Millionär bleibt Millionär

In den USA gibt es keine größere soziale Mobilität als in anderen Ländern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der amerikanische Traum ist letztlich, dass es jeder, egal wo er herkommt und wer er ist, schaffen kann, erfolgreich zu werden. Das hat sich im vielfach propagierten Slogan niedergeschlagen, dass auch ein Tellerwäscher zum Millionär werden könne. Die angebliche Durchlässigkeit der Gesellschaft und das Versprechen der Chancengleichheit, dass derjenige, der hart arbeitet, es auch ohne jede Hilfe zum Wohlstand bringen kann, hielt und hält wohl noch immer die amerikanische Gesellschaft zusammen und macht ihre Attraktivität für Einwanderer aus. Aber natürlich war dies immer für die meisten eine Illusion oder eine Verblendung, die die Schuld denjenigen gab, dies es aus eigener Kraft nicht schafften, ganz oben anzukommen.

Natürlich gab und gibt es immer wieder Einzelne, die den amerikanischen Traum einlösen und als Exempel vorgeführt werden. Aber das hat auch viel mit Glück und Ausnahmen zu tun, für den Großteil ist soziale Mobilität nach oben (und, wenn man will, nach unten) versperrt. Wie Studien schon länger gezeigt haben, erstarrt die US-amerikanische Gesellschaft zunehmend und wird zu einem neuen Feudalsystem. Wer hat, dem wird gegeben, heißt es dementsprechend schon in der Bibel, was auch in God's own country seine Geltung behält. Die Einkommensverteilung zwischen Arm und Reich ist selbst nach einem Bericht des Congressional Research Service eine der größten in den Industrieländern. Ein Aufstieg von ganz unten nach ganz oben komme ziemlich selten vor: "Wo man in der Einkommensverteilung beginnt, bestimmt wesentlich, wo man in ihr endet." Armut und Reichtum werden gewissermaßen vererbt. Das wird auch von anderen Studien bestätigt.

Der deutsche Sozialwissenschaftler Fabian Pfeiffer, der an der University of Michigan lehrt und eine nächste Woche stattfindende Konferenz über Ungleichheit organisiert hat, hat durch eigene Untersuchungen noch einmal bekräftigt, dass in den USA der Aufstieg nach oben nicht leichter als anderswo sei: "Es ist wirklich ein Mythos, dass die USA ein Land der außergewöhnlichen sozialen Mobilität ist", sagt er. Besonders in den USA würden die Menschen unterschätzen, wie stark das Schicksal mit dem eigenen Hintergrund verbunden ist. Wesentlich von den USA unterscheiden sich Schweden und Deutschland nicht. In Deutschland ist allerdings nach einer Studie von Pfeiffer der Einfluss des Reichtums der Eltern nicht maßgebend auf den Ausbildungserfolg, sondern hier kommt stärker zur Geltung, wie ausgebildet die Eltern selbst sind.

Pfeffer hatte Daten aus einer amerikanischen repräsentativen Langzeitstudie, die seit 1968 5000 Familien über zwei Generationen beobachtete, mit ähnlichen Untersuchungen in Deutschland und Schweden verglichen. Der Wohlstand der Eltern, so das Ergebnis, ist ein entscheidender Faktor, ob Kinder die "sozioökonomische Leiter" hinauf- oder hinunterklettern. Der materielle Wohlstand der Eltern übt dabei einen größeren Einfluss aus als die Ausbildung, das Einkommen und der Job der Eltern. "Wohlstand", so vermutet der Sozialwissenschaftler, "hat nicht nur eine Kauffunktion, so dass Familien beispielsweise Häuser in guten Wohnlagen kaufen oder ihre Kinder in teure Schulen oder Colleges schicken können, er hat auch eine Versicherungsfunktion und bietet eine Art privates Sicherheitsnetz an, dass Kindern eine ganz anderes Angebot an Möglichkeiten eröffnet, wenn sie die Welt der Erwachsenen betreten."