Millionenschaden: Niedersächsische Strafverfolger erfolgreich gegen Cybertrading

Die Staatsanwaltschaft Göttingen meldet einen Schlag gegen international agierende Online-Anlagebetrüger, die mindestens 89 Millionen Euro abgezockt haben.

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(Bild: Oleksiy Mark/Shutterstock.com)

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Ermittler des Fachkommissariats Cybercrime der Zentralen Kriminalinspektion Braunschweig (ZKI) haben unter der Ägide der Staatsanwaltschaft Göttingen zusammen mit Eurojust und Europol eine koordinierte Aktion in vier Ländern gegen eine betrügerische Online-Anlageplattform durchgeführt. Die Plattform soll bisher mindestens 33.000 Opfer um schätzungsweise 89 Millionen Euro gebracht haben. Allein in Deutschland belaufe sich der Schaden auf 22 Millionen Euro bei über 5500 Geschädigten, teilte die Göttinger Strafverfolgungsbehörde am Donnerstag mit. Die Behörden hätten bereits am 22. März zugegriffen. Dabei seien zahlreiche Beweismittel und Vermögenswerte beschlagnahmt sowie fünf Beschuldigte im Alter von 29 bis 51 Jahren im europäischen Ausland festgenommen worden.

Das Ermittlungsverfahren richtete sich laut den offiziellen Angaben gegen eine Tätergruppe aus dem Bereich des Cybertradings, die die betrügerischen Onlineplattformen fx-leader.com (später fxleader.com und swiscapital.com), invcenter.com, interactive-trading.com und qteck.io betrieben habe. Bei dem zunehmenden Kriminalitätsphänomen beraten angebliche Finanzexperten, die in aller Regel aus Callcentern im Ausland anrufen, die potenziellen Geschädigten über vermeintlich lukrative Anlage- und Finanzprodukte. Die Täter gehen bei der Kommunikation hochprofessionell nach einem speziellen Skript vor, das alle theoretisch möglichen Handlungsalternativen der potentiellen Anleger berücksichtigt und Reaktionsmöglichkeiten darlegt.

Ziel ist es, die Opfer zu einer zunächst verhältnismäßig geringen Investition in Höhe von 200 bis 250 Euro zu bewegen. Anschließend wird auf den gefälschten Online-Handelsplattformen vorgespiegelt, dass sich eine Investition rasant positiv entwickelt. Die eingezahlten Gelder werden aber zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt. Sobald ein Anleger eine Auszahlung wünscht, bricht der Kontakt zu seinem vermeintlichen Kundenberater ab oder das Investment erleidet einen Totalverlust. Rechtlich schätzten Juristen dieses Phänomen als gewerbs- und bandenmäßigen Betrug ein, auf den eine Freiheitsstrafe zwölf Monaten bis zu zehn Jahren steht.

Bei den Razzien durchsuchten die Ordnungshüter in Bulgarien, Rumänien, Georgien und Israel unter anderem 13 Objekte inklusive fünf Callcenter. Sie vollstreckten fünf Europäische Haftbefehle, vernahmen zahlreiche Zeugen und behielten 40 Mobiltelefone, Computer, Bitcoins, Luxusuhren, Bankkarten, elektronische Datenträger sowie Dokumente ein. Konten der Beschuldigten konnten gepfändet werden. Im Einsatz waren insgesamt 159 Polizeikräfte, davon 34 aus Niedersachsen. Zudem waren 15 Staatsanwälte am Zugriff beteiligt. Europol richtete eine spezielle operative Taskforce ein, die den Informationsaustausch erleichterte und analytische Unterstützung leistete. Die Polizeibehörde entsandte zudem Experten nach Israel und – via Internet – in das Koordinierungszentrum von Eurojust.

Bei der Aktion handelte es sich um eine Folgemaßnahme zu Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Cybertrading im Oktober 2021. Damals hob die bulgarische Polizei unter anderem zwei Callcenter in Sofia mit rund 100 Angestellten aus. Im November gaben europäische Ermittler zudem einen Schlag gegen die "Milton Group" bekannt, die über manipulierte Finanz-Plattformen weltweit Hunderttausende Anleger betrogen und einen Gesamtschaden im Milliardenbereich verursacht haben soll. Niedersachsens Innenministern Daniela Behrens (SPD) freute sich angesichts des neuen Erfolgs, "dass unsere Polizei technisch wie operativ in der Lage ist, hochkomplexe Cybercrime- und Betrugsfälle aufzuklären" und Täter auch über Staatsgrenzen hinweg dingfest zu machen.

(tiw)