Microsoft-Prozess: Vorgeplänkel und neue Gesprächsangebote

Die Kontrahenten im US-Kartellprozess gegen Microsoft bereiten eifrig die nächste Runde vor – von über die Presse geführten Redeschlachten bis zu neuen Gesprächsangeboten reicht das Spektrum.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Kontrahenten im US-Kartellprozess gegen Microsoft bereiten eifrig die nächste Runde vor – von über die Presse geführten Redeschlachten bis zu neuen Gesprächsangeboten reicht das Spektrum, bevor das Verfahren in die zweite Phase geht. Das Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson steht allerdings fest: Der Softwarekonzern soll in zwei Teile gespalten werden; und bis das durchgeführt ist, hat er bei seinen Geschäftspraktiken bestimmte Regeln einzuhalten, die Konkurrenten die gleichen Chancen auf dem Markt einräumen sollen. Aber wie es nun weitergeht, wird sich erst in den nächsten Tagen herausstellen. Selbst eine außergerichtliche Einigung zwischen US-Justizministerium und Microsoft, die ohne eine Zweiteilung des Softwareriesen auskommt, scheint wieder möglich.

Joel Klein, Chef der Antitrust-Abteilung im US-Justizministerium, erklärte Ende letzter Woche auf einer Pressekonferenz in Washington, er sei weiter zu einer außergerichtlichen Einigung bereit, selbst wenn diese Microsoft als einzelne Firma intakt lasse. Jede Vereinbarung müsse aber die Konkurrenz auf dem Markt wieder herstellen und zukünftige Verletzungen der Wettbewerbsgesetze verhindern. Steve Ballmer, CEO von Microsoft, momentan gerade auf Europa-Tournee, nahm die Äußerungen von Klein gleich auf: "Wir würden immer noch diese Möglichkeit vorziehen. Wir würden diese Möglichkeit begrüssen, aber es wäre unangebracht, an dieser Stelle darüber zu spekulieren."

Ballmer betonte aber gleichzeitig, Microsoft werde gegen das Urteil von Richter Jackson in Berufung gehen; eine außergerichtliche Einigung könne nur zu Stande kommen, wenn Microsoft nicht aufgespalten werde. Auf einen Bericht angesprochen, Microsoft wolle selbst daran gehen, sich in mehrere Teile aufzuteilen, meinte Ballmer, Microsoft werde auf jeden Fall gegen die Entscheidung von Richter Jackson in Berufung gehen. "Wir werden ganz bestimmt nicht mehr als zwei Teile vorschlagen. Unsere Empfehlung ist, die Firma als eine einzige, integrierte Firma weiterzuführen." Das Urteil, wenn es wie ergangen in Kraft gesetzt werde, behindere "Innovation schwer" und werde "die Preise für Software und Computer weltweit in die Höhe treiben." Die Botschaft des Urteils von Richter Jackson sei, dass die Regierung einem das, was man geschaffen habe, wegnehmen könne, wenn man zu erfolgreich wird. Und er fügte hinzu: "Ich bin mir sicher, dass Microsoft nicht aufgeteilt wird."

Auch Richter Jackson selbst erklärte in den letzten Tagen immer wieder, er würde es begrüssen, wenn beide Seiten zu einer Einigung kämen, statt seine Teilungsentscheidung in Kraft setzen zu müssen. "Ich wäre erfreut über eine Einigungsverfügung [consent decree], wenn beide Parteien darin übereinstimmen, dass er das bestmögliche Resultat sei", meinte Jackson. "Ich habe immer gesagt, dass ein consent decree, mit dem beiden Seiten leben können, selbst wenn sie nicht vollständig zufrieden gestellt wären, nahezu jedem Urteil vorzuziehen ist, das ich fälle", erklärte Jackson.

Trotz des über dem Atlantik hinweg geführten Vorgeplänkels über neue Gespräche zwischen den beiden Kontrahenten und dem Drängen von Richter Jackson kann es noch einige Zeit dauern, bis solche Verhandlungen geführt werden – wenn sie überhaupt stattfinden. Bislang ist zwischen beiden Seiten noch nicht einmal über einen Termin gesprochen worden. Neben Ballmer betonten aber auch andere Microsoft-Sprecher, dass die Firma an Gesprächen interessiert sei, die es dem Konzern ermöglichten, weiterhin "innovativ zu sein und die Einheitlichkeit der Produkte zu bewahren".

