Medienstaatsvertrag: Länder wollen neue Plattform-Regeln stärker durchsetzen

Nachdem der Regulierungsstreit mit der EU-Kommission ausgestanden scheint, soll die Schonfrist bei der Umsetzung des Medienstaatsvertrags nun vorbei sein.

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Die Bundesländer sind guter Dinge, dass die EU-Kommission nicht mehr gegen den lange umstrittenen Medienstaatsvertrag und jüngste Satzungsprinzipien dazu vorgeht. Die Brüsseler Regierungsinstitution habe sich zuletzt nicht zurückgemeldet, erklärte Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), am Mittwoch auf einem Symposium des Gremiums zu einem "Stresstest" für das Normenwerk zur Plattform-Regulierung. Das habe man so interpretiert, dass sie sich "unserer Auffassung angeschlossen hat".

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte im Juli einen blauen Brief an die Bundesregierung geschickt. Darin kritisierte er den Medienstaatsvertrag (MStV) und einen Umsetzungsentwurf für einige Satzungen der Landesmedienanstalten scharf. Der Franzose sah in den Vorgaben für Online-Plattformen wie Suchmaschinen und Streaming- sowie Videoportale etwa einen Verstoß gegen die E-Commerce-Richtlinie und das damit verknüpfte Herkunftslandprinzip. Zudem beklagte er nationale Alleingänge angesichts des geplanten Digital Services Act (DSA).

Der Hamburgische Senator für Kultur und Medien, Carsten Brosda, teilte die Auffassung Kreißigs. Wenn eine nationale Leerstelle bleibe, könne die EU-Kommission europaweite Maßstäbe für Medien aufstellen, meinte der SPD-Politiker. "Wenn wir national sagen: Wir haben eine eigene Vorstellung von Qualitätsnormen" und Regeln, "sollte das Vorrang haben".

Die Länder haben mit dem MStV nach Brosdas Ansicht sowieso nur "erste vorsichtigen Schritte auf einem zugefrorenem See" der Plattform-Regulierung gemacht, "wo man noch nicht weiß, wie dick das Eis ist". Es gehe darum, das Vertrauen von Nutzern in die Funktionsweise digitaler Mittler etwa mit Vorgaben zu Transparenz und einem Diskriminierungsverbot journalistisch-redaktioneller Inhalte zu stärken. Generell müsse die Gesellschaft noch mehr darüber sprechen, "wie wir demokratische Kommunikation organisieren".

Obwohl es technisch viel einfacher geworden sei, Inhalte zu verbreiten, bildeten etwa soziale Medien bisher fast nur Echoräume ohne konstruktives Feedback. Vor allem mit den Transparenzkriterien hätten sich die Länder etwas Zeit gelassen, berichtete der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) Thorsten Schmiege. Seit Anfang des Jahres seien aber auch diese "scharf gestellt", nachdem es noch einen Dialog dazu mit den Anbietern gegeben habe. Der Nutzer solle damit verstehen können, nach welchen Maßgaben er ein Suchergebnis vorgesetzt bekommt.

Bei einer ersten Prüfrunde haben sich die Medienwächter bereits "Intermediäre" wie Google angeschaut, ließ Schmiege durchblicken. Demnach gebe es niemand, der nichts gemacht hätte. Aber auch keiner erfülle die Position der Länder bisher "zur vollsten Zufriedenheit".

Fast anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des MStV "werden wir jetzt auch tätig", um die Vorgaben durchzusetzen, kündigte der Kontrolleur an. Die nächsten Themen seien potenzielle Diskriminierungen und Empfehlungssysteme. Einzelne Anbieter hätten die Aufsichtsbehörden bereits auf "offensichtliche Dinge" verwiesen wie erklärende Dokumente, die nicht in deutscher Sprache verfügbar seien, brachte Eva-Maria Sommer, Direktorin der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), ein Beispiel. Ob Erläuterungen etwa "in Rosarot auf der linken Ecke" angezeigt würden, hänge dagegen vom jeweiligen Produkt ab. Mit dem Verfahren gegen die Kooperation des Bundesgesundheitsministeriums mit Google gebe es ferner den "ersten prominenten Fall". Weitere Beschwerden, "denen wir nachgegangen sind", hätten nicht jedes Mal zu einem Einschreiten geführt.

Transparenz sei "wesentlich auch für die Glaubwürdigkeit der Angebote, die wir an die Nutzer machen", ging Michael Neuber, der bei Google Deutschland für die Pflege der Beziehungen zur Regierung und Öffentlichkeit zuständig ist, mit den MStV-Zielen teils konform. "Wir haben viel umgebaut", erläuterte er.

Auf YouTube und in der allgemeinen Suche gebe es nun etwa einen Hinweis auf "how it works". Bei der Auslegung gewisser Kriterien gebe es aber noch Luft nach oben. So sei etwa unklar, was genau Benutzeroberflächen und "wesentliche Elemente" sein sollten. Die Regulierer müssten hier ein tieferes technisches Vorverständnis entwickeln. Bei Facebook gebe es etwa das Info-Panel, warum einem Nutzer ein Beitrag oder eine Werbung angezeigt werde, ergänzte die deutsche Lobby-Managerin des Mutterkonzerns Meta, Marie-Teresa Weber. In Blog-Posts informiere der US-Konzern auch regelmäßig darüber, "wenn es große Ranking-Entscheidungen gibt". Es sei aber fraglich, ob die Nutzer die vielen Angaben in den Hilfe- und Transparenz-Centern durchläsen.

Anders als beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz, wo mit der Ausleitungspflicht von Nutzerdaten eine rote Linie überschritten gewesen sei, habe Meta beim MStV "kein Interesse daran, Dinge vor Gericht auszutragen". Den "Beef" mit der Kommission gucke man sich aber weiter an.

Die Durchsetzung sei ein Marathon, konstatierte Claus Grewenig, Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL Deutschland. Derzeit seien die Regulierer "bei Kilometer 10". Bei 15 müssten sie sich dann eventuell fragen, ob sie schon mutig genug seien etwa auch beim Wettkampf um Plätze auf der Fernbedienung. Dann gelte es gegebenenfalls nachzujustieren. Lücken gebe es etwa – auch vonseiten der EU – bei Desinformation und Faktenchecks. Spannend werde es erst noch, wenn die Medienanstalten ihre Liste für journalistische Angebote mit öffentlichem Mehrwert ("Public Value") vorlegten, die Vermittler besser auffindbar machen müssten.

Grundsätzliche Kritik übte der Hamburger Medienrechtler Stephan Dreyer. Der Verweis auf gesellschaftliche Verantwortung findet sich ihm zufolge in immer mehr Gesetzesbegründungen. Dies sei riskant, da damit das Recht beliebig entgrenzt werden könne quasi "über die moralische Keule". Gerade über das Risikopotenzial sozialer Medien fehlten aber "empirische Evidenzen". Auf jeden Fall müssten den Aufsehern angesichts einer erhöhten Begründungs- und Prüfungslast mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

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