MeeGo für Tablets

Nokias Ankündigung, künftig Windows Phone 7 auf seinen Smartphones einzusetzen, führte zu Zweifeln an der Zukunft von MeeGo. Doch Intel will die Entwicklung fortsetzen – das zeigt die kürzlich veröffentlichte Vorabversion der Tablet-Variante des Systems.

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Von
  • Andrea Müller
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Seit Februar steht fest, dass Nokias Smartphones nicht mit MeeGo, sondern mit Windows Phone 7 ausgeliefert werden. Nachdem bereits kurz zuvor die Entwicklung der Netbook-Variante von MeeGo eingestellt worden war, kamen schnell Zweifel an der Zukunft des Projekts auf. MeeGo ist aus dem Zusammenschluss von Nokias Maemo-Plattform und Intels Mobil-Linux Moblin entstanden und wird mittlerweile unter dem Dach der Linux Foundation weiterentwickelt.

Eine neue Perspektive für MeeGo ist der Einsatz auf Tablets. Auf dem Intel Developer Forum Anfang April in Beijing, dessen beherrschendes Thema die neuen Atom-Prozessoren für Tablets und Netbooks waren, stand MeeGo gleichberechtigt neben Windows 7 und Android, wenn es um Atom-Tablets ging. Zudem hat das MeeGo-Projekt eine Vorabversion der MeeGo Tablet User Experience veröffentlicht. Sie beruht auf der aktuellen MeeGo-Entwicklerversion 1.2 und läuft derzeit nur auf dem ExoPC Slate des kanadischen Unternehmens ExoPC, einem Windows-7-Tablet mit dem Atom Pineview-M N450.

Das Gerät ist baugleich mit dem WeTab, sodass wir uns die Vorabversion der Tablet-Variante von MeeGo auf diesem Gerät ansehen konnten. Etwas knifflig ist die Installation, da man das WeTab dazu bringen muss, von einem USB-Stick mit dem MeeGo-Image zu booten. Über die dokumentierte Tastenkombination aus Power- und Schnellstart-Button gelang es uns nicht, ins Bootmenü zu wechseln. Wir haben daher den Umweg über den Bootmanager Plop gewählt, den man über den Link am Ende des Artikels findet.

Dazu muss man auf dem WeTab zunächst über die Software-Verwaltung die Root-Shell und den Texteditor Gedit installieren. Danach entpackt man das Zip-Archiv von Plop auf einen USB-Stick, verbindet ihn mit dem WeTab und kopiert die Datei plpbt.img in das Verzeichnis /boot/extlinux auf dem WeTab.

Damit das WeTab Plop in seinem Bootmenü anbietet, muss man noch die Datei /boot/extlinux/extlinux.conf anpassen, indem man die die Zeile menu hidden durch eine vorangestellte Raute auskommentiert und die Datei am Ende ergänzt:

label Plop
menu label ^plpbt
KERNEL memdisk
INITRD plpbt.img

Beim nächsten Start kann man durch kurzes Drücken des Schnellstart-Button links oben zum Plop-Eintrag wechseln und den Bootmanager durch langes Drücken starten. Dort wählt man dann den USB-Stick als Startmedium aus. Er bietet die Optionen, MeeGo als Live-System zu starten oder auf dem WeTab zu installieren.

Die Oberfläche der Tablet-Variante von MeeGo unterscheidet sich erheblich von der Netbook-Edition: Nebeneinander angeordnet erscheinen die Spalten „My Tablet“, Friends, Music, Photos und Video. Horizontales Wischen wechselt zwischen den Spalten, vertikales Wischen navigiert darin. In der linken Spalte findet man Programmstarter für die wichtigsten Anwendungen, darunter Web-Browser, Mail- und IM-Client sowie Audio- und Video-Player und hat Zugriff auf die Systemeinstellungen. Die restlichen Spalten sind beim ersten Start leer; später nimmt die zweite Statusmeldungen von Kontakten in sozialen Netzwerken auf, während die letzten drei Spalten die Fotos, Videos und Audio-Dateien enthalten, auf die zuletzt zugegriffen wurde.

In der Spalte Friends muss man sich bislang mit Nachrichten von Facebook und Bildern von SmugMug begnügen, weitere soziale Netze unterstützt das System noch nicht. Auch bei den unterstützten gibt es Ecken und Kanten, so scheiterte MeeGo sporadisch daran, die Facebook-Meldungen anzuzeigen, obwohl es den Nutzer als dort angemeldet auswies – das Problem ließ sich nur durch einen Neustart beheben.

Auch die mitgelieferten Anwendungen befinden sich noch in einem recht rudimentären Zustand: So kann man zwar schnell und unkompliziert Mail-Konten bei Gmail, AOL und Yahoo einrichten und auch eine manuelle Mail-Konfiguration ist möglich, doch Dateien an Mails anzuhängen ist nicht vorgesehen: Um ein Bild zu verschicken, muss man es in der Foto-Ansicht auswählen und über „Share“ an den Mailer weiterreichen. Das spartanische Chat-Programm erlaubt lediglich Unterhaltungen per Google Talk oder Jabber. Zurück zum Hauptbildschirm gelangt man jederzeit über den Schnellstart-Button – im Hauptbildschirm selbst öffnet ein Druck darauf einen Dialog mit Icons der wichtigsten Anwendungen sowie zum Öffnen der Liste aller Anwendungen.

Auch den Systemeinstellungen haben die Entwickler bislang nur wenige Optionen spendiert. So ist nur die Verbindung mit WLANs mit DHCP-Server möglich – der Betrieb mit statischer IP gelingt nur, wenn man das WLAN über die Kommandozeile einrichtet. Die Sprache des Systems lässt sich zwar auf deutsch umstellen, das hat jedoch keinerlei Einfluss auf das Tastaturlayout – hier muss man weiterhin mit der amerikanischen Belegung Vorlieb nehmen.

Gut und problemlos klappt dagegen die Hardware-Erkennung. Verbindet man einen USB-Stick oder eine Kamera im Massenspeichermodus mit dem WeTab, tauchen die Geräte umgehend in der Spalte „My Tablet“ auf. Auch eine Bluetooth- und eine USB-Tastatur erkannte das System problemlos. Die externe Tastatur benötigt man spätestens dann, wenn man sich auf die Kommandozeile begibt, da die Bildschirmtastatur im Terminal-Fenster nicht funktioniert.

Diese Fehler kann man einer frühen Vorabversion nicht vorwerfen – bietet sie doch einen guten Ausblick darauf, was man von der Tablet User Experience zu erwarten hat, wenn sie erst einmal fertig ist. Die Bedienung erschließt sich intuitiv und ist schon jetzt recht komfortabel. Leider zwingt einem das Spaltenlayout den Betrieb im Quermodus förmlich auf.

www.ct.de/1110038 (amu)