Über die Berufung im Kartellverfahren ist allerdings ebenfalls noch nicht entschieden. Microsoft will nicht nur die Teilungsentscheidung anfechten, sondern auch die Auflagen für die Geschäftspolitik außer Kraft setzen lassen, die gelten sollen, bis das eigentliche Urteil rechtswirksam wird. Allgemein wird allerdings erwartet, dass Jackson, der zumindest über diesen Teil des Microsoft-Widerspruchs zu entscheiden hat, den Antrag zurückweist. Zudem ist noch nicht klar, welches Gericht überhaupt als Berufungsinstanz angerufen wird. Microsoft muss gegenüber Richter Jackson eine Widerspruchseingabe machen – dann kann die US-Regierung fordern, dass darüber direkt beim Supreme Court, dem obersten Gericht der USA, verhandelt wird. Bei Kartellverfahren dieser Größenordnung ist dieses Vorgehen möglich und auch in den meisten Fällen praktiziert worden. Microsoft hat allerdings etwas dagegen: Die Firma will die Berufung lieber in der nächsten Instanz des normalen Verfahrens, dem Federal Appeals Court, verhandelt wissen. Denn dieses Gericht hat schon in der Vergangenheit zu Gunsten von Microsoft entschieden, wenn es um die Verbindung von Internet Explorer und Windows ging – und dies ist immerhin einer der zentralen Punkte der Klage gegen die Redmonder Firma. Auf diesen Punkt sowohl in der Klage wie in der Entscheidung von Richter Jackson will sich Microsoft nach eigenen Angaben auch in der Berufung konzentrieren. Der Appeals Court hatte in dieser Frage früher entschieden, dass der Software-Konzern nicht der Verletzung von Antitrust-Gesetzen schuldig gesprochen werden sollte, wenn er gewisse Vorzüge der Integration von Web-Browser ins Betriebssystem für die Verbraucher plausibel machen könne.

Das Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson, Microsoft müsse sich in zwei unabhängige Firmen teilen, ist also noch lange nicht das letzte Wort im aufsehenerregendsten Kartellverfahren der jüngeren amerikanischen Geschichte. Nach Ansicht der meisten amerikanischen Beobachter des Prozesses muss sich Microsoft aber einige Mühe geben, um den Ausgang noch in Sinne des Konzerns zu beeinflussen. Dass die Berufung vor dem Supreme Court verhandelt wird, scheint wahrscheinlich zu sein; und frühere Erwartungen, dass ein möglicher Wahlsieg des Republikaners George W. Bush bei den US-Präsidentschaftswahlen später in diesem Jahr das Verfahren zu Gunsten Microsoft ausgehen lassen könnte, entpuppen sich mehr und mehr als Luftschlösser. Auch wenn Redmond entsprechende Hoffnungen hegen mag, erwarten die wenigsten politischen Kommentatoren in den USA Eingriffe eines eventuellen Präsidenten Bush. Immerhin sei auch die Aufspaltung von AT&T zur Regierungszeit Ronald Reagans beschlossen worden; außerdem wäre es ein noch nie da gewesener Präzedenzfall, wenn eine Regierung aus politischen Gründen in ein Kartellverfahren interveniere. "Politisch wäre es für eine Bush-Regierung schwierig, einen phänomenalen Sieg aufzugeben, während sie gleichzeitig durch die Generalstaatsanwälte der Bundesstaaten unter Beschuss gerät", meinte ein Staatsanwalt zudem unter Bezugnahme auf die Beteiligung von 19 US-Bundesstaaten an der Klage gegen Microsoft.

Aber auch das Verhalten von Microsoft selbst interpretieren Prozessbeobachter inzwischen immer mehr als größtes Hindernis für einen Ausgang des Verfahrens, der dem Konzern eher gelegen käme. Besonders die Auftritte von Bill Gates vor Gericht geraten unter Beschuss: "Ich habe bereits eine ganze Anzahl von amerikanischen Managern als Zeugen vor Gericht benannt, aber so etwas habe ich noch nie erlebt", erklärte Stephen Houck, ehemaliger Chef der Anwälte der amerikanischen Bundesstaaten im Microsoft-Prozess. "Sie leben in ihrer eigenen Welt, in der sie einfach überzeugt sind von ihrer eigenen Sicht des Markts", meinte ein anderer Antitrust-Experte: "Da gibt es diese Geisteshaltung, dass sie einfach die Macht nicht sehen, die sie auf den Markt ausüben, und niemand hat ihnen das je erklärt. Sie haben niemanden, der aufsteht und sagt, dass der Kaiser keine Kleider hat."

Bei all den Vorbereitungen auf die nächste Runde im Kartellprozess ist jedenfalls nur eines klar: Es bleibt spannend, welchen Ausgang das Verfahren gegen Microsoft letztlich nimmt. (jk)