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Mit Fossilien von Vormenschen an den Rand des Alls: Scharfe Kritik an PR-Aktion

Ein Weltraumtourist hatte bei seinem Flug zwei unersetzliche Fossilien von Vormenschen mit an Bord. Die Kritik aus der Archäologie ist scharf und einhellig.

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Zwei Knochen und ein Karbonbehälter auf südafrikanischer Flagge

Diese Fossilien reisten angeblich mit

(Bild: Lee Berger)

Lesezeit: 3 Min.

Einer der Passagiere des jüngsten kommerziellen Flugs von Virgin Galactic an den Rand des Weltraums hatte angeblich fossile Überreste zweier Vormenschen dabei. Er sieht sich jetzt zunehmender Kritik gegenüber. Auf dem Kurznachrichtendienst X sprechen Archäologen von einem Verstoß gegen das Berufsethos oder einem "mehr als inakzeptablen" Vorgehen. Die harsche Kritik richtet sich dabei nicht nur an den Unternehmer Timothy Nash, der die Überreste mitgenommen hat, sondern auch die Universität Witwatersrand, von der sie stammen. Der für die PR-Aktion verantwortliche Archäologieprofesser Lee Berger hatte von einer "Anerkennung für den Beitrag der Vorfahren der Menschheit gesprochen". Die Knochen seien ausgewählt worden, weil sie zu den am besten dokumentierten von Hominiden gehörten.

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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

Aufbewahrt wurden die Fossilien der Universität zufolge in einem stabilen Container aus Karbonfaser. Es handelte sich demnach um zwei Millionen Jahre alte Überreste eines Australopithecus sediba und 250.000 Jahre alte Knochen eines Homo naledi. Bei beiden handelt es sich um unersetzliche Zeugnisse zur Vorgeschichte der Menschheit, im Fall des Australopithecus-Knochens sogar um das Schlüsselbein des sogenannten Typusexemplars. Das steht in der Forschung stellvertretend für eine Art. Die Individuen hinter den Fossilien haben vor hunderttausenden von Jahren gelebt und hätten wohl trotzdem so wie wir die Sterne bewundert, versucht Matthew Berger die Aktion zu begründen. Als Neunjähriger hatte der Sohn von Lee Berger einst die ersten Überreste eines Australopithecus sediba entdeckt.

Ob es sich um einen Scherz handelt, hat etwa die Archäologin Danika Parikh auf X gefragt. Sie weist darauf hin, dass die Aktion keinerlei Forschungszweck verfolge, sondern es "nur um Spaß und Werbung" gehe. Mit Natalie Kendrick hat eine Archäologin aus Südafrika derweil erklärt, dass die Aktion nur erlaubt worden sei, weil die Überreste nicht als menschliche Überreste eingeordnet worden seien. In der Folge hat der Archäologe Flint Dibble wiederum darauf hingewiesen, dass das Forschungsteam aus Südafrika erst kürzlich in einem Dokumentarfilm erklärt habe, wie "menschlich" Homo naledi bereits gewesen sei. Jetzt würden sie mehr oder weniger das Gegenteil behaupten.

An Bord der VSS Unity von Virgin Galactic waren die Fossilien am 8. September bei "Galactic 03", dem dritten kommerziellen Flug des US-Unternehmens an den Rand des Weltraums. Dabei wurden die Passagiere in eine Höhe von 85 km befördert und konnten dort minutenlang Schwerelosigkeit sowie den Ausblick auf die Kugelgestalt der Erde genießen. Gegenüber Livescience hat die britische Archäologin Rachel King darauf hingewiesen, dass der Umgang mit den Fossilien umstritten gewesen sein mag, aber nicht illegal war. Im Prinzip könnten immer die, die solche Überreste entdecken, damit tun und lassen, was sie wollen.

(mho)