Mehr Covid-Infektionen in US-Gebieten ohne lokale Medien

Orte ohne Lokalmedien sind abgeschnitten von wichtiger Information und demokratischer Debatte. Das hat Folgen. Brasilien sieht einen leicht positiven Trend.

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Wandgemälde; Mann liest Zeitung mit Schlagzeile "Prosperity just around corner, says mayor"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Torge Löding
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Die USA und Brasilien haben besonders viele COVID-19-Opfer. In Brasilien sind bereits mehr als 230.000 Menschen nach einer Infektion gestoben, in den USA mehr als 460.000. Studien zu "Nachrichtenwüsten" in diesen beiden Ländern zeigen nun, dass sich dort mehr Coronavirus-Infektionen gibt, wo es keine lokalen Medien mehr gibt.

Da mag es eine gute Nachricht sein, dass sich Brasilien diese Nachrichtenwüsten im Vorjahresvergleich um 5,9 Prozent reduziert haben. Das meldet der Nachrichtenatlas [i]Atlas da Noticía[i] in seiner vierten Ausgabe. Der Atlas untersucht Lokaljournalismus in dem großen Flächenstaat.

Nachrichtenwüsten haben erhebliche Auswirkungen auf das Leben in den betroffenen Gemeinden; wo Redaktionen zusammengelegt werden und Zeitungen schließen, steht es schlecht um die "vierte Gewalt". Die Zahl jener Zeitungen, die zwar noch ihre alte Hülle tragen aber viele ihrer Inhalte aus anderen Redaktionen erhalten, nimmt zu. Berichterstattung findet dann nur noch regional statt und nicht mehr systematisch auf Statdteil-, Dorf- oder Straßenebene.

Weltweit ist der schwindende Werbeanteil lokaler Medien am Werbemarkt ein Treiber für das Mediensterben; im Gegenzug profitieren Reklamevermittler wie Google und Facebook. Auch Zeitschriftenverleger in Deutschland stellen sich in diesem Jahr auf niedrigere Umsätze und Erträge als vor der Corona-Pandemie ein. "2021 wird ein sehr anspruchsvolles Jahr. Erst für 2022 kann ich mir vorstellen, dass wir uns langsam wieder auf dem Niveau von 2019 bewegen könnten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), Stephan Scherzer, der Deutschen Presse-Agentur.

In Brasilien gibt es heute 3.280 Gemeinden ohne lokale Medien, also ohne Zeitung, Website, Blog, Radio- oder Fernsehsender. Vor einem Jahr registrierte die Studie noch 3.487 Nachrichtenwüsten. Viele der neuen Medien sind digital und sehr klein, mit nur ein oder zwei Journalisten vor Ort. Bei so kleinen Redaktionen sei es schwierig, wirklich zu Recherchieren und Informationen zu verifizieren.

Die Studienautoren weisen darauf hin, dass sie Angebote von Behörden, Kirchen oder Parteien nicht mitzählen. Zudem gäbe es vieles, was sie über die erfassten Angebote nicht wüssten; sicher sei, dass es schwierig ist, an abgelegen Orten wirklich unabhängigen Journalismus zu betreiben.

In den USA wird der Zusammenhang zwischen fehlenden Lokalmedien und der Pandemie in der Provinz diskutiert: "Wenn eine Person im Wald infiziert wird und niemand da ist, um darüber zu berichten, wurde sie dann überhaupt infiziert? Die Antwort lautet natürlich ja, aber da sich Covid-19 weiterhin in allen 72 Bezirken von Wisconsin ausbreitet, werden zunehmend Menschen in Gemeinden infiziert, in denen lokale journalistische Institutionen geschlossen oder ausgehöhlt wurden - Orte, die als Nachrichtenwüsten bekannt sind", schrieb der [i]Wisconsin Examiner[i] bereits im vergangenen Jahr.

Nachrichtenwüsten oder Gegenden mit nur einer oder keiner Lokalzeitung "tragen zur kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kluft innerhalb des Landes bei", so ein Bericht der University of North Carolina. Diejenigen, die in Nachrichtenwüsten leben, sind tendenziell älter, weniger gebildet und wirtschaftlich schwächer, und ihr mangelnder Zugang zu lokalen Nachrichten kann zu weniger politischem Engagement und Interesse an Wahlen führen.

Während einer Covid-Pandemie spielen Lokalnachrichten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der neuesten Sicherheitsinformationen. Zu Beginn der Pandemie konnte das Brookings Institute ermitteln, dass die Hälfte der Bezirke, die im April 2020 COVID-19-Fälle meldeten, Nachrichtenwüsten waren.

Auch wenn sich aus der Korrelation nicht auf die Ursache schließen lässt, drängt sich die Vermutung eines Zusammenhangs auf: Ohne Informationen aus Lokalnachrichten darüber, wie sich die Pandemie auf Gemeindeebene auswirkt und wie sich die Einwohner am besten schützen können, könnten die Menschen in den Nachrichtenwüsten anfälliger für die Ausbreitung des Virus sein.

Und auch in Brasilien ist die Kluft groß: Trotz des Positivtrends sind immer noch etwa 63 Prozent der brasilianischen Gemeinden Nachrichtenwüsten. Dabei handelt es sich um Kleinstädte mit einer mittleren Einwohnerzahl von 7100 Einwohnern. In ihnen leben insgesamt 37 Millionen Menschen, etwa 18 Prozent der brasilianischen Gesamtbevölkerung. von 211 Millionen.

(tol)