Menschenrechtserklärung fürs Internet gefordert

"Wenn wir von Internet Governance sprechen, dann müssen wir auch von einer Bill of Rights sprechen", forderte der italienische Abgeordnete Fiorello Cortiana beim Treffen der Internet-Verwaltung ICANN.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 58 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der italienische Abgeordnete Fiorello Cortiana forderte heute beim Treffen der Internet-Verwaltung ICANN in Rom eine Art "Erklärung der Menschrechte für das Internet". Cortiana meinte bei einem Workshop zu den Konsequenzen des World Summit for the Information Society (WSIS): "Wenn wir von Internet Governance sprechen, dann müssen wir auch von einer Bill of Rights sprechen." Für Europa sei zudem eine "Bürger-Direktive" notwendig, die den Anspruch der Allgemeinheit auf offene Standards, offene Formate und offene Inhalte festlege. Cortiana war parlamentarischer Vertreter für Italien beim WSIS.

Cortiana betonte, es mache keinen Sinn mehr, nur noch auf Initiativen wie die Einführung von Softwarepatenten in Europa oder italienische Gesetzesinitiativen zur Datenspeicherung bei Internet-Providern zu reagieren. "Vergangene Woche haben wir im Parlament die obligatorische Datenspeicherung abgelehnt, die aus Gründen der staatlichen Sicherheit vorgeschlagen wurde. Gestern lebt der Vorschlag wieder auf, weil das Kulturministerium zum Schutz des Geistigen Eigentums die Datenspeicherung will. So können wir nicht weiter arbeiten." Der Kongress der Europäischen Grünen habe daher einstimmig die Idee einer Direktive verabschiedet. Im WSIS-Prozess, forderte das Gründungsmitglied der italienischen Grünen, solle die Zugangsfreiheit zur Kommunikation an vorderster Stelle stehen und nicht nur die Frage nach regulierenden Eingriffen.

Wie bei der Einführung des Telegraphen, ergänzte Wolfgang Kleinwächter, Professor an der Universität Aarhus, zielten viele offizielle Vorschläge im WSIS-Prozess eher darauf, den freien Informationsfluss unter einen Regierungsvorbehalt zu stellen als ihn wirklich zu fördern. Kleinwächter nannte beim opulent besetzten ICANN-WSIS-Podium die Übergabe der Autorität über den Inhalt der zentralen Rootserver-Datenbank des DNS den vielleicht wichtigsten, vertrauensbildenden Schritt. Die Root-Server-Betreiber sollten ein Abkommen mit internationalen Regierungen und nicht nur mit dem US Handelsministerium eingehen.

Die echte Internationalisierung von ICANN nannte auch Paul Wilson, Generalsekretär der IP-Registry für Asien und den pazifischen Raum (APNIC), unabdingbar. "Wir sind nicht für eine frühzeitige Aufhebung von ICANN. Allerdings muss im Laufe der zweiten WSIS-Phase klar werden, wie es nach dem Auslaufen des bestehenden Abkommens zwischen US-Regierung und ICANN weitergeht." Die Chefs der IP-Registrierstellen verhandeln in Rom erneut hart über die Art der Zusammenarbeit mit ICANN; die ICANN-Suborganisation für die nationalen Top Level Domains (ccTLDs) wurde hier zwar offiziell gegründet, doch blieben verschiedene Registries -- wie die .de-Registry DeNIC -- der ersten Sitzung unter Protest fern.

Vertreter von Providern, Registrys, Domain-Regisitrierungsdienstleistern, Markenrechts-, Unternehmens- und Nutzervertretern waren sich immerhin in einem einig: ICANN soll weiterleben. Besonders gerne dürften ICANN-Präsident Twomey und sein Chef Vint Cerf das klare Bekenntnis des italienischen Ministers für Innovation und Technologie, Lucio Stanca, zu ICANN gehört haben. "Wir glauben, dass ICANN eine zentrale Rolle in der internationalen Debatte spielen muss, gerade auch im Rahmen der UN-Arbeitsgruppe", sagte Stanca. Regierungen sollten sich nur dann einmischen, wenn Fragen wie Strafverfolgung oder Jugenschutz betroffen seien. Die geplante UN-Arbeitsgruppe zu Internet-Governance soll sich zunächst um eine gemeinsame Definition für "Internet-Verwaltung" bemühen, bestehende Strukturen klären und Vorschläge für die Zukunft machen.

ccTLD-Vertreter Peter Dengate-Thrush machte es ganz bildlich: Es werde viel über die im ICANN-Handschuh verborgene Hand der USA debattiert, das könne aber kaum heißen, dass man den Handschuh wegwerfe. "Wenn der WSIS sicherstellt, dass alle Hände im Handschuh Platz finden, ist das eine gute Sache." Das könnte reichlich eng werden -- und noch sind sich die internationalen Regierungen auch in ICANNs Regierungsrat gar nicht einig, wie der Handschuh denn künftig aussehen soll. (Monika Ermert) / (jk)