Mehr Beweglichkeit im Rundfunkspektrum

Mobilfunkbetreiber und Rundfunkveranstalter sollten bei der nächsten Generation von Funksystemen besser kooperieren, meint der Leiter des Technical Module im DVB-Konsortium.

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Von
  • Richard Sietmann

Die terrestrischen Rundfunknetze sind eine recht statische Angelegenheit; sie werden einmal geplant und anschließend kaum noch verändert. Doch nachdem immer mehr internetfähige Fernsehempfänger in den Haushalten stehen, verschiebt sich die Gewichtung der Übertragungswege immer mehr in Richtung auf die Breitbandnetze. Einen ersten Schritt, der Entwicklung Rechnung zu tragen, ist das DVB-Konsortium mit Hybrid broadband broadcast TV (HbbTV) gegangen, das ein ausgestrahltes Programm mit Zusatzinformationen des Veranstalters aus dem Web verlinkt oder umgekehrt ein laufendes Programm in die betrachtete Webseite einblendet.

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Reimers

(Bild: ifn.ing.tu-bs.de)

Auf der International Conference on Intelligence in Next Generation Networks (ICIN 2011) in Berlin rückte Professor Ulrich Reimers, Leiter des Instituts für Nachrichtentechnik (IfN) der TU Braunschweig und Technischer Leiter des DVB-Konsortiums, jetzt mit "Dynamic Broadcasting" den nächsten Schritt ins Blickfeld. Nach diesem Konzept würde sich die terrestrische Ausstrahlung auf das Massengeschäft gleichzeitig nachgefragter Sendungen beschränken und die weniger populären Programme – der "Long Tail" – über die Breitbandnetze verteilt.

"Die Mobilfunknetze werden mit Videos überschwemmt werden", sagte Reimers. Den Prognosen des Cisco Virtual Networking Index (VNI) zufolge entfielen bereits 2015 zwei Drittel des gesamten Verkehrs in den Mobilfunknetzen auf Videos. Bei dieser Entwicklung stoße der Mobilfunk an Grenzen, sowohl in Bezug auf seinen steigenden Energiebedarf und des "Carbon Footprint" in Gestalt der von ihm verursachten Kohlendioxidemissionen als auch schlicht hinsichtlich der Kapazität. "LTE ist wunderbar, LTE-Advanced sogar noch besser, aber beides sind Netze mit begrenzter Kapazität", meinte Reimers; "der Bedarf an zusätzlichem Spektrum wird steigen".

Deshalb plädierte Reimers für eine engere Kooperation von TV-Sendern und Netzbetreibern, die sich die Vorteile beider Systeme zunutze macht. Über eine Neuauflage von DVB-H zielt Dynamical Broadcasting jedoch weit hinaus. Im "beweglichen Rundfunk" könnten viel gefragte Programme teils schon auf den Festplatten bei den Konsumenten gespeichert werden, dynamische Programmführer könnten unterscheiden, welche Inhalte dort schon liegen und welche über welches Netz verfügbar sind, der Verbreitungsweg würde der Nachfrage entsprechend flexibel gewählt. Für den terrestrischen Digitalfunk bedeutet das, wie Reimers ausführte, "keine festen Multiplexe mehr", in denen bisher die einzelnen linear ausgestrahlten Programme bestimmten Sendekanälen zugeordnet sind. Durch die Flexibilisierung würde Spektrum frei, das – "angezeigt mit einer geeigneten Signalisierung" – einer sekundären Nutzung zugeführt werden könnte, etwa durch den Mobilfunk.

Technisch sei die Flexibilisierung durch mehr Intelligenz in den Verteilnetzen machbar, dies sei am IfN bereits nachgewiesen worden, erklärte Reimers in seiner Keynote auf der ICIN 2011; jetzt sei es "an der Zeit für ein neues Denken". (anw)