägel mit Köpfen gemacht haben, zieht die Europäische Kommission in Sachen Nutzung privater Mobiltelefone an Bord von Flugzeugen nach: Am heutigen Montag veröffentlichte die Brüsseler Behörde ein Grundlagenpapier (PDF-Datei) zur Harmonisierung von "Frequenznutzungsbedingungen für den Betrieb von Mobilfunkdiensten an Bord von Flugzeugen (Mobile Communication Services on Aircraft, MCA) in der Europäischen Gemeinschaft". Ziel der Maßnahme sei die Schaffung einheitlicher rechtlicher Grundlagen für den Aufbau eines "ersten echten europaweiten Telekommunikationsdienstes", heißt es bei der EU-Kommission.

So sollen etwa in Frankreich oder Spanien registrierte Luftfahrtunternehmen ihren Fluggästen künftig Mobilfunkdienste auch beim Überfliegen anderer Länder anbieten können, ohne dass dafür zusätzliche Genehmigungsverfahren erforderlich sind. Deutschland hatte bereits Anfang März mit einer Änderung der Luftfahrzeug-Elektronik-Betriebs-Verordnung (LuftEBV, PDF-Datei) die rechtlichen Bedingungen dafür geschaffen, dass Fluggesellschaften Mobiltelefondienste anbieten können, wenn sie sich im deutschen Luftraum befinden. Zwar bleibt der Betrieb von Mobiltelefonen in Flugzeugen weiterhin grundsätzlich verboten, in der LuftEBV sind aber Ausnahmen verankert, die greifen, wenn Fluggesellschaften dafür die technischen Voraussetzungen schaffen.

Dazu gehört nach den neuen EU-Bestimmungen unter anderem, dass im Flugzeug eine kleine Basisstation (Aircraft Base Transceiver Station, Pico-Zelle) eingebaut sein muss, über die sämtliche Sprach- und Datenverbindungen der Passagiere abgewickelt werden. Auch muss das Flugzeug mit einer Network Control Unit (NCU) ausgestattet sein, die sicher stellt, dass von Mobilfunksystemen am Boden ausgehende Signale innerhalb der Flugzeugkabine nicht empfangen werden können. Die EU-Regularien begrenzen die kommerzielle Nutzung von MCA-Diensten zunächst auf GSM-1800-Systeme (1710 – 1785 MHz Uplink, 1805 – 1880 MHz Downlink). Künftig könnten aber weitere öffentliche terrestrische Mobilfunksysteme in Frage kommen, die nach anderen Normen oder in anderen Frequenzbändern arbeiten, hält die EU-Kommission fest.

Genau festgelegt sind in den EU-Bestimmungen die maximal erlaubten Abstrahlungen (Effektive isotrope Strahlungsleistung, EIRP) von Flugzeug-Basisstationen bei verschiedenen Flughöhen. Nicht reguliert werden die Verbindungen vom Flugzeug zu einem Kommunikationssatelliten (der MCA-Anbieter OnAir nutzt dazu beispielsweise den Satellitenkommunikationsdienst SwiftBroadband von Inmarsat) und weiter zum Boden. Spielraum haben die Mitgliedsstaaten zudem bei der Bestimmung einer Mindesthöhe, ab welcher der Betrieb von MCA-Diensten in ihrem Luftraum erlaubt ist. Als Richtlinie gelten derzeit 3000 Meter, die Länder könnten aber eine größere Mindesthöhe für den MCA-Betrieb festlegen, wenn dies durch topografische Gegebenheiten oder die Netzausbaubedingungen am Boden in ihrem Staatsgebiet gerechtfertigt ist, so die EU-Kommission.

"Europaweite Telekommunikationsdienste wie der Mobilfunk in Flugzeugen bedürfen eines einheitlichen Rechtsrahmens in ganz Europa. Deshalb ist die Kommission heute tätig geworden. Die Bereitstellung dieses neuen Dienstes erforderte eine Entscheidung für den gesamten europäischen Luftraum", erklärte Viviane Reding, die für Telekommunikation zuständige EU-Kommissarin. Reding forderte die Betreiber auf, für eine transparente und innovative Preisgestaltung zu sorgen. Der Erfolg der MCA-Dienste hänge davon ab, "dass den Verbrauchern keine überhöhten Preise in Rechnung gestellt werden". Außerdem appellierte die Kommissarin an die Luftfahrtunternehmen und Telecom-Anbieter, an Bord der Flugzeuge "für angemessene Bedingungen zu sorgen, damit durch die Nutzung von Mobilfunkdiensten andere Fluggäste nicht gestört werden".

Die französische Fluggesellschaft Air France testet den MCA-Dienst von OnAir, der im Sommer 2006 die Zulassung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) erhalten hatte, bereits seit Dezember vergangenen Jahres an Bord einer Maschine vom Typ Airbus A318. Wurde die Nutzung zunächst auf das Versenden und Empfangen von SMS und MMS beschränkt, können Flugpassagiere seit letzter Woche auch Sprachtelefonate mit dem eigenen Handy durchführen. Die arabische Fluggesellschaft Emirates Airlines bietet ebenfalls seit kurzem die Möglichkeit, Mobiltelefongespräche an Bord von Maschinen zu führen, die mit Technik des britischen MCA-Anbieters AeroMobile ausgestattet sind. Auch beim AeroMobile-System werden die Flugzeugkabinen in Pico-Zellen umfunktioniert, was dafür sorgt, dass Handys nur mit etwa einem Tausendstel der auf der Erde üblichen Leistung funken.

Lufthansa hingegen verdeutlichte am heutigen Montag erneut, dass man dem Thema zurückhaltend gegenüber stehe. Eine Umfrage unter Passagieren habe ergeben, dass sich viele von telefonierenden Mitreisenden an Bord gestört fühlten. Daher habe die Lufthansa weder einen Termin noch konkrete Pläne für eine Einführung von MCA-Diensten. Das Unternehmen hofft vielmehr darauf, bald wieder schnelle Internetverbindungen auf Langstreckenflügen anbieten zu können. Lufthansa war einer der ersten Kunden des satellitengestützten Internetdienstes Connexion by Boeing, den der US-Flugzeugbauer jedoch Ende 2006 aus Kostengründen wieder einstellte. Der Dienst ermöglichte Datendurchsätze von mindestens 5 MBit/s. (pmz)