Massenkämpfe im Netz

Die gewalttätigen Konflikte in Israel spitzen sich auch im Cyberspace zu.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 74 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Wie immer, wenn es um den Cyber- oder Infowar geht, kursieren viele Ăśbertreibungen. Das ist auch jetzt wieder im Fall der Angriffe auf die jeweils gegnerischen Websites von pro-israelischen und pro-arabischen Internetbenutzern der Fall. Neu freilich ist, dass die Versuche, die Websites des Gegners durch DoS-Angriffe lahmzulegen, nicht von einzelnen ausgehen, sondern eine Angelegenheit von vielen Menschen geworden sind.

Wie die libanesische Hisbollah kürzlich meldete, sei ihr Webserver Anfang Oktober, nachdem drei israelische Soldaten von der Extremistenorganisation gefangen genommen worden sind, unter massiven Datenbeschuss geraten. Im Gegenzug werden derzeit verschiedene Webseiten der israelischen Regierung mit Denial-of-Service-Angriffen (DoS) attackiert. Gilad Rabinovich, Geschäftsführer von NetVision und Provider für Regierungsseiten behauptet, die Angriffe bis zu Universitätsservern in Europa und den USA zurückverfolgen zu können, vermutet aber Verbindungen zu "arabischen Terroristen". Es sei der "erste volle Krieg im Cyberspace" und der erste "Brain War". Die Washington Post spricht schon "Cybersoldaten", die von den USA aus gegen Israel vorgehen würden.

Angegriffen und teilweise außer Funktion gesetzt wurden die Webseiten des Außenministeriums, des Ministerpräsidenten, des Presseamtes und des Sprechers der Streitkräfte IDF. Während die Website des Außenministeriums noch immer nicht am Netz ist, wird die Website von IDF angeblich zeitweise vom Netz genommen, um die Angriffe ins Leere laufen zu lassen. Überdies hat man AT&T als "zusätzlichen" Provider genommen. Die Website war bei der Abfassung dieses Artikels jedenfalls mehrmals ohne Probleme aufzurufen. Die Website der Knesset soll hingegen gecrackt worden sein und ist nicht erreichbar.

Der Knesset-Abgeordnete Michael Eitan, Leiter des Unterausschusses für das Internet, forderte inzwischen eine sofortige Beendigung des Cyberwar zwischen pro-israelischen und pro-arabischen Hackern, wie die Jerusalem Post berichtete. Sowohl die Websites der israelischen Regierung als auch die der Hisbollah seien seit dem Beginn der Gewalttätigkeiten den Angriffen von Tausenden nationalistischer Internetbenutzer ausgesetzt gewesen. "Das Internet sollte nicht als Waffe, sondern als internationales Informationsmedium benutzt werden", sagte Eitan. Ähnlich wie auch die Hisbollah meint Eitan, dass diese Angriffe unterbunden werden sollten: "Ich glaube, wir sollten die internationale Gemeinschaft von der Notwendigkeit überzeugen, eine Organisation einzurichten, die nach strengen Gesetzen handelt und sie durchsetzt, um solche Angriffe zu beenden."

Die Gegenseite denkt freilich nicht an einen Waffenstillstand im Cyberspace, sondern feiert, dass "arabische Internetnutzer auf der ganzen Welt in einem Gegenangriff auf die Versuche, die Hisbollah-Seiten auszuschalten, zwei große israelische Websites am Mittwoch lahm legen konnten." Offenbar wurde ein Zeitungsartikel, der am Mittwoch im libanesischen Daily Star erschienen war und berichtet hatte, dass und wie die Hisbollah-Seite nach Auskunft des Webmasters Ali Ayoub vornehmlich durch Aktionen von der am 6. Oktober eingerichteten Website www.wizel.com lahmgelegt wurde, eifrig über E-Mail weitergereicht. Wizel.com wurde in Israel registriert, der Provider ist in den USA. Der Zugang zur Website ist mittlerweile "verboten", was für die Wahrheit des Berichts im Daily Star über einen erfolgreichen Gegenangriff sprechen könnte.

Die Webseite hatte die Möglichkeit angeboten, durch ein Programm, das immer wieder die URL einer Webseite aufruft, diese unzugänglich zu machen oder lahmlegen zu können, wenn dies genügend viele Menschen mit ihren Browsern machen. Von pro-arabischer Seite wurden daraufhin zwei Seiten eröffnet, von denen aus die "Freunde und Sympathisanten" Gegenangriffe ausführen können. "Defend the Resistance" beim Provider Tripod ist aber seit gestern wieder vom Netz; die andere Seite, etwa www.ummah.net/unity/defend, die in Großbritannien registriert wurde, ist aber auch seit heute nicht mehr erreichbar. Hatte man auf das dort angebotene Programm geklickt, so wurden bestimmte israelische Websites aufgerufen (www.israel.org, www.idf.il und www.wizel.com oder die Website der Regierung, der Bank von Israel und der Börse in Tel Aviv).

Möglicherweise aber gingen die Araber noch anders vor. Zumindest schrieb der Daily Star gestern, dass nach beteiligten Programmierern der Gegenangriff "professioneller" und "destruktiver" als der Angriff von der pro-israelischen Website durchgeführt worden sei. Die Israelis hätten nur die Websites mit Aufrufen überladen, die libanesischen Sympathisanten wollen aber ein Sicherheitsloch entdeckt haben, aufgrund dessen sie eindringen und alle Daten zerstören konnten. Nachdem dann auch Websites des israelischen Staates lahmgelegt wurden, versprach laut Daily Star ein "Wahid", der verantwortlich für den Hack der Knesset-Website sein soll, dass man sich jetzt nach und nach jede israelische Website vornehmen wolle.

Wie die Jerusalem Post heute meldet, hätten israelische Hacker inzwischen wieder mit Gegenangriffen auf Hisbollah-Seiten begonnen. Und es würden E-Mails zirkulieren, in denen die Empfänger aufgefordert werden, die Hisbollah-Seiten mit Emails und Aufrufen zu überfluten.

Mehr in Telepolis: Intifada im Cyberspace. (fr)