Mit Computerspielen den Stress senken?

Kanadadische Psychologen bieten Konditionierungsspiele zur Stärkung des Selbstvertrauens an, die den Kortisolspiegel senken sollen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Florian Rötzer

Kanadische Wissenschaftler haben kleine Computerspiele entwickelt, die den Menschen helfen sollen, ihre Selbstvertrauen zu stärken und die soziale Umwelt mit anderen Augen zu sehen. Die Idee des Psychologen Mark Baldwin und seines Teams von der McGill University besteht in einer Konditionierung der Wahrnehmung, indem die Spieler trainiert werden, stärker auf positives Feedback zu achten und sich nicht von negativen Einflüssen ablenken oder beeinträchtigen zu lassen.

Das alles beruhe auf Forschungen zur "sozialen Intelligenz", die zeigten, dass die Einstellung der Menschen zu sich selbst und zur sozialen Umwelt erlerntes Verhalten sei. Daher versprechen die Wissenschaftler, dass man sich umprogrammieren könne, wenn man täglich ihre Spiele benutze, um sich die positive Wahrnehmung der Mitmenschen einzuhämmern. Bei einem der simplen Spiele (EyeSpy) muss man beispielsweise möglichst schnell ein lächelndes Gesicht aus einer Menge von traurigen heraussuchen. Oder es geht darum, sich mit einem lächelnden Gesicht zu identifizieren, ein bestimmtes Wort in einer Buchstabenmenge zu finden oder auf Fotos mit mürrisch dreinschauenden Menschen zu klicken, die den Nutzer dann freundlich anlächeln. Wiederholt man eine solche Wahrnehmungsausrichtung, steige das Selbstvertrauen und die Stimmung.

Vor Kurzem hat das Team mit den Spielen einen kanadischen Computerspielpreis gewonnen. Mit dem Preisgeld wurde die Kommerzialisierung unterstützt. Pünktlich zum Start der Webseite MindHabits, auf der die Minigames nun gegen Geld angeboten werden, ist ein Bericht der Wissenschaftler im Journal of Personality and Social Psychology erschienen, laut dem die Spiele den Kortisolspiegel senken und damit Stress mindern sollen. Dabei wurden 23 Angestellte eines Call Centers aufgefordert, das Spiel, bei dem lächelnde Gesichter aus einer Menge herausgefunden werden sollen, eine Woche lang einmal täglich zu spielen. Ebenfalls täglich beantworteten sie Fragen zur Selbsteinschätzung und zum Stress. Nach der Woche wurde der Kortisolspiegel gemessen, der bei den Spielern um 17 Prozent geringer gewesen sei als bei einer Kontrollgruppe, die ein ähnliches Spiel, aber ohne die lächelnden Gesichter erhalten hatte.

Man könne sich viele Anwendungen für solche Spiele vorstellen, schwärmt Baldwin. Man könne damit "Menschen helfen, ihre Angst vor dem Sprechen in der Öffentlichkeit zu überwinden, oder neue Menschen zu treffen", oder auch "Sportler unterstützen, sich mehr auf ihr Spiel zu konzentrieren, als Angst zu haben, eine schlechte Leistung zu bringen".

Der Markt für solche simpel gestrickten Konditionierungsspiele ist möglicherweise da, weil viele Menschen an den vermeintlich wissenschaftlich begründeten "Denke-positiv"-Zauber glauben. Gerade wurden die Ergebnisse einer von der American Psychological Association (APA) durchgeführten landesweiten Umfrage veröffentlicht. Danach würde ein Drittel der Amerikaner unter "extremen Stress" leben, der vor allem mit der Arbeit und dem Geld zusammenhängt. Fast die Hälfte gibt an, der Stress habe in den letzten 5 Jahren zugenommen. Stress, so versichern die Psychologen, könne zu gesundheitlichen Problemen, ungenügenden sozialen Beziehungen und sinkender Arbeitsproduktivität führen. (fr)