Mehrheit im Bundesrat gegen BKA-Gesetz formiert sich

Begleitet von erneuten Bedenken von Presseverbänden haben die Regierungen von Bayern, Hamburg und Sachsen-Anhalt beschlossen, der umkämpften Ausweitung der Befugnisse für das Bundeskriminalamt nicht zuzustimmen.

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Von
  • Stefan Krempl

Die Landesregierungen von Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Sachsen-Anhalt haben am heutigen Dienstag beschlossen, der umkämpften Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) am Freitag im Bundesrat nicht zuzustimmen. Zuvor hatten bereits Regierungsvertreter aller Länder, in denen die FDP, die Linken oder die Grünen mit an der Macht sind, sowie Sachsen und Rheinland-Pfalz mit Sozialdemokraten an der Spitze ihre Enthaltung angekündigt. Damit zeichnet sich eine breite Mehrheit im Bundesrat gegen das Vorhaben ab, das BKA mit weiten Präventivbefugnissen zur Terrorismusbekämpfung auszurüsten, wie vom Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte nach der Kabinettssitzung in München, es habe erneut keine Annäherung mit dem Koalitionspartner FDP gegeben. Die Liberalen halten das Gesetz für verfassungswidrig. Sie zwingen mit ihrem Nein die bayerische Staatsregierung zur Enthaltung in der Länderkammer, wie es der Koalitionsvertrag in solchen Streitfällen vorsieht. In Sachsen-Anhalt beschloss das CDU/SPD-Kabinett ebenfalls, nicht für den Gesetzesentwurf zu votieren. Dies teilte Staatsminister Rainer Robra (CDU) mit. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) hatte sich zuvor vor allem gegen den Plan des Bundesgesetzgebers ausgesprochen, heimliche Online-Durchsuchungen in Eilfällen ohne richterliche Genehmigung zuzulassen.

Auch der schwarz-grüne Senat in Hamburg entschied sich parallel dafür, sich aufgrund der Bedenken der Grünen im Bundesrat zu enthalten. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) bedauerte, dass die Politik damit ihrer "Verantwortung für die Menschen in unserem Lande" nicht gerecht werde. Er wolle daher auch künftig "das offene und sachliche Gespräch" mit dem Koalitionspartner und anderen Beteiligten suchen, "damit wir hier in Hamburg Befugnisse wie die Online-Durchsuchung für Polizei und Verfassungsschutz bekommen". Justizsenator Till Steffen (GAL) sieht derweil laut dpa auch im Fall der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Länderkammer kaum Chancen für eine Zustimmung der Grünen zum BKA-Gesetz. SPD-Politiker der Länder hätten bisher nur wenige Stellen herausgegriffen, an denen sie Korrekturen anbringen wollten. Es gebe aber eine "ganze Reihe" anderer Punkte, die mindestens genauso problematisch seien.

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, betonte ebenfalls, dass das immer wahrscheinlicher werdende Vermittlungsverfahren keine reine "Schönheitsoperation" darstellen dürfe: "Kosmetische Reparaturen beim BKA-Gesetz reichen nicht aus." Die Liste der gravierenden Mängel und verfassungsrechtlichen Bedenken beim BKA-Gesetz sei lang. Auch die SPD in den Ländern übersehe "entscheidende verfassungsrechtlich bedenkliche Punkte". So sei im BKA-Gesetz vorgesehen, dass der Einsatz des Bundestrojaners nur dann zu unterbleiben habe, wenn "allein" Daten aus dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben würden. Diese Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Sicherung der Intimsphäre ziehe sich durch das ganze Gesetz.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) appellierte zugleich an die Länderchefs, sich gegen die geplante Ausweitung der BKA-Befugnisse zu stemmen. Diese würde einen "Affront gegen die Presse" darstellen. Bei allem Verständnis für eine Verbesserung der Verbrechensbekämpfung seien die Zeitungsverleger sehr beunruhigt über ein Klima, in dem die Pressefreiheit offensichtlich nur noch eine untergeordnete Rolle spiele. Wenn Journalisten, die sich mit Kriminalitätsdelikten befassen, nicht mehr sicher sein könnten, ob ihre Computerfestplatten durchforstet werden, sei dies ein unhaltbarer Zustand. Es sei ermutigend, dass auf Seiten der Bundesländer die schädlichen Folgen des Gesetzes offensichtlich deutlich gravierender eingeschätzt würden als vom Bundestag. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Er sieht die Länder am Zuge, angesichts der drohenden Aushöhlung des Informantenschutzes und des Zeugnisverweigerungsrechts "das BKA-Gesetz endgültig zu stoppen". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte gestern noch betont, dass der Vorstoß keine echte Gefahr für die Pressefreiheit darstelle. (Stefan Krempl) / (pmz)