Microsoft will Rapid Application Development mit .Net verbessern

Microsoft-Manager Matt Carter hat in einem Interview mit der iX angekündigt, dass der Konzern das schnelle Entwickeln von Benutzeroberflächen in der nächsten Version von .Net stark verbessern will.

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Von
  • Dr. Holger Schwichtenberg

Matt Carter, Direktor für das Marketing von Visual Studio, hat in einem Gespräch mit iX im Rahmen des Microsoft Technical Summit 2008 in Berlin angekündigt, dass Microsoft das schnelle Entwickeln von Benutzeroberflächen durch Rapid Application Development (RAD) in der nächsten Version von .Net stark verbessern will.

Auf die Kritik von iX, dass Microsoft zwar immer mehr Funktionen für Enterprise-Anwendungen biete, aber auf dem Wunsch der Kunden nach Rapid Application Development wie in Zeiten von Visual Basic 6.0 wenig eingehe, antwortete Carter: "Ja, in Visual Basic 6.0 konnte man sehr schnell eine Windows-Anwendung erstellen. Wir haben tatsächlich festgestellt, dass wir hier in Visual Studio noch eine Menge interessanter Dinge für die Kunden, die den Fokus auf Produktivität legen, tun können. In Visual Studio 2010 werden wir neue Funktionen im Bereich RAD integrieren. Genaueres können wir aber erst Anfang des Jahres 2009 öffentlich ankündigen."

Carter führte weiter aus, dass RAD-Techniken eine der fünf Säulen von .Net 4.0 und Visual Studio 2010 sein werden, dass man aber zum jetzigen Zeitpunkt in der Entwicklung noch nicht so weit sei, konkrete Ankündigungen zu machen. Auch den Codenamen wollte er noch nicht verraten. "Wir werden darüber im ersten Halbjahr 2009 reden", sagte Carter.

Microsoft hat in den Versionen seiner Entwicklungsplattform, die in den vergangenen drei Jahren erschienen sind, vor allem Enterprise-Entwickler durch Bibliotheken wie Windows Workflow Foundation, Windows Communication Foundation und ADO.Net Entity Framework sowie Werkzeuge wie Visual Studio Team System in den Vordergrund gestellt

Währenddessen gibt es aber Anwendungen, die weiterhin mit dem nicht auf .Net-basierenden Visual Basic 6.0 entwickelt werden, obwohl Microsoft den allgemeinen Support bereits am 31. März 2005 und den erweiterten Support am 8. April 2008 eingestellt hat. Dennoch werden auch heute noch Einsteiger-Schulungen für Visual Basic 6.0 gebucht. Eine Google-Suche fördert zu Tage, dass einige Seminaranbieter sogar mehrmals im Monat solche Kurse anbieten.

Bereits seit 2005 gibt es eine Petition zur Erhaltung von Visual Basic in seiner klassischen Form ohne .Net. Mehr als 13.000 Unterschriften reichten Microsoft aber nicht, um auf die von den Unterzeichnern geforderte Doppelstrategie eines "Visual Basic .COM" parallel zu "Visual Basic .Net" einzugehen.

Hintergrund der Petition ist, dass die erste Version von .Net, die im Jahr 2002 erschienen ist, in Hinblick auf das RAD von Oberflächen ein deutlicher Rückschritt gegenüber Visual Basic 6.0 war, zumindest aus der Sicht der Entwickler von Desktop-Anwendungen. Webentwickler haben hingegen den Umstieg von klassischem ASP auf ASP.Net sehr viel einfacher verkraften können, da das Steuerelement-basierte Webforms-Modell von ASP.Net wesentlich produktiver war als das Zusammensetzen von HTML-Tags in der Vorgängerversion.

Im Jahr 2005 lieferte Microsoft im Rahmen von .Net 2.0 und Visual Studio 2005 dann Verbesserungen für RAD in Desktop-Anwendungen, indem nun Datenmasken direkt durch das Drag&Drop von Tabellen aus der Datenumgebung auf ein leeres Formular erstellbar waren.

Die Einführung der Windows Presentation Foundation (WPF) als alternative Oberflächentechnik zu Windows Forms im Rahmen von .Net 3.0 muss in Hinblick auf Produktivität als ein Rückschritt bezeichnet werden. Zum einen ist der Lernaufwand für WPF hoch, zum anderen fordert die Entwicklung mehr Zeit, weil der in Visual Studio integrierte WPF-Oberflächendesigner nicht den von Windows Forms oder VB6 gewohnten Standard bietet. Dies gilt auch für Visual Studio 2008 trotz der in Service Pack 1 gelieferten Verbesserungen.

Einen deutlichen Fortschritt für RAD-Entwickler gab es zuletzt lediglich in ASP.Net im Rahmen der dynamischen Datenwebsites, die eine an Ruby-On-Rails angelehnte RAD-Technik mit Namen Scaffolding (deutsch: Baugerüst) anbieten. Durch Scaffolding entstehen auf Basis eines Datenmodells automatisch zahlreiche Webseiten zum Betrachten und zur Pflege des Datenbestandes (oft kurz als "GRUD-Seiten" bezeichnet, wobei CRUD für Create, Read, Update, Delete steht). Die Anpassung dieser Seiten erfolgt dann erst in einem nachgelagerten Schritt nach dem Prinzip Konvention vor Konfiguration.

Scaffolding könnte auch ein mögliches Modell für die nun angekündigten RAD-Techniken für Desktop-Entwickler sein. Da Microsoft gemäß weiteren Aussagen in dem oben genannten Interview in Windows Forms nicht mehr stark investieren wird, ist damit zu rechnen, dass die neuen RAD-Techniken auf WPF zielen werden. (Holger Schwichtenberg) / (wm)