Machtpoker in Brüssel um Bankdaten-Transfer in die USA

Im EU-Parlament häufen sich die Stimmen, die eine Verschiebung des Inkraftretens des SWIFT-Abkommens und die Einholung eines juristischen Gutachtens fordern, während der EU-Rat weiter zur Eile drängt.

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In Brüssel geht der Machtkampf zwischen den EU-Institutionen um die transatlantische Vereinbarung zur Weitergabe von Bankdaten weiter. So häufen sich im EU-Parlament die Stimmen, die eine Verschiebung des Inkrafttretens des Abkommens zur Auswertung der Überweisungsinformationen des Finanznetzwerks SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) fordern. "Das ist unsere zentrale Forderung", erklärte Jan Philipp Albrecht, Innen- und Rechtspolitiker der Grünen, gegenüber heise online. Parlamentspräsident Jerzy Buzek habe einen entsprechenden Appell bereits dem Gremium der Regierungsvertreter übermittelt.

Darüber hinaus will Albrecht auf eine inhaltliche Prüfung des Vertragstexts durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) drängen: "Der Innenausschuss könnte die Anfertigung eines entsprechenden Gutachtens prüfen." In diesem Zusammenhang wäre es auch möglich, die auch bei der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten entscheidende Frage zu klären, inwieweit eine verdachtsunabhängige Aufbewahrung personenbezogener Informationen im großen Stil überhaupt mit den verbrieften Grundrechten in der EU vereinbar ist. Sollte sich der Rat gegen ein späteres Inkrafttreten des Abkommens stemmen, sollten die Abgeordneten Albrecht zufolge eine Klage vor dem EuGH in Betracht ziehen. Die dafür zuständigen Fraktionsvorsitzenden hätten sich in dieser Angelegenheit schon beratschlagt, aber noch keine Entscheidung getroffen.

Die im November vom Rat beschlossene Vereinbarung soll am 1. Februar rechtsgültig werden. Es war zunächst geplant, dass das Parlament kurz zuvor darüber abstimmt. Unter anderem aufgrund der verlängerten Prüfung der Mitglieder der neuen EU-Kommission ist eine dafür nötige Sonder-Plenarsitzung in der kommenden Woche aber abgesetzt worden. Die Volksvertreter können daher frühestens am 9. oder 10. Februar ihr Votum abgeben. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Vertrag aber bereits in Kraft, was das Parlament als Affront wertet. Der Rat müsste für die geforderte Verschiebung andererseits die völkerrechtliche Vereinbarung im Einklang mit den USA hinauszögern, die davon nichts wissen möchten. Zudem will SWIFT Anfang Februar mit Verspätung die neuen Server in der Schweiz und den Niederlanden in Betrieb nehmen, mit denen der vergleichsweise einfache Zugriff Washingtons auf die internationalen Überweisungsinformationen ein Ende hätte.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière warb in diesem Sinne auf dem informellen Treffen der Innen- und Justizminister der EU mit der US-amerikanische Heimatschutzministerin Janet Napolitano im spanischen Toledo am gestrigen Donnerstag für das Interimsabkommen. Europa muss seiner Ansicht nach mit den USA als "vertrauensbildende Maßnahme im Interesse der Flugsicherheit Informationen austauschen". Parallel schlug der CDU-Politiker vor, dass beide Seiten auch ein besseres Datenschutzabkommen aushandeln: "Wenn wir dann zu einem guten Ergebnis kommen, ist das auch eine Geste der Amerikaner der europäischen Datenschutzkultur gegenüber."

Die Abneigung vieler EU-Abgeordneten gegenüber dem gesamten Verfahren und den Inhalten des Vertrags wächst unterdessen ständig. Bei der jüngsten Plenardebatte dazu am Mittwoch war viel Kritik zu hören im Stile eines "einfach unzulässigen Vorgangs" über das vorgelegte "Affentempo" bis zu "wirklich beschämend". Der Vizefraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Othmar Karas, und sein CSU-Kollege Manfred Weber halten die Wahrscheinlichkeit für groß, dass das Parlament das Abkommen ablehnt. Die Innenminister sollten sich ihrer Ansicht nach besser darauf konzentrieren, ihre Behörden stärker untereinander zu vernetzen. Ähnlich äußerten sich Fraktionschefs der Sozialisten und der Liberalen. Grüne und Linke lehnen die Übereinkunft generell ab.

Sollte sich im Parlament keine Mehrheit für das Abkommen finden, muss die EU die USA darüber in Kenntnis setzen, dass es wieder außer Kraft tritt. Dann dauert es laut Vertragstext 40 Tage, bis es endgültig eingestellt wird. Gleichzeitig werden sich Regierungen und Abgeordnete bei den Verhandlungen um das angestrebte dauerhafte Abkommen stärker bemühen müssen, den Anforderungen des Parlaments gerecht zu werden. (pmz)