Microsoft-nahe Institutionen wähnen sich ausspioniert

Eine Reihe von Einbrüchen und Diebstählen bei Microsoft-nahen Institutionen schürt den Verdacht einer Spionage-Kampagne gegen den Windows-Hersteller.

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Von
  • Christian Rabanus

Das Komplott scheint in vollem Gange zu sein: Eine Ermittlerin der privaten Detektivagentur Investigative Group International (IGI) interessierte sich für den Müll der Association for Competitive Technology (ACT), einer Microsoft-nahen Gesellschaft, und soll der Putzkolonne bis zu 1200 US-Dollar dafür geboten haben. Sofort drängt sich der Verdacht auf Wirtschaftsspionage auf: Die Frau erhoffte sich im Müll offensichtlich vertrauliche Informationen über den Redmonder Riesen. Sie scheiterte mit ihrem Ansinnen allerdings an der Putzkolonne.

Kurz darauf wurde in einem Bürogebäude in die Räume von Microsoft eingebrochen. Allerdings musste Microsoft keine Verluste vermelden, die ungebetenen Gäste hatten offensichtlich nicht das gefunden, was sie suchten. Auch den Vertretungen anderer Firmen in dem betroffenen Gebäude statteten die Einbrecher ihren Besuch ab – anscheinend erfolgreicher, denn dort ließen sie Diverses mitgehen.

Nach Bekanntwerden dieser Vorfälle wagten sich jetzt auch andere Betroffene an die Öffentlichkeit: Die National Taxpayers Union (NTU) berichtet von ominösen Personen, die unter falscher Identität auftraten. Die NTU hatte das Kartellverfahren gegen Microsoft kritisiert, weil durch den damit verbundenen Kurssturz 38,6 Milliarden Aktien-Dollar vernicht wurden. Kurze Zeit später veröffentlicht das Wall Street Journal einen Bericht, in dem von Microsoft-Spenden in Höhe von 201.000 US-Dollar an die NTU die Rede ist; natürlich ist dieser Betrag nur aus vertraulichen internen Papieren ersichtlich. Schließlich berichten Citizens for a Sound Economy (CSE) und das Indpendent Institute, beides Institutionen, die sich öffentlich für Microsoft geäußert hatten, von Laptop-Diebstählen im letzten Jahr. Auf den Laptops sollen sich vertrauliche Informationen über Zuwendungen von Microsoft befunden haben, über die man kurze Zeit später in Zeitungsartikeln lesen konnte.

Noch geben sich die Betroffenen betont zurückhaltend – suggerieren in ihren Äußerungen aber um so mehr, dass es sich bei der Koinzidenz der Fälle nur um eine Verschwörung gegen Microsoft und microsoft-nahe Institutionen handeln könne. Man könne wohl keinen klaren Zusammenhang zwischen dem einem Vorfall und dem nächsten erkennen, mutmaßt Erick Gustafson von CSE, aber die zeitliche Abfolge der Ereignisse sei schon verwunderlich. Jonathan Zuck, Chef der ACT, ist schon deutlicher: "Es gibt starke finanzielle Interessen in dieser Stadt [Washington], die zur Entstehung von unbegründeten Verleumdungen geführt haben. Jetzt versuchen diese Leute verzweifelt, Beweise für ihre hysterischen Anschuldigungen zu finden."

Fragt sich nur, wer hier hysterisch reagiert; genauso wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, macht ein Büroeinbruch oder ein Laptop-Diebstahl noch kein Spionage-Komplott. Bei einer Firma von Microsofts Größe, mit einem weitverzweigten Beziehungsgeflecht zu anderen Unternehmen und Institutionen, ist es nicht verwunderlich, wenn irgendwo im Einzugsbereich des Konzerns Eigentumsdelikte zu vermelden sind. Und wenn die Diebe dann auf dem gestohlenen Laptop noch brisante Daten finden, erscheint es logisch, dass sie diese auch noch zu versilbern versuchen, indem sie die Daten einer Zeitung anbieten – vor allem in einer Zeit, in der interne Informationen über Micorsoft auf dem Markt Gold wert sind.

Microsoft ist nach dem Urteil im Kartellprozess stark angeschlagen und hat vor allem mit einem zunehmenden Imageverlust zu kämpfen. Auch auf die von Microsoft unterstützten Institutionen färbt das schlechte Image ab. Immer mehr spricht sich herum, dass Linux gar nicht so schlecht ist und dass Linus Thorvalds sowieso viel netter ist als Bill Gates. Microsofts PR-Maschinerie könnte in dieser misslichen Situation nichts besseres passieren, als dass sich bewahrheiten würde, dass Microsoft Opfer einer Spionage-Kampagne ist. Der Sechser im Lotto wäre es, wenn hinter der Spionage auch noch die US-Regierung stünde, die Microsoft zerschlagen will. Sollte sich wirklich herausstellen, dass hinter den Diebstählen Beteiligte am Kartellprozess stecken, wäre das allerdings in der Tat eine Ungeheuerlichkeit. (chr)