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"Missing Link": Voyagers Botschaft für die (Außer)Irdischen

Martin Holland

Vor genau 40 Jahren startete die erste der beiden Voyager-Sonden der NASA zur Erforschung des äußeren Sonnensystems. Neben wissenschaftlichen Instrumenten führt sie eine Botschaft für Aliens mit sich. Die richtet sich aber mindestens genauso an die Erde.

"Wir grüßen Euch, Ihr Großen. Wir wünschen Euch ein langes Leben" verkündet die Raumsonde Voyager 2 seit ihrem Start vor genau 40 Jahren. Die Botschaft in Zulu ("Siya nibingelela maqhawe sinifisela inkonzo ende.") ist eine von insgesamt 55 verschiedenen Sprachen aus aller Welt, die sie und ihre Zwillingssonde jeweils auf einer Platte mit sich trägt, um im All von der Menschheit zu künden. Viel mehr als die immensen wissenschaftlichen Erfolge [1] der Mission dürfte dieser Golden Record dazu beigetragen haben, dass die Sonde zu einem kulturellen Meilenstein geworden ist und immer noch die Fantasie der Menschen anregt. Denn ist die Sonde unter anderem auch als Botschafter unserer Welt gestartet, wird sie wohl noch lange vor allem ein Botschafter an unsere Welt bleiben – was durchaus auch geplant war.

Voyager und der Golden Record (0 Bilder) [2]

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Aufgabe der Zwillingssonden Voyager 1 und 2 war es, eine seltene Konstellation im Sonnensystem auszunutzen. Wie der Raumfahrtingenieur Gary Flandro 1964 entdeckt hatte, würden die äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun Ende der 1970er Jahre so günstig stehen, dass eine Sonde sie alle besuchen könnte. Die nächste derartige Gelegenheit ergebe sich erst 175 Jahre später. Diese auszunutzen würde nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld sparen. Realisiert wurde schließlich eine zweigeteilte Mission, die sicher den Jupiter und Saturn und wenn möglich auch noch Uranus und Neptun erkunden sollte. Geplant als "Mariner Jupiter-Saturn", wurde der Name fünf Monate vor dem Start noch geändert, um den großen Veränderungen am Design der Sonden Rechnung zu tragen.

"Hallo von den Kindern der Erde."
("Hello from the children of planet Earth." – Englisch)

Voyager 2 startete am 20. August 1977 auf einer langsameren und weiteren Flugbahn zu Jupiter und Saturn. Voyager 1 folgte dann am 5. September und nahm einen kürzeren und schnelleren Weg. Während Voyager 2 dann an den beiden Gasriesen in Richtung Uranus und Neptun Schwung holte, kam Voyager 1 dort eher an, wurde stärker beschleunigt und wie geplant aus der Ebene der Ekliptik geschleudert. Mit fast 65.000 Kilometern pro Stunde rast sie derzeit dahin und ist inzwischen das am weitesten von der Erde entfernte Objekt im Sonnensystem, dessen Position bekannt ist. Zum Anfang ihrer Mission aber haben beide Fotos und Daten zur Erde geschickt, die noch heute unser Bild des äußeren Sonnensystems prägen. Noch immer senden sie beide, nun aber von der Grenze des Sonnensystems [4].

Die Pioneer-Plakette an der Sonde

Die Pioneer-Plakette an der Sonde

(Bild: NASA)

Noch ungewöhnlicher als die Route der beiden Sonden waren aber Mitbringsel, die beide Sonden mitführen, für den Fall, dass sie einmal auf außerirdische Intelligenzen stoßen. Als deutliche Weiterentwicklung der Plaketten an Bord von Pioneer 10 und Pioneer 11 enthalten sie noch mehr Informationen über uns Menschen für eventuelle Entdecker. Mit einfachsten und möglichst universal zu entschlüsselnden Symbolen hatten die Plaketten dargestellt, "wo wir sind, wann wir sind und wer wir sind". Das sind die Worte des Astronomen und Schriftstellers Carl Sagan, der an der Ausarbeitung der Plaketten beteiligt war. Wie viel Uneinigkeit aber schon über diese Botschaft herrschte, zeigte die Debatte über die Darstellung von Mann und Frau, die – wie unerhört – weder beteten noch bekleidet waren.

