Machine Learning: Forscher können suizidgefährdete Waffenkäufer vorhersagen
Mithilfe eines Algorithmus kann weitgehend vorhergesagt werden, ob ein Handwaffenkäufer innerhalb eines Jahres Suizid begehen wird.
Ein US-Forscherteam des Violence Prevention Research Program (VPRP) an der University of California hat in einer Studie nachgewiesen, dass mithilfe maschinellen Lernens identifiziert werden kann, welche Käufer von Handfeuerwaffen eine Suizidabsicht hegen. Demnach könne ein Selbstmordrisiko anhand individueller sowie gemeinsamer Merkmale erkannt werden.
Bereits frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass kurz nach dem Erwerb einer Handfeuerwaffe in den USA das Suizidrisiko besonders erhöht ist, heißt es in der Studie "Machine Learning Analysis of Handgun Transactions to Predict Firearm Suicide Risk", die in Jama Network Open publiziert wurde. Die Forscherinnen und Forscher schlossen daraus, dass bereits der Kauf ein Indikator für ein erhöhtes Selbstmordrisiko sein kann.
Das Wissenschaftsteam untersuchte dazu einen Datensatz von knapp 5 Millionen Schusswaffenkäufen, die aus der Datenbank California Dealer Record of Sale zur Verfügung standen. Die Datensätze aus der Zeit zwischen 1996 und 2015 umfassten fast 2 Millionen Menschen. Zusätzlich brachten die Forscher diese Daten mit denen aus kalifornischen Sterberegistern zwischen 1996 und 2016 in Verbindung.
Zusammenhang zwischen Waffenkauf und Suizid
Dem Forscherteam gelang es, aus den Verkaufsdaten 41 Prädiktorvariablen zu ermitteln, die eine Prognose über eine Suizidgefahr von Waffenkäufern ermöglichen. Unter den Vorhersagevariablen befinden sich beispielsweise die Handfeuerwaffenkategorie (etwa Revolver oder halbautomatische Pistole), Kalibergröße, Preis, Kauf-Ort der Waffe (Nähe zum Wohnort des Käufers), frühere Waffenkäufe, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Alter.
Auf den Kaufdatensatz wendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Random-Forest-Klassifikationsalgorithmus an, um so Voraussagen über Selbstmorde mit Schusswaffen innerhalb eines Jahres treffen zu können. Die Untersuchungen ergaben, dass von den fünf Prozent der Verkäufe, die vom Algorithmus als besonders riskant eingestuft worden waren, 40 Prozent im Zusammenhang mit einem Käufer standen, der sich innerhalb eines Jahres selbst mit einer Schusswaffe tötete. Lag die Vorhersagewahrscheinlichkeit bei 0,95 und höher, begangen 69 Prozent von diesen Käufern innerhalb eines Jahres mit einer Schusswaffe Suizid.
Hannah S. Laqueur, Assistenzprofessorin und Hauptautorin der Studie, sieht einen eindeutigen und starken Zusammenhang zwischen dem Besitz und Erweb von Schusswaffen und dem Selbstmordrisiko durch solche Waffen. Die Studie belege, dass computergestützte Methoden Hochrisikogruppen identifizieren und bei "der Entwicklung gezielter Interventionen helfen können". So könnten mit den Vorhersagen möglicherweise Selbstmordgefährdete erkannt, ermittelt und vor dem Suizid per Prävention gerettet werden.
Das Wissenschaftsteam räumt jedoch ein, dass es keine hundertprozentige Vorhersagemöglichkeit gibt. So haben auch solche Menschen Selbstmord begangen, deren Risiko der Algorithmus als "gering" eingeschätzt habe, so Laqueur. Hier müssten andere Formen gefunden werden, um diesen Menschen präventiv helfen zu können. Die Forscherinnen und Forscher sehen ihre Studie deshalb auch eher als einen Konzeptnachweis an.
2020 starben rund 48.000 US-Amerikaner durch Selbstmord, ergab eine Untersuchung des Centers for Desease Control and Prevention. Mehr als die Hälfte davon waren Suizide mit Handfeuerwaffen.
Hinweis: Betroffene finden in Deutschland bei Problemen und Suizidgedanken bei der telefonseelsorge.de und telefonisch unter 0800 1110111 Hilfe. In der Schweiz (für Jugendliche und Kinder) und in Österreich stehen ebenfalls kostenfreie Hilfsangebote bereit.
(olb)