Studie: Menschenähnliche KI ist nur mit Robotern zu erreichen

Körperlose künstliche Intelligenzen können nie menschenähnlich werden, sagt eine Studie. Dazu fehle ihnen die Verbindung zur realen Welt – durch Roboter.

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(Bild: Tatiana Shepeleva/Shutterstock.com)

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Eine Künstliche Intelligenz (KI) kann nur dann die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen erreichen, wenn sie mit der realen Welt durch Roboter verbunden ist. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der University of Sheffield. Die Wissenschaftler zweifeln darin an, dass KI-Systeme – sofern sie körperlos bleiben – einer echten Gehirnverarbeitung ähneln werden, unabhängig davon, wie groß ihre neuronalen Netze oder die zum Training verwendeten Datensätze werden.

In der Studie "Understanding brain functional architecture through robotics", die in Science Robotics veröffentlicht ist, argumentiert das Wissenschaftsteam, dass aktuelle KI-Systeme wie etwa ChatGPT und deren dahinterstehenden Modelle zwar große Ähnlichkeiten mit dem menschlichen Gehirn aufweisen. Es gebe allerdings auch wichtige Unterschiede, die verhindern, dass sie eine biologisch ähnliche Intelligenz erreichen.

So seien menschliche Gehirne in einem physischen System verankert. Sie nehmen ihre Umwelt direkt wahr und handeln zugleich in der realen Welt. Dadurch werden Gehirnprozesse entwickelt, die körperlose KIs nicht generieren können. KIs sind zwar in der Lage, komplexe Muster in Daten zu erkennen und zu erstellen, haben jedoch keinerlei Verständnis oder Bewusstsein für die sie umgebende Welt.

Zudem bestehe das menschliche Gehirn aus mehreren Teilsystemen, die in einer spezifischen Architektur organisiert sind. Diese Architektur sei bei allen Wirbeltieren vom Fisch bis zum Menschen ähnlich. Sie fehle jedoch einer KI.

Die Forschenden gehen davon aus, dass sich die biologische Intelligenz aufgrund dieser spezifischen Architektur entwickelt hat. Sie habe die Verbindungen zur realen Welt genutzt, um etwa Herausforderungen zu bewältigen und zu lernen. Im Laufe der Evolution habe sich dadurch das Gehirn verbessert. Bei der Entwicklung einer KI werde dies jedoch nur selten berücksichtigt, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie.

Deshalb reiche es nicht aus, KI-Systeme mit denselben Methoden weiterzuentwickeln wie bisher. Es sei unwahrscheinlich, dass sie so weit fortschreiten, dass sie vollständig wie ein menschliches Gehirn denken können.

"Es ist viel wahrscheinlicher, dass KI-Systeme eine menschenähnliche Kognition entwickeln, wenn sie mit Architekturen ausgestattet sind, die auf ähnliche Weise lernen und sich verbessern, wie das menschliche Gehirn es tut, indem sie seine Verbindungen zur realen Welt nutzen. Die Robotik kann KI-Systeme mit diesen Verbindungen ausstatten – beispielsweise über Sensoren wie Kameras und Mikrofone und Aktuatoren wie Räder und Greifer. KI-Systeme wären dann in der Lage, die Welt um sie herum wahrzunehmen und wie das menschliche Gehirn zu lernen", sagt Tony Prescott, Professor für kognitive Robotik an der University of Sheffield und Mitautor der Studie.

Die Wissenschaftler sehen allerdings bereits Fortschritte bei der KI-Entwicklung zur Steuerung von Robotern. Ein leistungsfähiger Ansatz sei dabei die Verwendung rekurrenter neuronaler Netzmodelle, die aus mehreren Rückkopplungsschleifen bestehen. Sie werden so trainiert, dass sie bessere Vorhersagen darüber treffen können, was als Nächstes passieren könnte.

Roboter können dadurch ihre Anpassungsfähigkeit verbessern. Allerdings sei es noch zu früh, dass KIs von Robotern echten Gehirnen ähneln. Dazu fehle ihnen die Fähigkeit, verschiedene Sub-Systeme als Teil einer breiten kognitiven Architektur zusammenarbeiten zu lassen, wie es etwa menschliche Gehirne können, schreiben die Wissenschaftler.

"Die Bemühungen, zu verstehen, wie echte Gehirne Körper steuern, indem künstliche Gehirne für Roboter gebaut werden, haben in den letzten Jahrzehnten zu aufregenden Entwicklungen in der Robotik und den Neurowissenschaften geführt. Nach Durchsicht einiger dieser Bemühungen glauben wir, dass die nächsten Durchbrüche in der KI dadurch erzielt werden, die Entwicklung und Entfaltung echter Gehirne genauer nachzuahmen", sagt Stuart Wilson, Senior Lecturer in Computational Neuroscience an der University of Sheffield, der zugleich Hauptautor der Studie ist.

(olb)