Menschen in der EU wünschen sich stärkeres Vorgehen gegen Desinformationen

Desinformationen werden gezielt eingesetzt, um Menschen zu verunsichern. Die Bertelsmann Stiftung wirbt für ein flächendeckendes Monitoring und mehr Gegenwehr.

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(Bild: Shyntartanya/Shutterstock.com)

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Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge wünscht sich die Mehrheit der Menschen in der EU einen stärkeren Einsatz gegen Desinformationen im Internet. Sie sei sich häufig unsicher, ob sie es mit Fake News oder validen Informationen zu tun habe. Weniger als die Hälfte der Befragten überprüfen aber tatsächlich, ob sie gerade auf Desinformationen gestoßen sind, noch weniger melden diese oder weisen auf sie hin. Eine große Verantwortung für weniger Desinformationen im Netz sehen die Befragten bei Politik und Plattform-Betreibern von sozialen Medien.

54 Prozent der Befragten in ganz Europa waren in den jüngsten Monaten häufig oder sehr häufig verunsichert, ob Informationen im Internet wahr sind oder nicht, erklärt die Stiftung. Laut Umfrage sei die Unsicherheit besonders stark in Italien (63 Prozent), Spanien (57 Prozent) oder Frankreich (55 Prozent) ausgeprägt. In Deutschland zeigten sich 47 Prozent der Befragten unsicher bei der Bewertung des Wahrheitsgehalts von Aussagen. In den Niederlanden liegt der Wert bei nur 38 Prozent. Laut Studienautor Dr. Kai Unzicker geben diese Zahlen auch einen Hinweis darauf, "dass die Verbreitung von Desinformationen vermutlich ein wichtiges Ziel der Urheber bereits erreicht hat: die Verunsicherung zu vergrößern."

Sicher sind sich 39 Prozent der Befragten, dass sie schon häufig oder sehr häufig auf Desinformationen im Internet gestoßen sind. Nur 11 Prozent erklärten, dass dies bisher noch nicht der Fall gewesen sei.

Sehr einig sind sich die Befragten, dass sowohl Politik als auch Plattform-Betreiber von sozialen Medien mehr gegen Desinformationen tun sollten. 85 Prozent sagten dies in Bezug auf die Politik, 89 Prozent in Bezug auf Plattform-Betreiber wie z.B. Twitter respektive X, Facebook, Instagram oder TikTok. Selbst aktiv wurden bisher 44 Prozent der Befragten, um den Wahrheitsgehalt von Informationen im Internet zu prüfen. Gemeldet wurden Desinformationen von 22 Prozent der Befragten und ebenfalls 22 Prozent machten andere Nutzer auf Desinformationen aufmerksam.

Der Einfluss von sozialen Medien wird vor allem ambivalent betrachtet.

(Bild: Bertelsmann Stiftung)

So stark die Bürgerinnen und Bürger auch einen Handlungsbedarf in Sachen Desinformation in sozialen Medien sehen, so positiv bewerten sie diese dennoch: 28 Prozent bescheinigen ihnen einen positiven Einfluss auf die Demokratie, 30 Prozent erkennen aber auch klar negative Auswirkungen auf die Demokratie, 42 Prozent der Befragten sehen den Einfluss ambivalent.

Laut Studie haben auf den Umgang mit Desinformationen Alter und Bildung einen deutlichen Einfluss. Jüngere und gebildetere Befragte setzten sich aktiver mit Informationen auseinander. Mit steigendem Bildungsgrad sei auch der Anteil derjenigen höher, die Informationen überprüfen. Jüngere Befragte wiesen andere Nutzerinnen und Nutzer auch eher auf falsche Informationen hin.

Jüngere und Gebildete prüfen häufiger Informationen auf Validität, so die Studie.

(Bild: Bertelsmann Stiftung)

Die Bertelsmann Stiftung leitet aus ihrer Studie Handlungsempfehlungen ab, um Desinformationen besser bekämpfen zu können. So müsse es ein systematisches Monitoring des Phänomens Desinformation in Deutschland und Europa geben. Dies sollte durch vertrauensvolle und kompetente Stellen flächendeckend durchgeführt werden. Auch müsse die Bevölkerung für das Thema Desinformationen sensibilisiert und Medien- und Nachrichtenkompetenz allen Generationen vermittelt werden. Auf den Plattformen sollte es der Stiftung zufolge eine konsequente und transparente Inhaltsmoderation geben.

Laut der Bertelsmann Stiftung wurden mehr als 13.000 Personen innerhalb der EU zum Thema Desinformationen im Internet im Rahmen einer regelmäßigen vierteljährigen Umfrage befragt. Die Umfrage wurde per Onlinebefragung von Menschen zwischen 16 und 70 Jahren in allen 27 EU-Mitgliedsländern durchgeführt. Die Daten sollen nach Geschlecht, Alter und Regionen gewichtet worden und somit für die gesamte EU repräsentativ sein. Aufgrund des Zuschnitts der Stichprobe ließen sich nur für sieben Länder zusätzlich separate Werte ausweisen: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen und Spanien.

Desinformationen grenzt die Bertelsmann Stiftung unter anderem von Fehl- und Misinformationen ab. Desinformationen sind demnach "Falschnachrichten, die von ihren Produzent:innen absichtlich und mit dem Ziel, einen Schaden anzurichten, verbreitet werden. Damit unterscheiden sie sich von Fehl- oder Misinformationen, die zwar genauso falsch sind, jedoch unbeabsichtigt in Umlauf geraten, und von Schadinformationen (Malinformation), die zwar auch mit der Absicht verbreitet werden, Schaden anzurichten, jedoch im Gegensatz zu Desinformationen den Tatsachen entsprechen."

(kbe)