Mitarbeiterbewertung: Ungerecht durch unfaire Beurteilung

Mindestens einmal im Jahr wird die Leistung von Beschäftigten beurteilt. Das machen viele Vorgesetzten meist wenig objektiv. Eine faire Bewertung ist aufwendig.

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(Bild: ASDF_MEDIA/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Verfahren zur Beurteilung der Leistung der Mitarbeitenden sind in Deutschlands Unternehmen weitverbreitet. Ob Mittelstand oder Konzern, ob Kosmetikindustrie oder Softwareentwicklung: "Etwa die Hälfte aller Unternehmen misst und bewertet die Leistung seiner Beschäftigten", schätzt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Grundsätzlich sei es gut, das zu tun. "Aber es kommt darauf an, wie es gemacht wird", sagt Kanning. Das ist meist weniger gut.

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Anhand von Standardformularen vergeben Vorgesetzte üblicherweise Punkte für bestimmte Kriterien wie Arbeitsengagement, Aufgabenerledigung oder Teamfähigkeit. Meistens sind aber weder die Begriffe noch die Punktwerte definiert. "Deshalb hat die Führungskraft viele Freiheiten darin, die Punkte zu vergeben", sagt Kanning. Bei der Beurteilung spielen daher Sympathien und Gleichartigkeiten wie Geschlecht und Interessen eine große Rolle. Das führt zu Ungerechtigkeiten in einem unfairen Beurteilungssystem.

Die Führungskraft bestimmt mit ihrer Einschätzung maßgeblich, wie viel ein Mitarbeitender verdient, wie hoch sein Bonus ist und ob er oder sie Karriere macht. "Das kann auch fair laufen – allerdings ist das nur mit viel Aufwand möglich", sagt Kanning. Dafür sollte das Unternehmen festlegen, welches wichtige Kriterien beispielsweise in der Softwareentwicklung sind, etwa Kenntnisse in Programmiersprachen, analytische Kompetenzen und Teamfähigkeit. Für solche Leistungsbeschreibungen wird dann die Punkteverteilung definiert: für welche Leistung es wie viele Punkte gibt. Schlussendlich müssen die Führungskräfte darin geschult werden, dass sie sich an die Vorgaben halten und die Gespräche führen können. Dazu gehört, Entscheidungen zu begründen und auch in schwierigen Diskussionen dahinterzustehen.

Die Leistungsfähigkeit eines Menschen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Den größten Anteil hat die Intelligenz mit etwa 25 Prozent. "Die wird sich weder verändern noch lässt sich darauf gezielt Einfluss nehmen", sagt Kanning. Auf die Fachkompetenz schon. Der Führungsstil wirkt sich zu etwa 15 Prozent auf die Leistungsfähigkeit aus, und Zielsetzungsmethoden haben einen starken Einfluss auf die Leistung. Auch das Team ist wichtig für die Leistung, denn Akzeptanz motiviert, Ablehnung demotiviert.

Eine Leistungsbeurteilung ist zumindest notwendig für Unternehmen mit leistungsbezogener Bezahlung, was heutzutage üblich ist. Das Prinzip dabei: hohe Leistung – hoher Bonus. Die Beurteilung der Mitarbeiterleistung ist zudem ein Instrument der Personalführung und Personalentwicklung. Sie offenbart Stärken und Schwächen und ist damit ein Hinweis für die Personalabteilung, in welchen Themen ein Mitarbeiter geschult werden sollte. "Die Beurteilung seiner Leistung gibt den Mitarbeitenden aber auch Orientierung, wo sie stehen", sagt Kanning. So dient sie der Personalentwicklung.

Was aber ist die Konsequenz, wenn willkürlich und damit ungerecht beurteilt wird? "Es entsteht Unmut in der Belegschaft, weil sie weiß, dass das System unfair ist", sagt Kanning. Manche Führungskräfte geben hohe Punkte, um wenig Arbeit zu haben und keinen Ärger mit den Mitarbeitenden zu bekommen. "Das System demotiviert dann in der Leistungsbereitschaft und den Personalabteilungen fehlen wichtige Informationen über die Personalentwicklung", sagt Kanning. In der Folge wird nicht oder falsch geschult. Das kostet unnötig Geld und bringt die Firma nicht weiter.

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Der Professor stellt fest, dass Leistungsbeurteilungen generell digitalisiert werden. Anstatt auf Blättern anzukreuzen, werden in Programmen Punktzahlen angeklickt. Manche Programme lassen es zu, dass wirtschaftliche Kennzahlen einfließen, etwa der Umsatz eines Mitarbeitenden im Vertrieb. "Auf den ersten Blick könnte man meinen, ein solches Verfahren sei objektiver als die persönliche Meinung eines Vorgesetzten über die Leistung seiner Mitarbeiterin oder seines Mitarbeiters", sagt Kanning. Doch auch diese digitale Methode ist unfair, wenn wichtige Kriterien wie Verkaufsgebiet oder Sondereffekte wie Corona nicht berücksichtigt werden.

Digitale Systeme im Personalmanagement dienen heute vorwiegend der Planung und Dokumentation. Das mittelständische Fertigungsunternehmen Fritsch Elektronik nutzt schon seit zehn Jahren Anwendungen von Sage für Weiterbildung und Mitarbeitergespräche. Fritsch Elektronik hat rund 100 Mitarbeiter und fertigt elektronische Komponenten wie etwa elektronische Einheiten für Krankenhausbetten und Schließanlagen. "Das Weiterbildungsmodul liefert transparent und übersichtlich Informationen über den Fortbildungsstand unserer Mitarbeiter", sagt Simone Homburg, die für Personal und Soziales zuständig ist.

Außerdem komme die Anwendung bei Kunden und Lieferanten in externen Audits gut an, weil die rasch überblicken können, wie das Unternehmen weiterbildet. Das ist wichtig bei ISO-Zertifizierungen. Im anderen Modul werden Mitarbeitergespräche dokumentiert und Termine für die Gespräche hinterlegt, sodass sie nicht vergessen werden. Der Zugriff auf die Daten ist über Zugriffsrechte vergeben.

Als Nächstes plant Fritsch Elektronik die Implementierung des Sage-Mitarbeiterportals, in dem die Beschäftigten ihre Performance selbst eingeben können und diese der Einschätzung der Führungskräfte gegenübergestellt wird. Bei deutlichen Differenzen treffen sich die beiden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die HR Suite des britischen Softwareunternehmens Sage ist eine Personalmanagement-Lösung für den deutschen Markt. "In Deutschland muss mit Daten anders umgegangen werden als etwa in den USA oder Asien", sagt Christian Zöhrlaut, Director Products Medium Segment. Personenbezogene Daten unterliegen einem besonderen Datenschutz, sie dürfen nur für eindeutige Zwecke verwendet und müssen in nachvollziehbarer Weise verarbeitet werden.

"Bei der Einführung digitaler Performance Management Systeme müssen der Betriebsrat – sofern vorhanden – und der Datenschutzbeauftragte zustimmen", sagt Zöhrlaut. Weiterhin muss die Führungskraft mit dem Mitarbeitenden klären, ob die Daten für die Personalmanagementprogramme genutzt werden dürfen. Nur, wenn er oder sie unterschreibt und so zustimmt, darf die Personalabteilung darauf zugreifen. Der Vorstand darf die Daten nur dann einsehen, wenn er vorher Rücksprache mit der Führungskraft gehalten hat.

(mho)