"Grüße an unsere Freunde in den Sternen. Wir hoffen, dass wir uns eines Tages treffen."
(".تحياتنا للأصدقاء في النجوم. يا ليت يجمعنا الزمان" – Arabisch)

Seine ursprüngliche Idee einer friedlichen Botschaft der Menschen an Außerirdische haben Sagan und seine Kollegen für die Datenträger von Voyager noch einmal deutlich überarbeitet. Mit der Technik einer Schallplatte wurden auf den "Voyager Golden Records" Informationen gespeichert, die quasi eine Zeitkapsel der Menschheit in den 1970er Jahren darstellen. Zusätzlich zum "wo, wann und wer" kam nun das "wie" in einem Versuch, die Vielgestaltigkeit der Menschheit einzufangen. Gespeichert sind Bilder und Fotos, Musik sowie jede Menge Grußbotschaften – einerseits die bereits erwähnten in vielen Sprachen der Welt, andererseits eine des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und des damaligen UN-Generalsekretärs – ausgerechnet in Person des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Kurt Waldheim.

Voyager 1 (15 Bilder) [5]

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Erde und Mond

Auf diesem Bild wurde der Mond künstlich aufgehellt, damit er über der hellen Erde zu sehen ist. (Bild: NASA/JPL)

Zwar richten sich die Botschaften eigentlich an außerirdische Entdecker, die die Datenplatten noch in mehreren Hundert Millionen Jahren intakt vorfinden sollten, aber die Visionäre um Sagan nutzten die kurze Vorbereitungszeit, um daraus eine zumindest kurzfristig deutlich effektivere Botschaft an die Menschheit zu machen. Wie wichtig ihnen das war, zeigen schon die Grüße in mehreren Dutzend Sprachen. Für fremde Intelligenzen ungemein hilfreicher wäre es sicher gewesen, eine einzige Botschaft in einer oder höchstens zwei Sprachen zu schicken und Anleitungen zur Entzifferung hinzuzufügen. Aber dann hätte sich die heikle Frage ergeben, welche Sprache(n) ausgewählt werden sollten, wie Sagan und seine Ehefrau Linda in ihrem Buch "Signale der Erde" ("Murmurs of Earth") erläutern.

"Grüße eines Menschen auf der Erde. Bitte nehmt Kontakt auf."
("
પૃથ્વી ઉપર વસનાર એક માનવ તરફથી બ્રહ્માંડના અન્ય અવકાશમાં વસનારાઓને હાર્દિક અભિનંદન. આ સંદેશો મળ્યે, વળતો સંદેશો મોકલાવશો." – Gujarati)

Statt dieser für Aliens sicher deutlich hilfreicheren Kostprobe, sammelten sie lieber in wenigen Wochen Sprecher der unterschiedlichsten Sprachen, damit "Voyager das Universum als Repräsentant einer einzigen, wenn auch komplexen, aus vielen Teilen bestehenden Gemeinschaft grüßen kann". In seiner Gesamtheit sollte die Botschaft einem Chor ähneln, zu dem alle Kulturen ihren Klang beitragen: "Immerhin, indem wir ein Raumschiff aus dem Sonnensystem schicken, versuchen wir uns zu ent-provinzialisieren und über unsere nationalistischen Interessen hinauszuwachsen, um einem Commonwealth raumfahrender Gesellschaften beizutreten – sollte solch eines existieren". Aus diesen Worten spricht ein anscheinend verlorener Optimismus nicht nur für die Menschheit, sondern auch in Bezug auf Leben abseits der Erde, das auch 40 Jahre später noch nicht gefunden wurde.

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Zusätzlich zu den Botschaften von Studenten und Mitarbeitern der Cornell University beziehungsweise deren Bekannten, kommen zwei Texte von offiziellen Vertretern menschlicher Gemeinschaften. So erklärt UN-Generalsekretär Waldheim auf der Platte, dass sich die Menschheit aus dem Sonnensystem ins Universum aufmache in der Suche nach Frieden und Freundschaft, um zu lehren, wenn darum gebeten werde und zu lernen, wenn wir Glück haben. Jimmy Carter ergänzt, "Wir versuchen, unser Zeitalter zu überleben, um so bis in Eure Zeit hinein leben zu dürfen." In den krisenhaften 1970ern verbreiten die beiden hier also eine Hoffnung, die angesichts blutiger Kriege und wirtschaftlicher Krisen nicht jeder teilte.

