Medienordnung auf dem Bierdeckel

Nach dem Vorbild des neuen Jugendmedienschutzes, der alte und neue Medien unter einen Hut bringen will, soll nun im nächsten Schritt der Datenschutz für alle Telemedien geregelt werden.

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Von
  • Monika Ermert

Sind herkömmliche und digitale Medien sowie Telekommunikationsdienste regulatorisch und juristisch unter einen Hut zu bringen? Mit dem katastrophalen Wirrwarr bei der Abgrenzung zwischen dem Medien- und dem Teledienstegesetz muss es jedenfalls ein Ende haben, am besten durch die komplette Abschaffung des Mediendienstestaatsvertrages: Darüber waren sich Juristen bei der turnusmäßigen Tagung von Alcatel Stiftung, Institut für europäisches Medienrecht (EMR) , Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK) und Landeszentrale für Politische Bildung in Stuttgart einig. Der Kasseler Jurist Georg Borges bezeichnet das Nebeneinander als "gesetzgeberische Peinlichkeit", die es zu beseitigen gelte -- Vertreter aus Politik und Ministerien nickten eifrig. Nach dem Vorbild des neuen Jugendmedienschutzes, der alte und neue Medien unter einen Hut bringen will, soll nun im nächsten Schritt der Datenschutz für alle Telemedien geregelt werden.

Rezzo Schlauch, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, kündigte an, dass man nach der Sommerpause einen Entwurf für ein "Telemedien-Datenschutzgesetz" in Angriff nehmen werde. Seit den Absprachen zwischen Bund und Ländern zur einheitlichen Regelung von Jugendschutz und Datenschutz im Medienbereich gibt es Pläne für ein EMDSG (Datenschutzgesetz für die Elektronischen Medien). Schlauch sagte, dass man den Rundfunk jedoch anders als ursprünglich aus diesem einheitlichen, alle Medien zusammenführenden Datenschutz ausklammern wolle.

Bundesdatenschützer Peter Schaar begrüßte ausdrücklich, "dass an der Baustelle EMDSG wieder gearbeitet wird". Während sich das "Phantom Mediendatenschutz" damit endlich materialisieren könne, sei er allerdings bei der weitergehenden generellen Modernisierung des Datenschutzes recht skeptisch. Beispiele wie Voice-over-IP verdeutlichten, dass auch der Datenschutz ebenso wie das Medienrecht an ihre Grenzen stießen. Für VoIP könnten konkurrierende Datenschutzbestimmungen aus dem Bereich Telekommunikation und Telemedien zum Tragen kommen.

Ein einzelnes Internetangebot wie etwa ein Reiseanbieter kann sehr leicht sowohl als Medien- als auch Teledienst gelten und über seinen E-Mail-Kontakt auch noch unter die Bestimmungen für Telekommunikationsanbieter fallen. Dann gelten sowohl die Datenschutzregeln im TKG als auch das TDDSG und zudem ganz normal das Bundesdatenschutzgesetz. Alexander Roßnagel, wissenschaftlicher Leiter des EMR, riet daher, statt eines EMDSG lieber sofort den großen Wurf für ein einheitliches Datenschutzrecht zu wagen. Damit würde auch vermieden, dass angesichts technischer Weiterentwicklungen schon bald wieder nachgerüstet werden muss. Langfristig, meinte Schlauch, will man genau dies erreichen, doch möchte man auf den Zwischenschritt nicht verzichten.

Selbst wenn die Datenschutzregeln zusammengefasst sind, bleibt dem Gesetzgeber der noch wesentlich größere Brocken der neuen Medienordnung. Denn auch hier, sagte Rossnagel, zeige sich, dass die aktuelle Ordnung für Innovationen hinderlich sei. Die Überlegung, ergänzte Schaar, müsse vor allem lauten, "wie eine Medienordnung aussehen kann, in der eine Nutzung neuer Medienfeatures wie etwa von Filesharing-Systemen auch möglich gemacht wird". Vor allem aber fordern die Experten einheitliche Standards statt regulatorischer Zersplitterung.

Hans-Joachim Otto, Medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, forderte denn auch "einen konsistentren Regelungsrahmen für alles, was Kommunikation ist", sowie eine neue schlankere Aufsichtsstruktur. "Es würde Aufschwung bringen, wenn wir uns einem FCC-Modell nähern würden", meint Otto unter Bezug auf die US-Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission. Doch bei solchen Vorschlägen nicken die Juristen nicht mehr und verweisen stattdessen aufs Verfassungsrecht: Das legt fest, dass Medienfragen auf Landesebene geregelt werden. Die Mehrzahl der Vorschläge für nationale Supraregulierungsorganisationen scheitern an dieser Trennung von Landes- und Bundesaufgaben.

Angesichts der vielen Fragen regte Rossnagel an, eine Expertenkommission einzurichten, um substantielle Vorschläge zur neuen Medienordnung zu machen. Denn eines scheint sicher: Die "Medienordnung auf dem Bierdeckel", vom Stiftungsgeschäftsführer Dieter Klumpp ins Spiel gebracht, ist soweit entfernt wie die Realisierung all der hochtrabenden Pläne für eine einfache Steuergesetzgebung. (Monika Ermert) (jk)