"Freunde des Alls, wie geht es euch? Habt ihr schon gegessen? Besucht uns, wenn ihr Zeit habt."
("太空朋友,恁好!恁食飽未?有閒著來阮遮坐喔。" – Amoy)

Angesichts dieser historischen Umstände ist das von der Menschheit gezeichnete Bild sicher übertrieben positiv oder vielleicht sogar gelogen. So zeigen die Bilder glückliche Menschen, eine stillende Mutter, erfolgreiche Sportler, paradiesische Inseln, reichhaltiges Essen und wissenschaftliche Erfolge. Nicht zu sehen sind Kriege, zerstörte Umwelt, Katastrophen und Leid. Doch diese damals durchaus geäußerte Kritik verkennt die doppelte Natur der Botschaft, die auch die Menschheit daran erinnern soll, wer sie sein will. Wir wollen den Weltraum erkunden, aber eben auch als globale Gemeinschaft in Frieden leben. Das ist diese Botschaft aus einer zumindest im Rückblick weniger zynischen Zeit. Die Macher wussten, dass Voyager als fernster Bote auch auf der Erde nicht aus dem Gedächtnis verschwinden würde – ganz so wie ihre Botschaft, die an veraltete Science-Fiction erinnert.

Voyager 2 am Neptun (7 Bilder) [8]

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Diese Aufnahme sandte Voyager 2 im Sommer 1989 zur Erde.
(Bild: NASA)

Wie Recht sie damit hatten, zeigt sich an den unzähligen kulturellen Rückgriffen auf die beiden Sonden. Am berühmtesten ist zweifellos der Auftritt der fiktiven Sonde "Voyager 6" in "Star Trek: Der Film" aus dem Jahr 1980. Als V'Ger kehrt die darin zur Erde zurück, nachdem sie ihren Auftrag erfüllt sieht, das Wissen des Universums zu sammeln. Die Macher [10] haben die Geschichte der NASA-Sonden also weitergedacht und gingen davon aus, dass bald nicht nur Botschafter, sondern auch Sammler ausgeschickt werden könnten, die irgendwann sogar einmal zurückkehren. Die Realität ist eine andere: Die inzwischen ebenfalls das Sonnensystem verlassende Pluto-Sonde New Horizons hat nicht einmal mehr eine Botschaft für Aliens an Bord.

"Hallo an die Bewohner ferner Himmel."
("درود بر ساکنین ماورای آسمان‌ها" – Persisch)

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Der mit den Voyager-Sonden verbundene Optimismus auf eine bessere Zukunft scheint inzwischen verloren. Die Zukunftsvisionen sind düster geworden, die Wissenschaft findet dank vieler Fortschritte zwar ein vielgestaltiges Universum voller Welten vor, aber bislang sieht es trotzdem nicht danach aus, als würde da draußen tatsächlich jemand auf die Menschheit warten. Auch der Aufbruch zu den Sternen lässt auf sich warten; derzeit ist nicht einmal sicher, ob Menschen in absehbarer Zukunft noch einmal den Mond erreichen beziehungsweise ihn erstmals hinter sich lassen. Auf der Erde sind die Menschen derweil mindestens genauso sehr mit sich selbst beschäftigt wie zur Zeit der Voyager-Starts.

Auch deswegen sind die Golden Records 40 Jahre nach ihrem Aufbruch vielleicht wichtiger als je zuvor. Sie erinnern an die Hoffnungen des vergangenen Jahrhunderts und verpflichten auf sie. Zwar werden die beiden Sonden noch Jahrzehntausende brauchen, um überhaupt nur in die Nähe des nächsten Sterns zu kommen. Aber wenn unsere Nachfahren dann noch leben sollen, um von möglichen Empfängern der Botschaft zu erfahren, dann sollten wir nun schon unseren Teil erledigen. Sollten wir das nicht schaffen, bleibt lediglich die Gewissheit, dass Menschen Botschaften verschickt haben, die noch in fernster Zukunft von der Erde künden werden.

"Geht es euch gut?"
("
နေကောင်းပါသလား" – Birmanisch)

(mho [12])


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[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3806030.html?back=3804111;back=3804111
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3806030.html?back=3804111;back=3804111
[4] https://www.heise.de/news/NASA-Voyager-1-hat-unser-Sonnensystem-verlassen-1955662.html
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_1955698.html?back=3804111
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[9] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_2302797.html?back=3804111
[10] https://www.heise.de/news/Star-Trek-Das-halbe-Jahrhundert-Wir-gratulieren-3316383.html
[11] https://www.heise.de/thema/Missing-Link
[12] mailto:mho@heise.de